ODESSA/NERUBAISKOJE, UKRAINE Ich hatte kurz überlegt, ob ich in den Untergrund gehe und ein neues Leben beginne: als Katakombenkolumnist, der hin und wieder einen der Eindringlinge mit Touristenmarschgepäck überfällt, um Nahrung, Geld, Ausweise und natürlich Anekdotenstoff zu erbeuten. Es ist ja alles da: Werkstatt, Küche, Brunnen, Spiegel, Betten und andere Schlafplätze. Es gibt jedoch in Odessas Katakomben leider kein W-Lan. Ich hätte meine Texte also in den Muschelkalk kratzen müssen – ohne zu wissen, ob irgendwer kommentieren würde. Überdies wollte mich niemand aus meiner Besuchergruppe in die Illegalität begleiten – ich nehme das natürlich nicht persönlich.
Odessas Katakomben sind mehr als 2000 Kilometer lang und – über drei Ebenen – mehr als 70 Meter tief. Das Labyrinth aus Gängen, Tunneln und Höhlen, eines der größten der Welt, ist im Zuge der Stadtgründung Odessas vor 215 Jahren entstanden. Da in der südukrainischen Steppe ohne Wälder und Berge weder Holz noch Stein zu finden waren, griff man zum Muschelkalk unter der Erde, der beim Zurückweichen des Meeres übriggeblieben war.
Hernach boten die Katakomben immer wieder allerhand mehr oder weniger zwielichtigen Gestalten Unterschlupf: Gaunern, Piraten, Freimaurern und Revolutionären. Im Zweiten Weltkrieg verbargen sich dort die Partisanen, um gegen die rumänischen und deutschen Besatzer zu kämpfen. In dem Abschnitt, der für die Öffentlichkeit als “Partisanenmuseum” zugänglich ist, waren es 35 Widerständler, darunter acht Frauen. Auch Paare, getarnte und echte, lebten in diesem Versteck. Das jüngste Mitglied war zwölf Jahre alt. Die meisten dieser Partisanen starben – nach mutmaßlich heldenhaftem Kampf – hinter den Mauern der Gestapo.
Doch was hatten sie bis dahin getan? Hatten sie Anschläge auf Stützpunkte der Besatzer verübt? Wie sah der Widerstand konkret aus? Was machten die Partisanen in den anderen Teilen der riesigen Katakomben? Das Museum – vor 40 Jahren erschaffen von Leuten, die Museen hassen müssen – beantwortet solche Fragen nicht. Der Besucher kann das Partisanenleben kaum nachempfinden, weil nichts mehr ist, wie es war. Odessas Katakomben sind unzugänglich für Museumspädagogik: Pfannen, Töpfe, Lampen, Telefone, Funkgeräte, Bademantel, Lötkolben und Betten stehen und hängen offenkundig seit vier Jahrzehnten unverändert und unerklärt herum. Dies als Ursprünglichkeit und Authentizität zu deuten fällt schwer, wenn selbst in der Werkstatt frischer Sonnenhut steht und nahezu alles nachträglich angelegt worden ist. Wo 1941 oder 1942 nur Finsternis war, leuchten heute Glühbirnen den Weg, und die Hauptgänge sind touristenfreundlich – doppelt so hoch wie einst. Aber das steht – wie so vieles andere – nirgends, das erzählt nur die Führerin, die freilich auch nicht alles weiß:
“Wie viele Partisanen versteckten sich denn insgesamt in den Katakomben?”
“Das weiß man nicht.”
“Ungefähr?”
“Wie gesagt: Das weiß man nicht.”
“Wie viele Leute besuchen die Katakomben jedes Jahr?”
“Da gibt es keine Zahlen.”
“Ungefähr?”
“Tut mir leid.”
(Ich formuliere es so freundlich wie möglich: Mir scheint, dass es größere Publikumsmagneten gibt und man nicht unbedingt ein Statistikbüro brauchte, um die Besucher der Katakomben zu zählen.)
