Kategorie: Scherzartikel

Verkehrt?

ODESSA/SANJEJKA, UKRAINE Vielleicht könnte mir jemand, der sich im Slawentum ein bisschen auskennt, erklären, warum diese kurzen Strohbesen so ungemein populär sind, obwohl es absolut unbequem ist, damit zu fegen. Tradition allein kann es doch nicht sein.

Poetry Schlamm: Man in Black

ODESSA/KUJALNIK, UKRAINE Ich habe mir mal ein Schlammbad im Kujalnik-Liman gegönnt. Es soll angeblich heilen und Wunder bewirken – das ist bewiesen, seit 1829 unter Leitung von Fürst Michail Semjonowitsch Woronzow eifrig geforscht wurde. Die Heilanstalt eröffnete fünf Jahre später. Heute gibt es im Kurort Kujalnik (курорт Куяльник) einige Sanatorien. Der gute Schlamm, den man sich auf die Haut schmiert, stinkt allerdings so bestialisch, dass einen die Wohnung auch nach zwei Tagen noch an den Ausflug erinnert. Und das gute Salzwasser, mit dem man den Schlamm hernach abwäscht, brennt so furchtbar in den Augen, dass man zu Tränen gerührt ist.

Auf der Fahrt nach Kujalnik, nicht einmal 20 Kilometer entfernt von Odessas Zentrum, gerät man jedoch zunächst, offenbar unvermeidlich, in einen Stau, der niedrigste menschliche Instinkte weckt. Immer wieder ziehen nämlich Fahrer nach rechts, überholen auf der staubigen Piste und drängeln sich dann in eine Lücke. Überholte ertappen sich gelegentlich beim Gedanken, eine Bürgerinitiative zur Wiedereinführung der Prügelstrafe zu gründen.

Die Gegend hat links und rechts durchaus einige Reize zu bieten:

Nach der Ankunft entkleidet man sich am Auto, das nur ein paar Schritte entfernt vom See parkt, durchquert einige Benzinpfützen und geht 100 Meter hinein ins Wasser, um nach dem Schlamm zu graben. Gräbt man weiter vorn und ziemlich erfolglos, zeigt also offenkundig seine Blödheit, kann es passieren, dass eine neunmalkluge Neunjährige ankommt, zwei Hände voller Schlamm, Richtung Horizont weist und dabei ruft: “Von dooooooooooooort!”

Auf dem Friedhof

ODESSA, UKRAINE Eine emerierte Professorin aus Deutschland hatte mir erzählt, auf dem Friedhof Nr. 2 gebe es Mafiagräber, bewacht von Männern in pistolenartig ausgebeulten Hosen und Jacken. Ich bin zwei Stunden lang alles abgelaufen, Mafiagräber aber habe ich nicht entdeckt. Auf vielen Steinen steht, was die Person im Diesseits getan hat, die Verdienste und Ämter werden angeführt. Alles ist sehr transparent. Die Mafia macht das leider nicht.

So habe ich nur zwei Ratten¹ gesehen, eine Menge Müll, hin und wieder ein Feuerchen, weil Abfälle überall verbrannt werden, ungewöhnliche Blumenvasen, die letzte Ruhestätte von Fußballern, Künstlern, Rennfahrern, Professoren und Politikern, von denen verdächtig viele in der wilden Zeit Mitte des Landes der neunziger Jahre hierhin umgezogen sind. Wenigstens weiß ich jetzt, wie mein Grab einmal aussehen wird. Ein bisschen Extravaganz soll schon sein:

Jemand hatte mir erzählt, auf dem Friedhof Nr. 2 sei die Verbrecherdichte sehr hoch. Praktischerweise liegt das Gefängnis nur fünf Minuten entfernt, und als ich dort durch einen Spalt hinein zu schauen versuchte, öffnete sich sogleich die schwere Schiebetür.

¹ nicht sinnbildlich gemeint

Mut zur Krücke

ODESSA, UKRAINE Ich verspreche, dass dieses selbstreferenzielle Gestammel bald ein Ende haben wird. Leider spüre ich noch immer die Folgen des Unfalls mit der Marschrutka auf dem Weg nach Kiew vor fast zwei Wochen. Gerade komme ich vom Krankenhaus Nr. 11, genauer gesagt: vom Traumatologen, einem Kumpel meines Schönheitschirurgen Valentinowitsch. Valentinowitsch hatte mir eine Audienz einen Termin besorgt, weil mein linkes Unfallbein – vorsichtig ausgedrückt – nicht heilt.  Die vergangenen Tage bin ich nur auf dem rechten Bein gehüpft, dessen Knöchel nun auch blau ist. Ich fuhr mit dem Taxi zum Krankenhaus und humpelte 150 Meter zur Aufnahme. Die Traumatologie war noch einmal 200 Meter entfernt. Ich fragte nach einem Rollstuhl. Zwei Ärzte und drei Schwestern schauten mich fassungslos an. Der Arzt sagte: “Wir verdienen hier so wenig, da werde ich Ihnen nicht helfen.” Die Frau, die mich die letzten Meter des Wegs gestützt hatte, erwiderte: “Meine Mutter liegt hier seit einem Monat, ich weiß, was Ihr verdient. Erzählen Sie mir nichts.”

