20 comments

  1. Sebastian

    Ich spare mir heute mal Ironie. Gründe: Immobilien sind in Kyiv sehr teuer. Die Gewinnspanne für den Verkauf von Büchern ist sagenhaft niedrig. Es gibt relativ wenige ukrainische Bücher (im Vergleich zu den russischen). Es gibt keinen vernünftigen Großhandel und deshalb ist der Einkauf sehr aufwendig. Stände auf dem Markt kosten weniger und man hat mehr Laufkundschaft (wenn in der Stadt noch jemand läuft).

  2. cw

    Sebastian, es geht hier auch ohne Ironie. Ich stimme Dir in weiten Teilen zu. Das sind Gründe. Ich beobachte allerdings auch, wie der so genannte Büchermarkt in Odessa aussieht. Dort gibt es kaum (noch) Bücher, und wenn doch, sind es Sachbücher: Sprache, Wirtschaft, Schule usw. Es gibt auf dem Büchermarkt vor allem DVDs der Qualität Kung-Fu und Computerspiele.

    Und mir fällt noch etwas auf: Man sieht relativ wenig Leute, die Bücher lesen. In den Bussen hier oder in der Kiewer Metro – die Leute sitzen und starren. Das kenne ich aus Berlin anders. Zugegeben, das ist nur ein Gefühl, mir fehlen da Beweise. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Ukraine pro Jahr fast 500.000 Menschen verliert.

    Und da Wirtschaftsanalysen sagen, dass dem Land vor allem die Fachleute abhanden kommen, also im weitesten Sinne die Gebildeten, erklärt dies auch den Verlust an Buchhandlungen.

    In Odessa ist es extrem, klar, weil alte Handelsstadt und Metropole der Glücksritter: Die Museen und Bibliotheken sind leer.

    Ich frage mich wirklich, wo die große russische oder slawische Kultur, von der meine Russischlehrerin in der Schule immer geschwärmt hat. Das kann doch nicht nur Propaganda für den Großen Bruder gewesen sein.

  3. hhheimat

    Guten Tag Herr Wesemann.
    Vorweg: Gott sei Dank sind sie halbwegs unbeschadet aus dem 12-Euro-Gemüsetransporter herausgekommen.

    1. Sie schreiben:
    Ich frage mich wirklich, wo die große russische oder slawische Kultur…geblieben ist.
    Kolumnen. Reportagen. Ukraine-Blog – Ich hatte die Hoffnung, dass Sie mit der Zeit einige Antworten auf diese und andere Fragen finden.
    2. Ist das hier ein Wesemann-Blog oder ein Ukraine-Blog?
    3. Gibt es eigentlich auch positive Dinge aus der Ukraine zu berichten; Lichtblicke, Hoffnungsschimmer, Menschen auf guten Wegen?

    Beste Grüße + Gute Besserung.

  4. Sebastian

    @hhheimat Es gibt sehr viele positive Dinge aus der Ukraine zu berichten. Das Land macht es einem aber nicht besonders leicht dabei.
    Was mich immer wieder positiv stimmt, ist eine gewisse Grundhaltung, die ich bei so manchem in Kyiv spüre. “Auch diese Krise werden wir durchstehen. Es gab schon ganz andere.” Dies ist einem Berliner auch nicht unähnlich. Faszinierend ist, zu sehen, wie beweglich (vor allem im Kopf) die Menschen sind, obwohl Ihnen soviele Hindernisse hingeworfen werden.
    Und wenn man durch die Karpaten fährt, lässt einem die Landschaft nicht los. Oder wenn man auf dem flachen land vor endlosen Feldern steht.
    Was uns Ausländer betrifft, so greift nach einer kurzen Phase der Ukrainebesoffenheit ein Zustand tiefen Sarkasmus’ um sich, der auch bei Christoph zu spüren ist. Ich nehme mich da nicht aus. Denn eigentlich mag man es, wenn die vielen kleinen Dinge wie in Deutschland funktionieren. So sagen viele Berichte über osteuropäische Länder immer auch viel über die Herkunft der Berichtenden aus.
    Manchmal habe ich das Gefühl, als ob sich viele ehemalige Soldaten treffen und über ihren Wehrdienst reden. Keiner hat es damals gemocht und doch erzählen sie sich begeistert die katastrophalen Geschichten, weil man sie auch gerne hört.

    @Christoph Mach weiter! Mich erfreuen immer die kleinen Details.

  5. cw

    @hhheimat: Hat Sebastian doch gut erklärt, oder?
    @Sebastian: Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.

    Ich bin nach wie vor fasziniert von diesem Land, aber auch weit davon entfernt, es übermäßig zu loben. (Manchmal kommt es mir so vor, als seien die Deutschen in Odessa die größten ukrainischen Patrioten – sie bringen ihre Kinder dann natürlich trotzdem in Deutschland zur Welt.)

    Mich stört gar nicht so, dass das Wasser mal fehlt oder ich seit gestern Nacht bis eben kein Internet hatte. Das nervt zwar, ist aber Gewohnheitssache.

    Ich nehme Odessa als rücksichtslos wahr; das ist Deutschland anders. Ich empfinde die Gesellschaft als brutal. Es wird immer gerempelt, sofort gebrüllt und gedroht; es fehlt oft das, was wir Anstand nennen. Ich habe es auf der Konferenz in Kiew erlebt. Während meines Vortrags telefonierte der eine Mann auf dem Podium. Jüngst im Theater, während der Vorstellung, telefonierte eine Frau direkt hinter mir zehn Minuten lang. Als ich später fragte, warum sie das getan habe, antwortete sie: “Na, ich wurde doch angerufen.”