Viele Wege und auch die Brunnen sind mittlerweile verschlossen, weil sich in der Vergangenheit immer wieder Besucher und zuvor auch der eine oder andere Museumsplaner verirrt haben. Wer seine Gruppe verloren habe, erzählte die Führerin, werde kaum mehr herausfinden aus dieser konstant acht Grad kalten Unterwelt. Das Abenteuer beginnt freilich schon über der Erde. Im vergangenen Sommer hatte ich zweimal versucht, die Katakomben zu besichtigen. Doch beide Male stand der Bus auch zwei Stunden nach der geplanten Abfahrtszeit vor dem Bahnhof, ohne dass sich der Fahrer entschuldigt hätte. Beschwerden gab es allerdings auch nicht. Diesmal fuhr ich mit dem eigenen Auto und einer vorher gebuchten Reiseführerin. Es gibt auf dem Weg ins Dorf Nerubaiskoje keine Schilder, die auf diese Sehenswürdigkeit hinweisen. Eine solche Verschwiegenheit kenne ich sonst nur aus dem oberösterreichischen Ohlsdorf, wo das Haus des Schriftstellers Thomas Bernhard steht. Aber dort ist die Weigerung, Besuchern bei der Anreise zu helfen, natürlich eine posthume Rache an dem genialen Österreichbeschimpfer.
Am Ende der ein Kilometer langen Wanderung entschuldigte sich die Reiseführerin für die brutalen antideutschen Propaganda-Plakate am Ausgang des Museums. “Heute ist eine andere Zeit, wir denken nicht mehr so”, sagte sie. “Die Deutschen sind mit ihrer Vergangenheit viel weiter als die Russen und wir.”
Ich werde bis Dienstagmittag auf der Krim sein. Bitte werfen Sie ruhig ein paar Scheine in den Kommentarbereich – denn bei den Preisen auf der Halbinsel werde ich voraussichtlich pleite zurückkommen. Falls Sie Sehnsucht nach mir haben und mich in Jalta besuchen wollen, finden Sie mich hier. Ich empfehle, mit dem Nachtzug nach Simferopol zu fahren und von dort auf der längsten Trolleybusstrecke der Welt weiter zu düsen. Für die 86 Kilometer bis Jalta brauchen diese Uraltbusse angeblich kaum mehr als zweieinhalb Stunden.
Zur Sicherheit wird mein Freund Axel alle Kommentare von Leuten freischalten, die hier zum ersten Mal vorbeischauen. (Er wird sich also nicht überarbeiten.) Bis zu meiner Rückkehr können Sie vielleicht raten, aus welchem Land der Besitzer dieses schönen Flitzers kommt. Ich habe mir sagen lassen, er sei vor zwei Jahren schon einmal in Odessa gewesen.
Ich weiß nicht, ob irgendjemand die Überschrift kapiert. Die Blumen an der Motorhaube sind übrigens aus Plastik.
Und wenn Sie jetzt auch Lust aufs Heiraten haben, lesen Sie doch bitte ein bisschen in diesem Forum (Achtung: Männer-Link!), wie Sie ohne Traumfigur eine Prinzessin finden. Danke für den Hinweis, Nataliya!
ODESSA, UKRAINE Heute vor einem Jahr, sechs Tage nach meinem Umzug in die Ukraine, hatte ich mir diesen schönen Schrank aus reinstem Plastik gekauft. Das Stück vom Markt in der Nähe des Hauptpostamtes kostete unverschämte 120 Griwna, nach damaligem Kurs 17 Euro. Heute wäre es weniger als zwölf Euro wert. Der Schrank stand zunächst im Bad. Nachdem mich der Vermieter wegen meines lädierten Autos und der Polizisten am Küchentisch hinausgeworfen hatte, überwinterte und verwahrloste er auf dem Balkon der neuen Wohnung, befüllt mit Schuhputzzeug und ominösen Schläuchen der Waschmaschine. Mit den Krücken, die mir nach meinem Marschrutka-Unfall auf dem Weg nach Kiew die ersten Schritte zurück ins Leben ermöglicht hatten, habe ich sie vorhin zum Müll gebracht. Krücken und Schrank standen dort allerdings nur zehn Minuten. Ich wünsche dem neuen Besitzer Hals- und Beinbruch alles Gute.
