Androhung
ODESSA, UKRAINE Ich bin mal wieder im Zoo gewesen, um zu schauen, ob seit meinem Besuch im September etwas geschehen ist. Ja, es ist etwas geschehen: Die Musik dröhnt jetzt noch lauter. Unter anderem werden die Zellen Gehege mit Lou Begas “Mambo No. 5″ beschallt. Sollte mir der TiergefängnisZoodirektor Jurij Kutscherenko einmal persönlich begegnen, könnte es sein, dass ich ihm gepflegt in die Weichteile trete sehr deutlich zu verstehen gebe, wie ich über ihn denke.
Nein, ich bin kein aggressiver Tierschützer. Ich finde nur einen Kerl zum Kotzen, der Tiere so einsperrt und misshandelt, der zulässt, dass Kinder begleitet werden von saufenden Eltern, und nichts gegen Müll in seinem Park hat. Übrigens werden die Zoobesucher aufgefordert, die Tiere nicht zu erschrecken und nicht zu necken.
Falls Sie nicht mehr wissen, was Lou Bega den Ohren antut, bitte sehr:
Im “Picknick auf dem Eis” löst der Kiewer Zoo seine Probleme indem er Besuchern gegen Bezahlung Tiere zur Verfügung stellt. So kommen die Tiere mal “raus” und der Zoo kann im Gegenzug die dort gebliebenen Tiere besser versorgen.
Apropos “Picknick auf dem Eis”, – gibt es in Odessa, im Zoo, Pinguine?
Nein, Pinguine gibt es nicht in Odessas Zoo. Mit Eis und Wasser haben die es dort nicht so. Keine Eisbären. Keine Delfine. Keine Robben. Keine Flamingos. Aber ziemlich viele Esel.
“Picknick auf dem Eis” ist ein tolles Buch. Andrej Kurkow ist der größte Schriftsteller der Ukraine. Uups, ob diese These vielleicht ein bisschen zu steil ist?
Einer der Größten
Willst Du mit mir streiten, Iris? Zweifelst Du an meiner literatur
papstpatriarchlichen Kompetenz?Na ja, – die Idee mit dem Pinguin war gut. Aber von den letzten Büchern gibt es keines, welches ich bis zum Ende las. Kurkow ist mit der Pinguin-Idee bekannt geworden, inzwischen schreibt er wie eine Schreibmaschine. Und seine Effekthascherei nervt. Mich zumindest.
Was mich aber nicht daran hindert, die Tierparkszene lustig zu finden. Und für Odessa kann ich mir bei den Schlangen ein Miet-Mich-Schild eher vorstellen, als in Kiew. Die Leute haben bei Euch da unten doch deutlich mehr Humor.
Andererseits ist Kiew von Hause aus eine Schlangengrube. Die bräuchten keinen Zoo.
Apropos Esel und Zoo. Kennst Du “Nimmerklug in Sonnenstadt”? Von Nossow? Das wäre doch was zum Vorlesen und zum Drüberreden! Deinem Sohn wird es gefallen und so kriegt er auch ein anderes Bezugssystem zum Zoo. Und zu Eseln.
Magst Du “Die letzte Liebe” des Präsidenten etwa nicht? Kurkow ist, glaube ich, eine gute Einstiegslektüre für Ukraine-Neulinge. Ich verteidige ihn doch, äh, weil mir Effekthascherei auch nicht ganz fremd ist.
Das Buch von Nossow kenne ich nicht, werde es mir aber bestellen. Danke für den Tipp.
Ich habe bisher alle seine Bücher gelesen und auch bis zu Ende Mit der Effekthascherei, das hält sich bei Kurkow noch in Grenzen, finde ich. Und jeder Schriftsteller hat nunmal seine Art zu schreiben und wenn man diese Art nicht mag, muß man ihn ja nicht lesen oder nicht zu Ende. Mir hat “Petrowitsch” noch sehr gut gefallen. Was “Die letzte Liebe des Präsidenten” angeht, kann es sein, dass du ihm deshalb zum Geburtstag gratuliert hast?
Iris, da ist was dran. Ich habe hin und wieder ein bisschen Mitleid mit Juschtschenko. Wenn die engsten Berater selbst Ganoven sind, wie Kurkow das beschreibt, dann hat ein Präsident natürlich keine Chance. Und Kurkow erzählt ja auch, wie der Präsident bisweilen einfach Gesetze unterschreibt, die er gar nicht kennt; er muss sich auf seine Berater verlassen – nur arbeiten die für sich selbst und nicht zum Wohle des Landes.
