Schuldfrage als Puzzlespiel

ODESSA, UKRAINE Solch einen grandiosen Einfall kann nur ein Schweizer haben. Mein Kollege Jürg Vollmer hat auf Krusenstern.ch ein spannendes Experiment gestartet. Er will die Schuldfrage im Kaukasus-Konflikt klären, und seine Leser sollen bei der Spurensuche helfen – nicht mit Verschwörungstheorien, sondern mit Fakten. Vollmer erklärt auch, wie westliche Spin Doctors mit Millionenbudgets versuchen, die Medienberichterstattung zu beeinflussen. Hier geht’s zum Puzzle “Kaukasus-Konflikt: Hat Russland oder Georgien den Krieg begonnen?”

Und ich frage Jürg Vollmer gleich mal, ob er mir die Schweizer Staatsbürgerschaft das Schweizer Bürgerrecht verschaffen kann.

10 comments

  1. Krusenstern

    Herzlichen Dank für die “Blumen” aus Odessa!

    Es ist tatsächlich spannend zu beobachten, wie die Leser eines Internet-Magazins aus allen verfügbaren Medien die Fakten zusammentragen.

    PS: Als Schweizer habe ich zwar den grossen Vorteil, für die Ukraine kein Visum zu benötigen, aber auch bei uns kocht man nur mit Wasser (Schmunzeln).

    Jürg Vollmer

  2. Andreas Solf

    Man kann dort auch darüber befinden, ob die Ukraine in die EU sollte, – oder besser nicht.

    Abstimmungen sind immer geil! Irgendeine deutsche TV-Station ließ seinerzeit die Sonntagsfrage des Politbarometers per TED beantworten, – da hatten wir die absolute Mehrheit der PDS-Linkspartei. Eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit sogar.

    Und würde es auf dieser Seite eine Abstimmung geben, die die Qualität der einzelnen Beiträge bewertet, gäbe es von mir für diesen und jenen – die ich total witzig finde – volle Punktzahl.

  3. cw

    @ Jürgen Vollmer: Sie können also nichts mich machen wegen des Schweizer Bürgerrechts? Sie kennen auch keinen, der da eventuell was…nein, ich höre schon auf. Aber Ihr Projekt habe ich gern empfohlen und wünsche viel Erfolg.

    @ Andreas Solf: Danke für das Lob. Ich habe Ihnen schon schreiben wollen, habe aber auf Ihrer Seite die Mailadresse nicht gefunden – oder mich zu blöd angestellt. Jetzt sofort denke ich daran, Sie in mein Linkliste aufzunehmen.

    Was denken Sie: Sollte die Ukraine in die EU aufgenommen werden? Ich sitze nämlich gerade an einem Kommentar denke über diese Frage nach.

  4. Theobald Tiger

    Die Frage “ob” die Ukraine in die EU aufgenommen werden sollte ist die eine, die andere Frage ist “wann” die Ukraine in die EU aufgenommen werden sollte.

    Meine Antwort auf die erste Frage: Ja

    Meine Antwort auf die zweite Frage: Zeitpunkt derzeit noch nicht absehbar.

  5. Andreas Solf

    Ja, das ist bei Windows Live blöd eingerichtet. Mailen kann man wenn man den Mauszeiger über das Bild im Profil streichen lässt, – tut mir leid, das ist nicht meine Erfindung. Für alle ohne Mauszeiger gibt es asolf@msn.com. Ich beantworte fast jede Mail.

    Zur Frage: “Sollte” ist eine komische Formulierung. Besser wäre wohl : “Wollmer se nein lassen?”.
    Zuvor müssten sich die Ukrainer aber die Frage beantworten, ob sie das überhaupt wollen. Nach vierzehn Jahren Arbeit in der Ukraine ist mein Eindruck, dass die Ukrainer am liebsten neutral wären, – so wie die Schweiz.

  6. cw

    @ Andreas Solf: Ich halte eine Neutralität für unrealistisch und gefährlich – mit Blick auf die Lage und Geschichte der Ukraine. Andererseits verstehe ich die Nähe zu Russland erst, seit ich hier lebe. Wenn Freunde und Verwandte in Moskau, St. Petersburg oder sonstwo in Putins Reich leben, fällt der Abschied schwer.

    Wie denken Sie darüber?

    @ Theobald Tiger: Ich sehe mittlerweile in einer Aufnahme die einzige Chance für die Ukraine, wirklich ein Rechtsstaat zu werden. Es braucht Druck von außen, also regelrecht Zwang, um die alltägliche Korruption auf ein erträgliches, europäisches Maß einzudämmen. Sie ist zu stark verwurzelt, was übrigens auch niemand bestreitet. Ich höre oft: “Wir sind einfach korrupt, das lässt sich nicht ändern.” Korruption ist ein harter Begriff, aber ich meine damit auch die kleinen Bestechungen und Gefälligkeiten für Lehrerinnen, Polizisten, Klempner, Ärzte. Ich zähle dazu auch die Steuertricksereien, die kaum zu verfolgen sind.

    Es fehlt das Unrechtsbewusstsein. Klar: Der Staat darf betrogen werden, weil der Staat ja selbst korrupt ist. Kurz, ich bezweifele, dass sich das Land aus diesem Sumpf alleine befreien kann.