Lassen Sie sich von dieser so genannten Meldung nicht verrückt machen. Die Fußball-Europameisterschaft 2012 findet definitiv in Polen und der Ukraine statt. Natürlich, es fehlen in der einstigen Sowjetrepublik Stadien, Hotels, ein halbwegs modernes Verkehrssystem, Rechtssicherheit. Vorhanden, und zwar im Überfluss, sind Chaos und Korruption.
Regierungschefin Julia Timoschenko hat versprochen, man würde trotz der wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise „selbst Unmögliches schaffen”, aber jeder Ukrainer weiß: Trau niemals einem Politiker, ob du ihn gewählt hast oder nicht. Besser hofft man zwischen Kiew, Donezk und Odessa auf Michael Platini. Seit seiner etwas dubiosen Wahl zum Präsidenten des europäischen Fußballverbandes (Uefa) 2007 muss sich der Franzose dem Osten und besonders der Ukraine verbunden fühlen.
Im Formtief steckt übrigens auch die deutsche Mannschaft. Zwischen Michael Ballack und Bundestrainer Joachim Löw kriselt es. Werden sich die beiden vertragen? Gewinnt Ballack seinen ersten großen Titel? Und gelingt Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, Kosename Loddar, endlich der Durchbruch als Fußballlehrer?
Interne Papiere aus Platinis Büro und Dokumente des ukrainischen Geheimdienstes, die diesem Blog zugespielt worden sind, verraten, was in den nächsten 1122 Tagen bis zum Anpfiff des Eröffnungsspiels am 9. Juni 2012 geschehen wird. Der Turnierverlauf ist längst beschlossen.
2009
10. Oktober
Moskau + Deutschland spielt gegen Russland in der WM-Qualifikation. Kapitän Ballack wird zur Halbzeit ausgewechselt, weil er friert. Für ihn kommt Toni Kroos. Torsten Frings, Europas begnadetster Ballquerschieber, wurde erst gar nicht nominiert. Mit einem 1:1 qualifiziert sich die Elf von Joachim Löw für Südafrika.
15. Oktober
Straßburg + DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger leidet noch immer unter dem „unglaublichen Demagogen”, als den ihn der Journalist Jens Weinreich im Sommer 2008 bezeichnet hatte. Zwanziger würde gern vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Auf Rat des DFB-Mediendirektors Harald Stenger kauft er aber die Domain www.doktorspiele.de und gründet ein Blog.
1. Dezember
London/Frankfurt/Bremen + Ballack verkündet per SMS seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Löw und sein Co-Trainer Hans-Dieter Flick wollen ihn zum Weitermachen überreden und schlafen im Auto vor Ballacks Londoner Haus. Sie essen selbst geschmierte Brote und trinken Tee aus der Thermoskanne. Einmal pro Stunde muss Flick zum Klingeln hinaus in die Kälte, er hat den Weg mit Hütchen abgesteckt. Am dritten Tag ruft Ballack die Polizei. Die Trainer werden wegen Wegelagerei und Nötigung festgenommen.
Werder Bremens Edeljoker Torsten Frings ist auch zurückgetreten.
4. Dezember
Kiew + Uefa-Präsident Michel Platini besucht die Hauptstadt. „Wie weit sind die Pläne für die Fanmeile?”, fragt der Franzose. Präsident Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko verweist auf Julia Timoschenko. Platini, der achtmächtigste Sportfürst der Welt, ruft die Regierungschefin an. „Michel François, Sie sprechen noch mit dieser Pfeife?”, fragt sie und verspricht: „Ich kümmere mich darum.” Platini fährt erleichtert nach Odessa, wo die schönsten Frauen der Ukraine leben.