Der Arzt ging nach draußen zum Rauchen. Manchmal treiben mich die Menschen in diesem Land in den Wahnsinn.

Ich bin, unterbrochen von einigen Verschaufpausen, zur Traumatologie gehumpelt. Borisowitsch diagnostizierte schnell einen Muskelriss und verschrieb mir Krücken, die ich für umgerechnet acht Euro in der Apotheke gekauft habe. Er will bis Freitag warten und mir dann vielleicht einen Gips verpassen. Seine Kollege hat mir freundlicherweise noch die Krücken zusammengeschraubt und eingestellt, ohne Schmiergeld von mir zu nehmen.

So sehen meine Krücken aus:

Neues vom Schönheitschirurgen

ODESSA, UKRAINE Das glaubt mir doch wieder keiner. Ich komme gerade vom Schönheitschirurgen Valentinowitsch, der sich schon am Sonnabend so rührend um mein Unfallbein gekümmert hatte. Auf Valentinowitschs Tisch lagen drei Eintrittskarten für eine Miss-Wahl oder ähnliche Gala – wahrscheinlich das Geschenk einer glücklichen Ex-Patientin.

Valentinowitsch ist sehr zufrieden mit dem Genesungsprozess. Er tastete die lädierte Wade noch einmal gründlich ab, telefonierte mit einem Kollegen und empfahl dann Wodka.
“Trinken?”, fragte ich, weil ich Valentinowitsch nicht richtig verstanden hatte. “Rotwein wäre mir lieber.”
“Trinken können Sie den Wodka auch, schaden kann es nicht”, sagte mein Schönheitschirurg und grinste. “Ich meinte aber eigentlich: Wickeln Sie sich vor dem Schlafen eine Mullbinde mit Wodka ums Bein. Reiner Spiritus tut es natürlich auch.”

Am Sonnabend sehen wir uns wieder. Die nächsten zwei Tage muss ich mich noch spritzen, dann hat der Allerwerteste wieder Ruhe. Ich darf also zu Hause gesund werden, was im Grunde ein bisschen schade ist. Ich hatte mich so auf mein Krankenhaustagebuch aus der Privatklinik Into-Sana gefreut. Damit Sie sich vorstellen können, was Sie und ich verpassen – das hier, nur auf Ukrainisch:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Ym9nNA2Tv1U[/youtube]

Schöne olle Kamellen (II)

ODESSA, UKRAINE Ich weiß, ich komme mit dieser Geschichte ein bisschen spät. Aber ich habe sie gerade erst gefunden. Kurz zum Verständnis: Die Skyliners Frankfurt, eine deutsche Basketballmannschaft, mussten im Europokalspiel zum ukrainischen Gegner MBC Nikolaev reisen – ja ja, das Leben eines Sportler hält schon Schicksale bereit.

Und nun kommt die Deutsche Presseagentur vom 14. Oktober:

«Wir konnten seit drei Tagen nicht trainieren und sind zwei Tage ununterbrochen unterwegs. Das sind natürlich schwierige Bedingungen, um eine Partie von einer solchen Bedeutung zu spielen», sagte Sportdirektor Kamil Nowak vor dem Hinspiel der ersten Qualifikationsrunde im neu geschaffenen EuroChallenge-Wettbewerb.

Die Skyliners waren am 13. Oktober um 08.00 Uhr zu der ohnehin aufwendigen Reise aufgebrochen. Wegen Nebels in Frankfurt/Main hatte sich zunächst ihr Abflug nach Budapest verzögert.(…)

Der Abflug in die Ukraine war am Folgetag auf 12.45 Uhr angesetzt, die Ankunft auf 15.20 Uhr. Den Basketballern wurde zugesichert, dass sie am Flughafen in Odessa schnell abgefertigt würden. Allerdings stand ihnen noch eine dreistündige Busfahrt nach Nikolaew bevor. «Die FIBA hat uns erklärt, dass das Spiel notfalls um ein paar Stunden verlegt würde. Wir müssen mit dem Bus direkt in die Halle. Das ist alles sehr schwierig», so Nowak. Mehr

Hihi. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, was möglicherweise daran liegt, dass ich einmal mit Auto von Schwerin nach Odessa gefahren bin – die Reportage über diese turbulente Reise kündige ich hiermit vollmundig an. Die Frankfurter hatten immerhin eine Polizei-Eskorte von Odessa nach Nikolaev.

