Laaser faire-Politik gescheitert

Am Ende des Tages steht eine gute Nachricht: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und der Verband Deutscher Sportjournalisten haben sich endlich geäußert. In einer gemeinsamen Erklärung am Nachmittag appellieren sie an den Deutschen Fußballbund (DFB), “die Auseinandersetzung mit dem Sportjournalisten Jens Weinreich beizulegen”:

Es gehe nicht an, dass der Sportjournalist Weinreich öffentlich so angeprangert werde, betonten DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken und der Präsident des Verbands Deutscher Sportjournalisten, Erich Laaser. Es sei an der Zeit, die Schärfe aus der Auseinandersetzung zu nehmen.

Weinreich hatte im Juli DFB-Präsident Theo Zwanziger als “unglaublichen Demagogen” bezeichnet und damit offenbar sehr empfindlich getroffen. Zwanziger schlug das Wort in einem Duden nach, den wahrscheinlich nur er besitzt, stieß auf die Definition “Volksverhetzer”, dachte an Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, war beleidigt, beantragte gegen Weinreich eine einstweilige Verfügung und scheiterte vor zwei Gerichten. Am vergangenen Freitag dann verbat sich der DFB per Pressemitteilung auf seiner Homepage eine Diffarmierung des Präsidenten, verkündete wahrheitswidrig, Weinreich habe sich entschuldigt, und verschwieg die zwei Niederlagen vor Gericht. Man kann das durchaus als Vorlage für eine deftige Antwort der Journalistenverbände begreifen.

Ich wäre wirklich sehr gern stolz auf den DJV, dessen Mitglied ich bin. Es gelingt mir leider nicht, und das hat mindestens zwei Gründe. Zum einen hatte der DJV den Angriff auf Weinreich bis zum Nachmittag als Privatfehde betrachtet. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb:

Wieder ein Tag, an dem ich froh bin, nicht Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (DJV) zu sein, weil es mir die Zeit spart, aus ihm auszutreten.

Es kann natürlich Zufall sein, dass sich der DJV erst nach diesem Satz aufgemacht hat. Mich stört vor allem, dass die vermeintliche Solidaritätserklärung lächerlich ist. Mit keinem Wort verurteien die beiden Verbände den DFB. Sie verlangen nicht, dass die Altherrenriege aus Frankfurt ihre furchtbare und allenfalls viertelwahre Erklärung gegen Weinreich von der Homepage tilgt. Genauso wenig werden die vom DFB angeschriebenen 100 Persönlichkeiten gewarnt.

Und ich empfinde es auch als unangenehm, dass der DJV fast fünf Tage braucht, um zu reagieren – und dann nicht mehr herausspringt. Ein bisschen schneller und sehr viel schärfer hat übrigens der Europäische Journalistenverband (EJF) reagiert.

“This is a shocking example of intimidation of a journalist who is raising matters of public concern,” said Aidan White, IFJ General Secretary.

Solch ein Signal für die Pressefreiheit hätte ich von Michael Konken erwartet – vor allem weil er sonst jeder braven Dorfzeitung beispringt, die verkauft werden soll. Da ist immer gleich die Freiheit der Berichterstattung in Gefahr.

Von Erich Laaser darf man leider nichts erwarten. Laaser fällt schon seit Jahren unangenehm auf, weil er jede journalistische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung, den Sportlern also, vermissen lässt. Er spielt eigentlich seit einer Ewigkeit nur noch Fehlpässe und muss in seiner Lehrzeit ganze Blöcke geschwänzt haben, anders kann ich mir gewisse Aussagen nicht erklären. Vor der WM 2006 in Deutschland forderte er von den Journalisten “Respekt” vor den Organisatoren, um “störungsfreie Spiele” zu erreichen. Laaser ist einer der Marktschreier und Pressesprecher, gegen die sich das Sportnetzwerk gegründet hat. Raten Sie mal, wer Mitbegründer dieses Zusammenschlusses von kritischen Journalisten ist.

Man kann darüber streiten, ob Weinreich überzogen hat mit seiner Kritik an Zwanziger. Dass der DFB daraus aber eine “Diffarmierung” gemacht hat und noch immer macht, denn der Text ist weiter online, sagt viel darüber aus, wie in Frankfurt Meinungsfreiheit definiert wird – nämlich ungefähr so: Wir freuen uns über jeden Jubelbericht! Vermeiden Sie jede Form von Majestätsbeleidigung! Dazu passt auch, dass der König des weltgrößten Sportverbandes Weinreich ein Angebot gemacht hatte: Packe der Journalist den “unglaublichen Demagogen” wieder ein, bekomme er ein Interview, versprach Zwanziger. Das riecht schon sehr nach Gutsherrenart, Schülerhilfe oder Audienz bei Seiner Exzellenz.