14. Dezember
Kiew + Wer gewinnt die Präsidentschaftswahl in der Ukraine? Juschtschenko, seit 2005 im Amt, tritt abermals an, obwohl er in Umfragen weit hinter Timoschenko liegt. Die zwei Helden der Orangen Revolution sind inzwischen schlimmer verfeindet als die Torhüter Uli Stein und Toni Schumacher 1986.
„Sicher gibt es Probleme, aber wir schaffen das”, sagt Timoschenko im Fernsehduell (Einschaltquote 1,5 Prozent).
„Wir schaffen das, aber sicher gibt es Probleme”, sagt Juschtschenko.
„Glauben Sie dem Präsidenten kein Wort.”
Juschtschenkos Berater haben vorab großflächig die Journalisten geschmiert. Die Medien erklären ihn zum Sieger.
2010
17. Januar
Kiew + Juschtschenko erreicht 0,9 Prozent.
3. Februar
Köln + Ballack und Frings besuchen gemeinsam den Trainerlehrgang.
9. März
Kiew + Die neue Präsidentin Timoschenko erklärt die EM zur „Chefsache”.
19. März
Kiew + Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko zieht mit seiner amerikanischen Frau Kateryna nach Texas. Er steigt ins Ölgeschäft ein und ändert seinen Namen. Er heißt jetzt Wik A. Jusch.
6. April
Kiew + Lothar Matthäus (49) kündigt bei Kirgisistans Rekordmeister FK Dordoi-Dynamo und unterschreibt einen Vertrag als Coach der Ukraine. Auf seiner ersten Pressekonferenz sagt er, er verbinde mit seinem Amt auch eine politische Mission. Der Rest geht im lauten Gelächter der Journalisten unter.
12. April
Frankfurt + Dr. Theo Zwanziger veröffentlicht seinen ersten, von fünf DFB-Juristen gegengelesenen Blogeintrag und erzählt von einer Radtour in der Eifel.
2. Mai
Austin + Wik A. Jusch kandidiert für den Gouverneursposten von Texas. Er verspricht, den Super Bowl nach Dallas zu holen.
12. Mai
Kiew + Timoschenko erklärt die EM zur „absoluten Chefsache”.
19. Mai
Kiew + Lothar Matthäus hat eine neue Freundin: Larissa (17). „Ich habe schon als Mädchen für ihn geschwärmt”, sagt die Kiewerin „Bild”. Matthäus sagt: „Ich habe die Frau fürs Leben gefunden.”
22. Mai
Austin + Wik A. Jusch wird – gegen die Stimmen der ukrainischen Minderheit – Gouverneur von Texas.
29. Mai
Kiew + Matthäus zieht aus dem Premier Palace Hotel (250 Dollar die Nacht) aus und wohnt künftig bei der Familie seiner Freundin in einem Hochhausblock am Stadtrand. Das Zimmer teilt er sich mit Larissas Brüdern Kolja (5), Dimitrij (8) und Wladimir (12).
9. Juni
Przemysl + Am Grenzübergang stellen Polen und die Ukraine ihr gemeinsames EM-Maskottchen vor. Es heißt Poline. Europas Zoologen rätseln.
12. Juli
Johannesburg/Gelsenkirchen + Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM tritt Bundestrainer Löw zurück. Peter Neururer, seit einem Jahr ohne Verein, bewirbt sich als erster um die Nachfolge.
12. Juli
Frankfurt + Peter Neururer wird laut DFB nicht neuer Bundestrainer.
28. August
Kiew + Julia Timoschenko erklärt das Turnier zur „nationalen Angelegenheit”. „Frage nicht, was die EM für dich tun kann, frage, was du für die EM tun kannst”, sagt sie in einem Interview und kündigt Subventionen für Investoren an.
15. November
Kiew + Die Ukraine löst ein Teil ihres Infrastrukturproblems: Für 40 Milliarden Euro wird von Deutschland der Transrapid gekauft. In der Rekordzeit von zwei Monaten soll er die Spielorte Kiew, Lemberg, Dnepropetrowsk und Donezk verbinden. Ukrainische Ingenieure garantieren dies der Präsidentin mit einem Eid.
