Kategorie: Pflichtlektüre

Axel im Wunderland

ODESSA, UKRAINE Ich will Ihnen nur rasch zeigen, in welch netter Ecke von Odessa ich meinen Freund Axel während seines Odessa-Besuchs einquartiert hatte. Ich meine ja, kolumnenhaltiger kann Luft kaum sein. Und ja, Axel redet noch mit mir. Er hat zum Beispiel einen feinen Reisebericht geschrieben. Darin geht es um michmichmich – und auch um dieses Odessa.

Am Nachmittag haben wir einen riesigen Wochenmarkt besucht, den sogenannten Priwos-Markt. Hier gibt es alles, was in Haushalt und Küche benötigt wird und Christoph hatte die Anweisung von seiner Frau bekommen, alles, was die Liebste für ein mehrgängiges Menü benötigte, zu bezahlen, wenn notwendig, Übersetzungshilfe bei den Marktweibern zu leisten und ansonsten keine dummen Fragen zu stellen.
Das ließ sich die Liebste natürlich nicht zwei Mal sagen und hat Unmengen Gemüse, Salat, Gewürze und Fleisch eingekauft. Meine Bedenken bezüglich der Unterbrechung der Kühlkette wurden von ihr ebenso in den Wind geschlagen, wie Christophs Einwand, eine solche Menge Essen könne man doch unmöglich von DIN-A-5-Tellern verspeisen.

DIN-A5-Tourismus – lesen! Das unverschämte Fazit – “fünf Tage Odessa reichen vollkommen aus” – sehen wir Axel mal nach. Zur Strafe werde ich der Stadtverwaltung melden, dass der rote Rostfleck auf den Fotos sein Auto ist.

Nachbarschaftshilfe

Polens früherer Präsident Alexander Kwasniewski hat der Ukraine in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung ein miserables Zeugnis ausgestellt. Von einem “Staat mit eingebauter Blockade” spricht er und sieht in einer Verfassungsreform den einzigen Ausweg aus der ökonomischen Stagnation und den seit Jahren ungelösten Problemen: der Korruption, dem fehlenden Schutz des Eigentums, einem Rechtsstaat auf dem Niveau einer besseren Bananenrepublik. Er schreibt:

Der Mangel an staatlicher Effektivität führt dazu, dass eine schlechte ökonomische Situation immer schlimmer wird. Und er gefährdet die Integration des Landes in die Weltwirtschaft. Ohne eine Verfassungsreform wird eine Wirtschaftsreform schwierig, wenn nicht unmöglich sein.

Kwasniewski empfiehlt, die Verteilung der Rollen zwischen Staatschef, Premier, Kabinett und Parlament neu und klar zu definieren, um die Ukraine aus dem Dilemma “einer Art doppelten Präsidentschaft” zu befreien. Und am Ende seiner schonunglosen Analyse schlägt er vor, was beim Aufbau einer funktionierenden Verfassung beachtet werden muss:

  • mehr Mitsprache für die Bürger,
  • weniger Einfluss für die politischen Führer,
  • das Ausland als Vorbild.

Kwasniewski hat übrigens ganz gute Kontakte in die ukrainische Politik. Er war mit dem keineswegs sehr demokratischen Ex-Präsident Leonid Kutschma befreundet und hat 2007 von dessen Schwiegersohn, dem cleveren Oligarchen Viktor Pintschuk, Geld für seine Stiftung erhalten.

“The coolest McDonald’s”

ODESSA, UKRAINE Bevor Sie mich beschimpfen, weil ich noch immer nichts zur Krise in der Ukraine veröffentlicht habe, schauen Sie sich doch bitte mal den vierteiligen Reisebericht auf “Petro’s Jotter” an. “Touring Ukraine’s Economy” heißt das Stück, und der Autor besucht nicht nur Odessa (Tag 4), sondern auch Charkiw (Tag 1), Donezk (Tag 2) und diese Stadt mit zu vielen Konsonanten und zu wenigen Vokalen: Dnipr…Dnipr…Dnipropetrowsk (Tag 3). Es gibt herrliche Fotos von einsamen Straßen. Die ukrainischen Lastwagenfahrer streiken nämlich gerade. Sie haben Kredite aufgenommen, um sich einen Truck zu kaufen, kommen aber bei der Bank nicht mehr an ihr Geld, um die Schulden abzuzahlen. Vor allem aber hat Mr. Petro einen sensationellen Humor:

Poltava has the coolest McDonald’s I’ve ever seen.