Wobei: Vielleicht ist Juschtschenko auch selber schuld, dass er schlecht beraten wird. Vielleicht hat er auch nur Ja-Sager um sich herum.
Er ist selbst schuld an seiner Lage, denn er hat alle Chancen der Welt sich überall zu informieren und sich dann ein Urteil zu bilden. Und er wird nicht gezwungen, irgendwas zu unterschreiben, was er nicht kennt. Er verfolgt seine Interessen – nicht mehr und nicht weniger.
Also: Es geht um den Tierpark und um eine Kurkow-Sequenz. Es scheint mir das normalste der Welt, wenn nicht alle Leute seine Bücher mögen.
Das andere Buch ist “Nimmerklug in Sonnenstadt” von Nossow, einem Kiewer Schriftsteller. Es ist ein bedeutendes Kinderbuch. Geschrieben wurde es meines Wissens in den Sechzigern. Hierin verwandelte Nimmerklug mit seinem Zauberstab die Esel des Tierparkes in Knirpse, weil er zuvor – aus einer Emotion heraus – versehentlich einen Knirps in einen Esel verwandelt hatte. Die in Menschen verwandelten Esel – was für ein Gleichnis in einem Kinderbuch! – bringen schließlich das Sonnenstädter Staatswesen durcheinander. Viel Material für Fantasie.
Ist eigentlich das Gegenteil von “Nimmerklug” “Immerklug” oder “Immerdumm”?
Immerklug gibt es auch. Wie auch Pünktchen (das ist so eine Art Hermine)und Buntfleck (das ist der Knirps, der sich nicht gern wäscht und dessen Lebensmaxime es ist, sich nie über irgendwas zu wundern).
Ihr seid wohl alle noch zu jung oder was ist hier los? Als ich im Erstlesealter war, kannten alle Kinder dieses Buch.
Nimmerklug ist ja eine Übersetzung aus dem Russischen (von Незнайка ). Ob gelungen oder nicht – “Unwissender” klingt Sch…
Im Russischen gibts übrigens noch ein Buch “Незнайка на Луне” (“Nimmerklug auf dem Mond”). Sie sind also überall, die Nimmerklugen
@alle: Ähm, ging es hier nicht mal um die Dunkelkammern der Zootiere?
@Andreas S: “Alter und Schönheit sind kein Verdienst”, sagt mein Oma oft.
@Axel: Bitte! *räusper* Das ist hier eine Fachdiskussion.
@Iris: Gelungen, finde ich.
@cw
*zurückräusper*
Eben weil es ursprünglich um die Dunkelkammern der Zootiere ging, fragte ich nach “Immerklug” – Du verstehst?
Es ging vor allem um Esel im Zoo. Und ich wies lediglich darauf hin, dass derjenige, der “Nimmerklug in Sonnenstadt” kennt, diese Esel durchaus für verwunschene Knirpse halten könnte. Was im Übrigen ein Grund mehr wäre, “was” dagegen zu unternehmen.
Jetzt fehlt noch Iris.
Iiiiiiiiiiiiriiiiiiiiis?
@cw
Danke
Da ist sie schon.
Zeltet Ihr hier im Kommentarbereich?
Nö, schau nur ab und an mal rein, lol
Ich stehe gerade vor dem Zelt und trinke einen Becherovka – den brauch’ ich jetzt!
@Axel: Zum Wohl!
@Andreas: Kenne “Nimmerklug” aus meiner Kindheit, es gibt hier also doch auch erwachsene Menschen von diesseits der Elbe (wo ist denn bitte jetzt diesseits? Na da wo man Nossow lesen konnte!).
Zum Zoo und den darin befindlichen Individuen will mir einfach nichts lustiges einfallen. Die Beziehung Mensch-Tier ist in der Ukraine mehrheitlich komplett nutzorientiert und unreflektiert.
es gibt sehr wohl flamingos, hab sie vorgestern in einer nach müllkippe aussehenden jämmerlichen pfütze vor einer spiegelwand stehen sehen (damit man sich mit einem blick doppelt über diese verbrecherischen zustände ärgern kann). gruß aus O – und danke für die netten texte!