Dezember 2010
Kiew + Laut Plan soll der 230 Millionen teure Umbau des Olympiastadions in diesem Monat abgeschlossen werden. In Wahrheit hat er noch gar nicht begonnen.
2011
2. Januar
Kiew/Moskau + Ein neuer Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ist pünktlich zum neuen Jahr ausgebrochen. Timoschenko bietet Wladimir Putin die EM an, wenn er alle Gasschulden streicht.
4. Januar
Kiew + Politisches Chaos. Die Polizisten streiken aus Protest gegen Timoschenkos Angebot. „Wir freuen uns so auf die EM-Touristen”, sagt ein Sprecher. „Viele Kollege haben sich angesichts der zu erwartenden Einnahmen ein Haus gebaut. Da stehen Existenzen auf dem Spiel.”
5. Januar
Kiew + Auch der Verband der ukrainischen Hütchenspieler, Wahrsager, Taschendiebe, Geldfälscher, Räuber und Bordellbetreiber (VUHWTGRUB) droht mit Konsequenzen.
6. Januar
Austin + Wik A. Jusch trägt einen Cowboyhut, als er im Garten seines Amtssitzes in Austin, Texas, Timoschenko kritisiert: „Ich habe keine Zweifel mehr: Sie ist eine Agentin Moskaus.”
9. Januar
Moskau + Putin lehnt Timoschenkos Angebot ab und schlägt vor, dass die Olympischen Spiele 2014 statt in Sotschi auf der Halbinsel Krim stattfinden. Russland würde der Ukraine auch Schnee unter Weltmarktpreis liefern.
15. Februar
Kiew + Der Transrapid soll in den nächsten Tagen seine Jungfernfahrt haben.
2. März
Berlin + Die deutsche Nationalmannschaft spielt wunderschönen Fußball. Toni Kroos und Mesut Özil sind das neue Traumpaar im Mittelfeld. Der begnadigte Kevin Kuranyi trifft in der EM-Qualifikation, wie er will, er genießt das neue Spielsystem: 2-4-4. Offensivtrainer ist der 44- bis 50-jährige Ghanaer Anthony Yeboah.
21. März
Kiew + Lothar Matthäus feiert seinen 50. Geburtstag im Kreise seiner neuen Familie. Die Schwiegereltern Jurij (38) und Tamara (35) schenken ihm einen Fernseher vom Flohmarkt fürs Kinderzimmer. Auch drei Redakteure und ein Fotograf von „Bild” sind dabei.
15. April
Kiew + Die Transrapidstrecke ist fast fertig.
9. Juni
Kiew + Der Umbau des Olympiastadions, dem Austragungsort des Finales, macht auch ein Jahr vor der EM keine Fortschritte. Die Uefa wartet auf den Spatenstich. Polen zieht aus Protest seinen Botschafter ab.
22. Juni
Johannes B. Kerner kehrt von Sat 1 zurück zum ZDF. Er arbeitet jetzt nur noch drei Tage pro Woche: Montags, mittwochs und freitags moderiert er das Morgen-, Mittags-, Abend- und Nachtmagazin.
10. Juli
Donezk/Dnepropetrowsk + Noch immer gibt es zu wenige Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem in Donezk und Dnepropetrowsk, die kaum von Touristen besucht werden, fehlen Hotels. Der deutsche Unternehmer Jürgen B. A. U. Löwe lässt in beiden Städten straßenweise verfallene Häuser restaurieren. Das Geld leiht er sich von ukrainischen Banken.
15. August
Kiew/Leipzig + Die Bagger kommen endlich ins Olympiastadion. Es wird abgerissen. Leipzig schenkt Kiew, seit 1961 Partnerstadt, sein Zentralstadion. Die Leipziger bemerken das Fehlen erst nach drei Wochen. Als nachträgliche Ablösesumme wechselt der ukrainische Stürmerstar Andrej Schewtschenko (35) vom AC Mailand zum Regionalligisten FC Sachsen Leipzig und verspricht den Aufstieg. Der FC Sachsen – Zuschauerschnitt: 3011 – spielt wieder im Alfred-Kunze-Sportpark im Stadtteil Leutzsch gegen Altona 93, FC Oberneuland, VFC Plauen und Hansa Rostock I.