Das Beste zum Schluss: Als ich am 15. Oktober nach Deutschland geflogen bin, saßen in Odessas Flughalle auch sehr große Jungs im Trainingsanzug herum. Ich habe leider kein Foto gemacht, kann aber berichten, dass Pascal Roller - der Guard der Frankfurter – den “Spiegel” las. Mein Abflug nach Prag verzögerte sich übrigens – und es war kein Nebel in Odessa. Statt in Hamburg landete ich in Berlin. Und die Koffer waren auch nicht da. Wie gesagt: hihi.

Das Spiel in Nikolaev endete übrigens 75:68 für die Skyliners. Pascal Roller – Hobbys: reisen, lesen, ins Kino gehen – erzielte 15 Punkte und war zweitbester Schütze seiner Mannschaft. Gratulation!

Makarchuk mit neuem Klub

(wese) Der ukrainische Fußballstar Nationalspieler Fußballer Mykola Makarchuk spielt künftig für NRW-Ligist SV Schermbeck. Wie RP Online berichtet, hat der Mittelfeldspieler einen hochdotierten Vertrag unterschrieben.  „Ich bin froh, dass wir uns einig geworden sind. Denn Mykola Makarchuk ist ein Spieler, der uns auf Anhieb weiterbringt“, sagte Trainer Martin Stroetzel.

Der 25-Jährige Ukrainer, von mehreren Spitzenklubs umworben zuletzt vereinslos, stand bereits länger auf der Wunschliste des SV. Vor Jahren wäre Makarchuk fast nach Schermbeck gewechselt, entschied sich aber wegen des besseren Angebots warum auch immer für Westfalia Herne. Mit dem spektakulären Transfer, der weltweit Schlagzeilen macht bei Google News erscheint, wenn man nach “Ukraine” sucht, erhofft sich Schermbeck ein Ende der sportlichen Talfahrt. Der Klub liegt derzeit nur auf Rang 13.  „Wir hatten im Mittelfeld Handlungsbedarf, da wir in diesem Bereich spielerisch hinterherhinken“, sagte Stroetzel.

Heute Abend tritt Schermbeck in der fünften Runde des Kreispokals bei Landesligist Teutonia Waltrop an.

Flammendes Inferno 2.0

ODESSA, UKRAINE Ich zeige heute, unter welch schwierigen Bedingungen Tag für Tag dieses Hochglanzprodukt namens Blog entsteht. Meine Internetverbindung – man surft über das TV-Kabel – fällt zunächst vom Dach an der Fassade zwei Stockwerke hinunter, gelangt dann durch ein Loch an meinem Balkon in den Hausflur und krabbelt an der Wand sehr elegant hinauf zur Wohnungstür.

Bevor es gleich dunkel wird, sollten Sie noch wissen, dass das Licht im Hausflur immer brennt und meine Klingel nie klingelt. Achten Sie besonders auf das orange Sandhügelchen im Fernster über dem Heizkörper – das haben die Handwerker nach dem Bohren zurückgelassen. Der Hund, der gleich bellt, ist übrigens ein Traditionalist. Er liebt Zeitungen und hasst Blogs. Film ab!

Vielleicht erinnert Sie das Kabelwirrwarr auch an einem berühmten Katastrophenfilm mit Steve McQueen und Paul Newman von 1974. Ich sag nur: Duncan Enterprises. Leider kann mein Katastrophenfilmchen den Geruch nicht wiedergeben, der einem im Treppenhaus entgegenschlägt. Es riecht nach Katzen und Katzenpfützen.

Die Antwort auf die Frage, warum ich im Video nicht zu sehen bin, lautet übrigens nicht Kameramann, sondern Friseur. Von dem komme ich gerade. Diesmal habe ihn machen lassen. Manche sagen, ich sähe jetzt ein bisschen deutschnational aus. Ich antworte, ich hätte mir als Bewunderer des Theaterregisseurs Claus Peymann dessen Frisur verpassen lassen. Und ehe jetzt Anwälte aus Berlin kommen, erkläre ich hiermit: Wese- und Peymann sind nicht deutschnational.