    Das meine ich mit rücksichtlos. Man fühlt nicht mit mit Fremden. (Die Familie ist dafür wahrscheinlich intakter als in Deutschland.)

    Und es geht sehr ums Geld. Und jeder hat ja einen guten Grund: Ich werde zu schlecht bezahlt. Allerdings sollte man den Leuten auch mal sagen, dass die Ukraine nach wie vor ein Entwicklungsland ist – und Wohlstandsvergleiche mit den USA oder Deutschland eher unangebracht sind.

    Das ist etwas, das dem Land unheimlich schadet: Es geht nur um den persönlichen Reichtum. Dass der irgendwann zwangsläufig verschwinden muss, wenn die Mehrheit der Bürger außen vorbleibt, ist noch nicht in den Köpfen.

  6. Theobald Tiger

    “Es geht nur um den persönlichen Reichtum”

    Sorry, denkst du etwa dies ist in Deutschland anders ?!

    Natürlich geht es den meisten Menschen in der postmodernen (also in unserer) Gesellschaft hauptsächlich um materielle Dinge.

    In einem Land wie der Ukraine ist der Wettbewerb härter, die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind dort grösser und sichtbarer, vieles was in Deutschland hinter den Fassaden verborgen ist (Reichtum wie Armut) wird dort viel schneller transparent.

    Zu den Buchhandlungen: Ja, es ist schade und traurig dass diese in den letzten Jahren weitgehend verschwunden sind.

    Aber:
    Stell dir vor, ein Ausländer kommt zum erstenmal nach Deutschland und sucht dann hierzulande die “große deutsche Kultur” von der ihm seine Lehrer einst erzählten…der hat es auch nicht gerade leicht diese zu finden.

  7. cw

    @Theobald Tiger: Wo hast Du solange gesteckt?

    Ja, ich glaube, dass es in Deutschland nicht nur um persönlichen Reichtum geht. Überleg mal bitte, wie viele Leute Du kennst, die sich in Vereinen oder irgendwelchen ähnlichen Organisationen engagieren, ohne dass sie davon einen finanziellen Vorteil haben. Und es fällt ja gerade Ukrainern auf, die in Deutschland studieren, wie höflich die Deutschen sind, wie angenehm im direkten Kontakten, wie hilfsbereit.

    @Silvergirl: ????

  8. Silvergirl

    @ cw: Verabredet? Bin schon laenger in einen gewissen Blogger verknallt, aber an den komm ich nicht ran, keine Chance, der ist zu cool fuer mich. Irgendwelche Tipps?

  9. cw

    Wenn’s um Stefan Niggemeier geht, könnte ich vielleicht ein Treffen arrangieren. Ich bin ihm noch etwas schuldig.

    Generell würde ich sagen: Finger weg von den Bloggern. Die meisten sind schlimme Egozentriker, hängen ständig vor dem Computer und warten auf Kommentare, die nicht kommen.

    Wir schweifen gerade ein bisschen ab vom ursprünglichen Thema, scheint mir.

  10. Theobald Tiger

    Sagen wir es so:

    In Deutschland sind die meisten Menschen wohlhabend, zumindest im globalen Vergleich, da kann man sich Engagement leisten, ausserdem ist unsere Gesellschaft nun mal anders organisiert, soziale Kontakte laufen über Vereine oder Organisationen, in der Ukraine mehr über die Familie/Freundschaften/Kollegen..

    Abgesehen davon: Nicht jedes Engagement ist uneigennützig, mir erzählte z.B. mal ein Jura-Student, er engagiere sich bei Amnesty International vor allem deswegen, da sich dies in seinem Lebenslauf bei späteren Bewerbungen dann gut darstellen liesse.

    “es fällt ja gerade Ukrainern auf, die in Deutschland studieren, wie höflich die Deutschen sind, wie angenehm im direkten Kontakten, wie hilfsbereit.”

    Also, sorry, da habe ich nun aber wirklich schon ganz anderes gehört, viele Ukrainer die in Deutschland leben, beklagen vielmehr die deutsche Mentalität, die Deutschen seien primitiv, unhöflich, egozentrisch und neidisch….die Liste liesse sich noch erweitern

  11. Silvergirl

    @ TT: Ich kenne hier in Deutschland recht viele Ukraine, niemand will je wieder in seiner Heimat wohnen und alle warnen vor den zurueckgebliebenen Landsleuten. Wo befindet sich denn die Ukraine – geografisch – die Sie so beschreiben?

  12. Axel

    ‘Tschuldigung, wenn ich mich hier einmische, aber ich habe den Faden jetzt völlig verloren.
    Wer ist jetzt wo netter als anderswo?
    Die Deutschen in der Ukraine oder die Ukrainer in Deutschland oder die Deutschen in Deutschland oder die Ukrainier in der Ukraine?

    Ging es ursprünglich nicht mal um Buchläden?
    Also ich finde die Verkäuferinnen in Elektronikmärkten netter als die in Buchläden!

  13. cw

    Du musst zwischen den Zeilen lesen, lieber Axel.
    1. Am nettesten sind Bulgaren in Spanien. Tatsache!
    2. Es ging nie um Buchläden. Wie kommst Du bloß darauf? Achso…äh…nee, es ging nie um Buchläden.
    3. Über Verkäuferinnen in ukrainischen Elektronikmärkten könnte ich Dir Sachen erzählen…

  14. Theobald Tiger

    @Silvergirl: Die Ukrainer und Ukrainerinnen die ich in Deutschland kennengelernt habe, möchten auch nicht unbedingt wieder in ihre Heimat zurück.

    Trotzdem (vielleicht ja auch gerade deswegen) beklagen sie sich oft und gerne über Deutschland und über die Deutschen.

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