2. September
Kiew/Frankfurt (Oder) + Matthäus engagiert Witalij Klitschko als Dolmetscher und Spezialtrainer für den Angriff. Klitschko empfiehlt Henry Maske (47), Faustkämpfer im Ruhestand, für die Abwehr, doch der lässt ausrichten, er bereite sich auf sein Comeback vor. „Ich werde gegen Dariusz Michalszewski kämpfen. Es bleibt aber bei diesem einen Kampf.”
19. September
Kiew/Berlin + Lothar Matthäus gründet die Lothar-Matthäus-Ukraine-Stiftung. „Der Westen braucht uns”, ist das Motto. Matthäus wird von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Kanzleramt empfangen. Nachher berichtet der Rekordnationalspieler: „Ein Lothar Matthäus hat immer offen seine Meinung gesagt, auch wenn es unbequem war. Der Bundeskanzler versteht mich, er ist ja auch Franke.”
30. September
Odessa + Platini wird zum dritten Mal Vater. Taufpate der kleinen Svetlana ist Matthäus.
2. Oktober
Hamburg + In der Bundesliga ist der Rekord von Gerd Müller – 40 Tore in einer Saison – in Gefahr. Sandro Wagner (HSV) erzielt am 12. Spieltag seinen 16. Treffer.
9. Oktober
Dnepropetrowsk + Platini eröffnet einen Zeltplatz mit Blick auf den Dnepr für 15000 EM-Besucher. Vor Freude weiht er gleich noch eines der drei blauen Dixie-Klos ein und sagt danach: „Hier kann man es aushalten.”
13. November
Kiew + Lothar Matthäus tritt zum russisch-orthodoxen Glauben über.
24. Dezember
Hamburg + Sandro Wagner, Jäger des Müller-Rekords, stolpert über eine heruntergefallene Weihnachtsbaumkugel und fällt bis zum Ende der Rückrunde aus.
2012
4. Januar
Köln + Ballack und Frings bestehen die Trainerprüfung.
12. Februar
Nyon + Um die ukrainischen Innenstädte zu entlasten, will die Uefa Fanmeilen im Grünen und ringt tagelang um ein Konzept. Nach einer Nachtsitzung verkündet Platini schließlich: „Dnepr, Desna und Dnister – wir machen Fanflüsse.”
9. März
Kiew + Lothar Matthäus gerät mehr und mehr in die Kritik. Seine Mannschaft hat die vergangenen drei Freundschaftsspiele verloren: 1:2 gegen Italien, 1:3 in der Schweiz und 1:4 in Turkmenistan.
12. März
Kiew/Krim + Larissa feiert ihren 18. Geburtstag und heiratet Lothar Matthäus. Trauzeugen sind Franz Beckenbauer und ein gewisser Rinat Achmetow, Oligarch, reichster Mann der Ukraine, Präsident des Fußballklubs Schachtjor Donezk, zigfacher Milliardär und Ex-Straßenkämpfer.
„Trainer, brauchst du was?”, fragt Achmetow nach der Trauung.
„Ein Farbfernseher wäre nicht schlecht.”
„Hab gehört, lebst im Kinderzimmer, spricht sich rum, so was.”
„Wie kommen Sie überhaupt auf die Hochzeit?”, fragt Matthäus.
„Das könnte ich dich auch fragen”, sagt Achmetow. „Sagen wir einfach, ohne mich geht nichts in diesem Land, okay?”
„Okay.”
„Schon das mit Platini gehört, Trainer? Ist doch verdammt gut gelaufen für uns.”
13. März
Berlin + „Bild” zitiert Jurij und Tamara mit den Worten: „Er ist unser Traumschwiegersohn.” Die „taz” bringt Lothar und Larissa Matthäus auf der ersten Seite. Larissa trägt ein weißes Hochzeitskleid und sitzt im Kinderwagen mit einem Schnuller im Mund. „Lothar liebt Lolita”, lautet die Schlagzeile. Seine Flitterwochen verbringt das Paar auf der Halbinsel Krim.