  7. Andreas Solf

    Natürlich haben Sie recht, – Neutralität geht nicht in unserer globalisierten Welt. Was ich schrieb, bezieht sich auf ein ukrainisches Lebensgefühl.

    Hierzu gehören aber auch jedwede Art von Befindlichkeit, – auch Religion gehört dazu. Und das Demokratiemodell des Westens wird in der Ukraine nicht immer als produktiv wahrgenommen. Zumindest können sich die Ukrainer dies nicht auf sich angewandt vorstellen, bzw. es gibt zu wenige mentale Stimuli, es anstreben zu wollen. “Schon ohne Europa ist das Chaos bei uns groß genug…”

    Die andere Frage: Kann das instabile Europa überhaupt eine Ukraine – so wie sie derzeit ist – verkraften? Rein theoretisch? Die Mitgliedschaft Polens hat bei uns so manchen Integrator aufgeweckt. Plötzlich ahnen wir alle, dass slawische Mentalität sich von der unsrigen sehr unterscheidet.

    Letzter Punkt: Alle Optionen (NATO-Mitgliedschaft und EU-Beitritt) werden derzeit in der Ukraine als gegen Russland gerichtet wahrgenommen. Gegenüber Russland gibt es aber auch eine gewisse “positive” Tradition und religiöse Gemeinsamkeit. Würde Russland der Ukraine eine faire Alternative bieten wollen, und würden sie ihre antiukrainisch eingestellten Medien zurückpfeiffen, wäre der Westen keine echte Option für die Ukrainer.

    Jetzt, da ich dies schreibe, merke ich zugleich: es ist ja eigentlich noch viel, viel komplizierter…

    Mein Vorschlag (im Scherz): Man sollte einen Beitritt dreiteilen: Erst das Gebiet westlich vom Sbrutsch (Zbrucz), dann in einem zweiten Schritt das Gebiet bis zum Dnipro und sollte das alles funktionieren, den Rest des Landes.

  8. cw

    @ Andreas Solf: Keine Angst, ich wusste, dass sich der Neutralitätsvorschlag nur auf das ukrainische Lebensgefühl bezog. Ihre Integration in drei Stufen sollten Sie aber unbedingt mal in Brüssel vortragen.

    Sie haben Recht: Es ist alles furchtbar kompliziert. Ich behaupte, einen wirklichen Aufschwung und halbwegs gerecht verteilten Wohlstand wird es in der Ukraine nur mit Europa geben. Russland wird irgendwann, wahrscheinlich schneller als wir glauben, ökonomisch zusammenkrachen. Es ist ja nur ein Scheinboom dort, gestützt auf Öl und Gas. Das kann auf Dauer nicht halten.

  9. Theobald Tiger

    Es ist schwierig, die EU hat natürlich auch einen erzieherischen Auftrag, aber ein Pädagoge kann nur dann Erfolg haben, wenn der Zögling motiviert ist und versteht dass Veränderungen zum besseren auch ihren Preis haben.

    In unserem Sinn korrupt sind in der Ukraine eben nicht nur “die da oben”, sondern auch “die da unten”, das kann man, wenn man will, als slawische Mentalität bezeichnen, und ab dann wird es wirklich schwierig.

    Sind die Leute dort eben so, und wollen auch so bleiben?

    Oder brauchen sie Druck durch den Westen um sich und die Strukturen zu verändern?

    Veränderungen und Anpassungen in Richtung EU gibt es aber nicht zum Nulltarif, auch nicht für den ukrainischen Normalverbraucher.

    Der Westen (die EU) sollte/muss das Land noch besser kennenlernen, und auch die Ukrainer müssen “den Westen” noch besser studieren um dann sich entscheiden zu können.

    Naives Wunschdenken? Ja, sicher, Politik funktioniert anders.

  10. Andreas Solf

    @Theobald Tiger
    Dass die EU wirklich besser sei, ist nur eine der vielen Meinungen. Und es irrt wer glaubt, “die Ukraine” wünsche sich nichts sehnlicher als der EU beizutreten. Je nachdem wie sich Russland in Zukunft gegenüber der Ukraine verhalten wird, kann ein EU-Beitritt für die Ukrainer bestenfalls als das kleinere Übel gelten. Sie werden einfach nicht wollen.

    @cw
    Der Scheinboom hält seit 1.Januar 2000 kontinuierlich an, Tendenz steigend. Nur allein was sich der russische Staat durch die Yukos-Zerschlagung unter den Nagel gerissen hat würde jeden EU-Finanzminister neidisch machen. Und was darüber hinaus legal ins Staatssäckel gespült wird (Gazprom-Erdgas und – fast ist es nebensächlich – die Steuereinahmen) würde ggf. genügen, das große Land auf alternative Energie umzurüsten. Sie sitzen nun einmal am Hahn und bevor Rohstoffe knapp werden, werden sie teurer. Putin schaffte es die Kapitalflüsse zu kanalisieren. Medwedew ist dabei dieses System weiter ausbauen. Daher vermute ich – ich würde gern anderes schreiben – Russland erst am Anfang einer Entwicklung, die uns noch einmal staunen machen wird.

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