10:30 Pass the huge Philip Morris Factory. Middle of nowhere. Try to take a picture of it, but it’s really flat and long. Needs a different kind of camera.

(Empfohlen von Andereas Wagner.)

Und ich gelobe: Ich schreibe etwas zur Wirtschaftskrise.

Hole-in-one

Mein wunderbarer Kollege Axel erzählt in seinem Blog eine Geschichte. Sie handelt – unter anderem – von dem Kerl rechts, äh, links in diesem Tatort-Video, das ich am Dienstag meiner Kolumne Kolumnist unter Verdacht beigefügt hatte. Und sie spielt auf einem Golfplatz im Fichtelgebirge, irgendwann in den goldenen neunziger Jahren. Axel wiederum ist so bescheiden, dass er mir nicht mal per Trackback Bescheid gesagt hat. Sein Text heißt Wese-Wenne-Hofmann – Flash. Lesen!

Der ukrainische Patient

ODESSA, UKRAINE Spiegel-Online rechnet heute mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko ab. Der Autor Alexander Schwabe beschreibt, wie der Held der Orangen Revolution seinen Ruf Stück für Stück ruiniert hat. Juschtschenko habe die politischen Krisen seit seinem Amtsantritt 2005 nicht genutzt, um Stärke zu zeigen und Macht zu gewinnen. Vielmehr sei er jedes Mal als Verlierer hervorgegangen. Der Präsident widme sich überdies mehr dem Kleinkrieg mit Premierministerin Julia Timoschenko als den Problemen des Landes: Korruption, Inflation und Oligarchenherrschaft. Stellenweise liest sich der Text wie ein Krankenbericht. Der Juschtschenko hat einerseits vier Jahre nach dem Giftanschlag wieder ein deutlich menschlicheres Antlitz. Sein Körper ist mittlerweile wieder nahezu sauber. Andererseits gab es unterhalb des Bauchnabels einen relativ schweren Eingriff. Juschtschenko ist der “kastrierte Präsident”.

Sonderlich originell sind solche Abstecher in die Medizin sicher nicht mehr. Aber immmerhin liefert Spiegel-Online zwei wunderhübsche Anekdoten.

Der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seiner Premierministerin geriet zum Possenspiel. Der Plot bot einiges: Außer der Parlamentsblockade die Beschlagnahmung eines Regierungsflugzeugs und peinlich inszenierte Telefonate:

  • Als Timoschenko Anfang Oktober zu ihrem russischen Kollegen Wladimir Putin nach Moskau fliegen wollte, war das von ihr reservierte Regierungsflugzeug unauffindbar – Juschtschenko hatte es kurzerhand für einen Inlandflug unter Beschlag genommen, ohne sie zu informieren. Als die Ministerpräsidentin schließlich mit einem slowenischen Charterflugzeug in Moskau ankam, spöttelte Putin, so sei es, wenn “Taschendiebe” Flugzeuge klauten.
  • Jüngst ließ Timoschenko die Presse eigens in ihr Büro kommen, um den Präsidenten vorzuführen. Um zu demonstrieren, wie wenig der Präsident sich in der prekären Lage um das Wohl des Landes kümmere, griff sie genüsslich zum Hörer im Wissen darum, dass Juschtschenko nicht abheben würde, weil er vergrätzt war. Mehr

König Joseph und die Russen

Ich habe ganz vergessen, zwei Texte zu empfehlen. Der wunderbare Sportjournalist Jens Weinreich erzählt in seinem Blog, was der nicht so wunderbare Fifa-Präsident Joseph Blatter mit der Russenmafia zu tun hat. Das ist die erste Geschichte. Und dann lässt der großartige Weinreich den auf seine Art auch großartigen Hans Klaus, Kommunikationsboss des Weltfußballverbandes, erzählen, was Blatter nicht mit der Russenmafia zu tun hat: @ email von der Fifa. Das ist die zweite Geschichte.
Klingt kompliziert, ist es auch. Und dabei habe ich den Namen Alimsan Tochtachunow schon weggelassen, um Sie nicht ganz zu verwirren, obwohl Sie eigentlich hier im Ostblog sind. Sagen wir einfach: Es geht um Russland, Fußball, Kohle, schwedische italienische Gardinen, Marlon Brando und Druschba. Reicht doch. Nun gehen Sie schon rüber!