14. März
Hamburg + „Der Spiegel” findet in Ghana Dokumente, die belegen, dass Antony Yeboah schon 68 Jahre alt ist.
16. März
Kiew + Der Manager von Dynamo Kiew ist außer sich vor Wut. Auch die Sportjournalisten kritisieren, dass der Nationaltrainer drei Monate vor Beginn des Turniers verschwindet. Matthäus verteidigt sich: „Witalij schaut sich alle Spiele an. Er weiß, wer in Form ist.”
29. März
Frankfurt + Johannes B. Kerner löst Harald Stenger als DFB-Mediendirektor ab, bleibt aber Morgen-, Mittags-, Abend- und Nachtmagazin-Moderator des ZDF.
15. April
Kiew + Lothar Matthäus nominiert den endgültigen Kader. Er verzichtet auf Spieler aus dem Osten der Ukraine, von Schachtjor Donezk und Metallist Charkow. Stattdessen beruft er fünf Neulinge vom Absteiger FK Lemberg. „Ossis bringen’s einfach nicht”, sagt er.
16. April
Kiew + Matthäus telefoniert mit Achmetow.
16. April + Hiobsbotschaft für Matthäus: Die fünf nominierten Lemberger Spieler haben sich verletzt und fallen für das Turnier aus. Fünf Akteure von Schachtjor werden nachnominiert.
30. April
Kiew + Nur die Hälfte der Eintrittskarten für die EM-Spiele in der Ukraine ist verkauft. Wer Karten bestellen will, muss eine Schwimmstufe – mindestens Seepferdchen – nachweisen. Platini verteidigt trotzdem das Konzept der Fanflüsse.
15. Mai
Leipzig + Der FC Sachsen steigt wegen des schlechteren Torverhältnisses von 97:197 in die fünfte Liga ab. Schewtschenko gewinnt mit 97 Treffern die Torjägerkanone und verlängert seinen Vertrag trotz diverser Angebote – unter anderem vom FC Oberneuland, von Altona 93, dem VFC Plauen und Hansa Rostock I. „Ich fühle mich in Leutzsch sehr wohl”, sagt er.
19. Mai
Malente + Die ukrainische Nationalelf bezieht ihr Trainingslager. Matthäus beschwört den „Geist von Malente” und verspricht den Titel.
9. Juni
Warschau + Polen trennt sich im Eröffnungsspiel 1:1 von Deutschland. Den Ausgleich erzielt Miroslav Klose nach einer Flanke von Hannovers Sportdirektor Michael Tarnat (42), der für den verletzten David Odonkor (SpVgg Greuther Fürth) nachnominiert worden ist.
18. Juni
Kiew + Deutschland hat die Vorrunde als Gruppenerster gemeistert und zieht von Warschau nach Kiew um. Das Hotel ist allerdings geschlossen – offiziell wegen Einsturzgefahr. Alternativen gibt es nicht, alle Hotels sind ausgebucht. Die Spieler werden bei Gastfamilien einquartiert.
1. Juli
Kiew +
21.20 Uhr
Das Finale im fast ausverkauften früheren Leipziger Zentralstadion wird mit 20 Minuten Verspätung angepfiffen, weil beide Teams im Stau gesteckt haben. Bundestrainer Ballack, der endlich seinen ersten großen Titel gewinnen will, schickt folgende Mannschaft aufs Feld: René Adler – Per Mertesacker, Arne Friedrich – Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil, Toni Kroos, Philipp Lahm – Mario Gomez, Miroslav Klose, Kevin Kuranyi, Sandro Wagner. Die Ukrainer spielen mit Bondar-, Kilisch-, Degtjar-, Rusch-, Poldar-, Leon-, Tomtsch-, Pandar-, Waslitsch-, Gusjan- und Schewtschenko.
21.55 Uhr
Kroos, Weltfußballer von 2010 und 2011, schießt schon den dritten Freistoß an die Latte.