Alt und ziemlich erbärmlich sehen übrigens auch die Medienprofis des DFB aus, Generalsekretär Wolfgang Niersbach und Mediendirekter Harald Stenger. Sie sind für das Schreiben gegen Weinreich auf der DFB-Homepage verantwortlich. Die beiden Vertreter der Fax-Generation, zwei einstige Journalisten, lernen augenblicklich, was das Internet ist: keine Plattform für plumpe Parolen. Niersbach und Stenger sind übrigens nach wie vor Mitglieder von Laasers Sportjournalistenverband. Noch Fragen?

[Ich glaube nicht, dass irgendjemand meine Überschrift kapiert. Ich wette einen Zwanziger.]

13 comments

  1. ker0zene

    Laissez-faire? ;-)

    Interessante Infos, die Hintergründe sind dem gemeinen Mediennutzer ja nicht unbedingt bekannt. Ich habe auch gestutzt, als ich von Erich Laaser als VDS-Präsident erfuhr, der Mann ist mir seit RAN-Zeiten nicht unbedingt in bester Erinnerung. Oder um einen Kommentar von hier zu zitieren:

    “(…)Erich Laaser? DER Erich Laaser? Um den deutschen Sportjournalismus steht es viel schlimmer als ich es befürchtet habe.”

  2. cw

    Mist!

    Nun sagen Sie bitte aber auch, dass dieses Wortspiel nicht sonderlich gelungen ist.

    Ich habe Laaser auch erst bei Ran wahrgenommen. Man findet seltsamerweise auch nichts Richtiges über seinen Ausbildung.
    Wikipedia meldet:

    Laaser studierte zunächst in Münster und Marburg Politologie und schloss mit Diplom ab. Er bekam 1977 eine Praktikumsstelle beim Hessischen Rundfunk, blieb bis 1983 freier Mitarbeiter und wurde schließlich fest angestellt. Zwischen 1987 und 1992 war er Sportchef beim Hörfunk des HR, für den er auch von den Fußball-Weltmeisterschaften 1982 bis 1990 sowie den Olympischen Sommer- und Winterspielen 1984 bis 1992 berichtete.

    Schöner Satz, ker0zene! Verdammt, DER LAASER…Schlimmer wäre nur noch der Blondgefäbrte mit der seltsamen Brille, der für N24 den ganzen Tag auf dem Bayerngelände herumhängt. Wie heißt der Kerl bloß? Der kommentiert auch.

  3. ker0zene

    Ganz klar, fürchterliches Wortspiel. Und bis ich erst man die richtige Schreibweise von “Laissez-faire” gefunde hatte … (als ich meinen Kommentar verfasste, steckte der erste noch in der Moderation.)

  4. cw

    Tschuldigung, ker0zene, nicht ker0zone. Ich verbessere gleich.
    Die Alternative zu Laaser-faire wäre übrigens irgendetwas mit Laaserstrahlen gewesen.

  5. Doctor Robert

    Gestern brachte Zapp – Das Medienmagazin einen Beitrag zum Thema Weinreich/Zwanziger.

    Kann man auch auf der Internetseite des NDR anschauen, glaube ich.

  6. cw

    Geht doch! Danke. (So treibt man die Zahl der Kommentare auch in die Höhe.) Das nächste Mal bitte einen Hyperlink setzen – also ohne den ganzen Buchstaben- und Zahlensalat.

    Hast Du auch was zum Thema zu sagen?

  7. Doctor Robert

    Was ist ein Hyperlink? Und wie mache ich das? (Ich frage mich das tatsächlich)

    Zum Thema:

    Ich hoffe eigentlich, dass “personelle Konsequenzen” beim DFB gezogen werden müssen. So nennt man doch Rauswürfe im Fußball.
    Dazu wird es aber nach meiner Meinung nicht kommen, weil
    a) der DFB sich anscheinend keiner Schuld bewusst ist,
    b) die Sache noch nicht in allen Medien ausführlich genug thematisiert wurde
    und c)die Pressefreiheit doch eh überschätzt ist.

    Letzteres meine ich natürlich nicht ernst, wollte aber eine provokante Aussage hinterlassen, um beim Hochtreiben der Kommentar-Anzahl zu helfen.

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