Korruption als Alltagsproblem

ODESSA, UKRAINE Meinem treuen Leser Theobald Tiger und natürlich allen anderen, die sich auch fragen, wie es um den Wirtschaftsstandort Ukraine bestellt ist, empfehle ich den Beitrag von Harald Meyer auf Handelsblatt.com. Meyer erzählt, wie die Korruption im kleinen – etwa in Personalabteilungen – aussieht und was deutsche Unternehmer erwartet, wenn sie in der Ukraine investieren wollen. Kurze Kostprobe:

Ein allgegenwärtiges Problem für Unternehmen in der Ukraine ist auch die Korruption. Sie hat in der Ukraine gleichsam systemischen Charakter. Überall werden Schmiergelder verlangt. Bei jedem Lkw, der an der Grenze entzollt wird, muss mit Bakschisch-Forderungen des Zöllners gerechnet werden. Es empfiehlt sich aber, eine harte Linie “keine Zahlungen” zu verfolgen. Man sollte stattdessen versuchen, vorgesetzte Stellen zu mobilisieren oder Verbindungen zu nutzen. Jedoch – nicht jeder Mittelständler wird diese Linie durchhalten können, wenn es seinem Zweigbetrieb in der Ukraine schon an der schieren Größe fehlt. Kleine Unternehmen haben in der Regel größere Probleme als große Unternehmen, die ihre politischen Kontakte und ihre Steuerzahlungen als Hebel einsetzen können, um Korruptionsversuche staatlicher oder kommunaler Stellen abzuwehren.

In jedem Falle ratsam ist es,

  • sich strikt ans Gesetz zu halten und dies auch dann zu versuchen, wenn die ukrainischen Gesetze, Verordnungen usw. nicht selten unklar oder in sich widersprüchlich sind;
  • die Steuer- und Lohnzahlungen pünktlich zu leisten, um Erpressbarkeit zu vermeiden;
  • den bürokratischen Instanzenwegen zu folgen, auch wenn diese oft entsetzlich lang und zeitaufwändig sind. (…)

Ein heikles Thema ist in der Ukraine auch die weit verbreitete betriebsinterne Korruption, wenn zum Beispiel in den Personalabteilungen “kleine Königreiche” entstehen und bei Neueinstellungen unter Umgehung von Wartelisten Schmiergelder oder sogar zeitlich unbefristete Royalties verlangt und gezahlt werden. Das ukrainische Arbeitsrecht erschwert fristlose Kündigungen wegen Fehlverhaltens. Von den restriktiven Kündigungsklauseln, was die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber anbetrifft, gehen Zwänge aus, welche die Umsetzung der Unternehmenskultur im Betrieb behindern.

Hier geht es zum Beitrag “Welche Fallstricke in der Ukraine lauern”.

Mehr kann ich heute leider nicht bieten: Ich bin gedanklich schon im Fußballstadion. Dynamo Kiew spielt um 20.30 Uhr gegen Odessa – es sei denn, das Spiel wird noch abgesagt. Es regnet seit Tagen.

Schuldfrage als Puzzlespiel

ODESSA, UKRAINE Solch einen grandiosen Einfall kann nur ein Schweizer haben. Mein Kollege Jürg Vollmer hat auf Krusenstern.ch ein spannendes Experiment gestartet. Er will die Schuldfrage im Kaukasus-Konflikt klären, und seine Leser sollen bei der Spurensuche helfen – nicht mit Verschwörungstheorien, sondern mit Fakten. Vollmer erklärt auch, wie westliche Spin Doctors mit Millionenbudgets versuchen, die Medienberichterstattung zu beeinflussen. Hier geht’s zum Puzzle “Kaukasus-Konflikt: Hat Russland oder Georgien den Krieg begonnen?”

Und ich frage Jürg Vollmer gleich mal, ob er mir die Schweizer Staatsbürgerschaft das Schweizer Bürgerrecht verschaffen kann.