22.05 Uhr
Halbzeit. Matthäus ist unzufrieden mit seiner Abwehr und gerät mit Klitschko aneinander, der dank längerer Reichweite zwei klare Treffer landet.
Beim Stand von 0:0 nach 80 Minuten wechselt Matthäus aus. Er nimmt den erschöpften Andrej Schewtschenko (FC Sachsen Leipzig) vom Platz und bringt sich selbst. Die deutsche Bank protestiert. Matthäus aber beruft sich auf eine Regeländerung der Uefa, den so genannten Platini-Paragrafen. Danach kann ein Deutscher nach zweimaliger Heirat mit einer Ukrainerin für die ukrainische Nationalmannschaft spielen.
Fünf Minuten vor Schluss, nach einem Handspiel von Mertesacker, zeigt der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt. Es ist schon der sechste Strafstoß für die Ukraine in diesem Turnier. Matthäus läuft an, täuscht Adler und trifft. Die Ukraine ist zum ersten Mal Europameister. Ballack und sein Co-Trainer Frings liegen sich in den Armen und weinen.
12. Juli
Kiew + Lothar Matthäus bekommt per Präsidentenerlass einen Platz auf dem Denkmal der Trainerlegende Walerij Lobanowski vor dem Stadion von Dynamo Kiew. In spätestens zwei Wochen soll der vergoldete Matthäus fertig sein. Ukrainische Denkmalexperten garantieren dies.
14. Juli
Kiew + Jürgen B. A. U. Löwe wird festgenommen. Es handelt um sich Jürgen Schneider. Er hinterlässt nach wilden Immobilienspekulationen dem ukrainischen Steuerzahler Schulden von 40 Milliarden Euro. Lothar Matthäus flieht mit dem Transrapid, der seit gestern fährt, nach Lemberg und wird in den Karpaten aufgegriffen. Deutschland beantragt die Auslieferung beider Männer nicht.
Dieses schöne Feuer aus den Karpaten hat mir Sebastian Fiebrig von Wir in Berlin geschenkt. Nicht nur in Odessa wird also auf diese Weise Müll entsorgt. Wahrscheinlich kann Sebastian Ihnen noch ein bisschen mehr erzählen. Ich locke den Fan des Fußballklubs Union Berlin jetzt mal hierher, indem ich ihn etwas frage, das mich schon sehr lange beschäftigt: Warum spielt Karim Benyamina immer noch für die Eisernen? Wann immer ich Zeitung lese, schießt er ein Tor; der müsste doch längst weiter oben als in der Dritten Liga spielen.
ODESSA, UKRAINE Erinnert sich noch jemand an das hübsche Feuerchen am Bahnhof? Als Journalist, der jahrelang über altmärkische und mecklenburgische Feuerwehrbälle, O-Märsche, Löschangriffe (nass) und Tatütata überhaupt berichtet hat, teile ich an diese Stelle mit, dass es ordnungsgemäß heruntergebrannt ist.
ODESSA/KIEW UKRAINE Das mit dem Achten Weltwunder muss ich zurücknehmen, vielleicht hatte ich einen fiebrigen Lokalpatriotismus in mir. Es ist jedenfalls so, dass das Phänomen spuckender Straßen und Wege auch anderswo in der Ukraine auftritt. Iris hat es in Kiew entdeckt; dort scheint ein Warmwasserrohr geplatzt zu sein. Vielen Dank an die inoffizielle Hauptstadtkorrespondentin dieses Qualitätsblogs!
ODESSA, UKRAINE Es gibt Männer, die bezahlen dafür, dass sie mit einer bekannten Kapelle auf der Bühne ein Stückchen spielen dürfen.¹ Ich indes habe schon als Kind davon geträumt, eine slawische Sauna zu besuchen. (Okay, eigentlich nicht, aber ohne diese Lüge hätte ich keine Gelegenheit gehabt, den ersten Satz zu schreiben.) Die Sauna mit Schlafzimmer, Fernsehecke und Solarium kostete zwölf Euro pro Stunde. Auswahl gibt es hier.