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Hoch auf dem gelben Wagen

MISHOR/JALTA, UKRAINE Manchmal bin ich auch nach einem Jahr in der Ukraine so naiv, dass es mich erschreckt. Ich hatte mich auf ein Mittagessen gefreut in Hütte Nummer 14, auf Schaschlik in 1200 Metern Höhe, die Augen aufs Gipfelkreuz mit der schönen Legende gerichtet. Es war mir vom Budenboss zugesagt worden. Ich geriet in ein Verkaufsverließ. Kaum dass ich bestellt hatte, betrat ein Weinhändler – der Titel mag ein bisschen hochgegriffen sein – das Speisezimmer im zweiten Stock. Er trug einen Karton mit sechs Flaschen bei sich und und stellte Plastikbecher auf die Tische, begann zu reden und hörte lange nicht mehr auf. Er verteilte Kostproben, indem er unaufhörlich rote Flüssigkeit in die Becher spritzte. Der Inhalt schmeckte süß wie Portwein – aber das war auch die einzige Gemeinsamkeit. Ich bekam schon vom Riechen Kopfweh. Der Mann verkaufte allerhand.

Schon vorher war ich auf dem Ai-Petri (Heiliger Petrus), einem der berühmtesten Berge der Krim, vor allem damit beschäftigt gewesen, die Angebote der Taxifahrer, Kellnerinnen und Schaschlikgriller auszuschlagen. Auch den Adlern, die unbedingt auf meine Schulter wollten, um sich mit mir auf meine Kosten fotografieren zu lassen, musste ich absagen. Sogar dem Kamel, das ich besteigen sollte, habe ich aus Zeitgründen einen Korb gegeben. Wenn mich meine Wahrnehmung nicht getäuscht hat, sind auf dem Ai-Petri in diesem Sommer mehr Verkäufer als Käufer. Die Krise ist eine Klettertante Bergsteigerin.

Nachdem der Weinhändler gegangen war, erzählte eine Babuschka Schnurren über die Krim. Das Gipfelkreuz auf 1234 Metern, berichtete sie, hätten einst italienische Filmleute bezahlt, um Ai-Petri in eine Alpenkulisse zu verwandeln. Die Leute, typisch Italiener, seien jedoch zu faul gewesen, das Kreuz nach dem Ende der Dreharbeiten wieder abzubauen, weshalb es noch immer dort stehe. “Wer nicht auf dem Ai-Petri war, war nicht auf der Krim”, sagte sie noch und bot plötzlich grünen Tee zum Kauf an. Mein Rinderschaschlik schmeckte trotzdem und war nicht mal sehr teuer.

Die Seilbahn, die am Urlaubsstädtchen Mischor – mit dem Taxi 20 Minuten entfernt von Jaltas Zentrum – beginnt, wurde in nur 20 Jahren gebaut. Es gab da ein paar klitzekleine Probleme:

Der erste Stein im Bau der Drahtseilbahn wurde im Jahre 1967 gelegt, aber, als der einzigartige Bau schon praktisch fertig war,wurde es die Tatsache des Fehlers in den Rechnungen offensichtlich: Gehangene Seilen haben auf die Felsen gelegen. Es konnte man den Teil des Felsens entfernt beseitigen, aber es wurde nicht entschieden,die Schönheit der Landschaft zu verletzen . Man mußte das Projek ändern, von neuem alle Rechnungen hervorbringen. Und nur in einigen Jahren wurden die Arbeiten erneuert.

(Einer der Bauherren muss auch diesen Text verfasst und diese Seite konstruiert haben.)

In meinem Krim-Reiseführer, veröffentlicht 2006, kostet die Fahrt hinauf und herunter noch 36 Griwna. Bezahlt habe ich 100 Griwna. Beschenkt wird man dafür mit einem herrlichen Ausblick und einem Film, den man selbst gedreht hat: Das Leben läuft noch einmal ab. Im Reiseführer steht sinngemäß, man könne sowohl mit dem Taxi als auch mit der Gondel den Berg bereisen – atemberaubend gefährlich sei das eine wie das andere, die Serpentinenkurverei im Auto genauso wie die drei Kilometer lange Schaukelei durch die Luft im Vertrauen auf die sowjetische Technik. Sterben sei nicht unwahrscheinlich.

Es ist dann aber auf der Rücktour nur eine Frau umgekippt.

A Trolleybus Named Desire

JALTA, UKRAINE Wenn ich richtig rechne, hat mich jeder der 86,5 Kilometer im Trolleybus von Simferopol nach Jalta 0,1387283236994219653179190751445 Griwna gekostet. Das sind 13,87283236994219653179190751445 Kopeken, also nach heutigem Wechselkurs 0,0131irgendwas Euro oder 1,3 Cent und ein paar Zerquetschte. Das Ticket für die längste Trolleybusstrecke der Welt kostete zwölf Griwna, und die Fahrt dauerte etwas mehr als zweieinhalb Stunden. Vielleicht wären wir unter 150 Minuten geblieben, wäre nicht alle 20 Kilometer das Kabel vom Bus hinauf zur Stromleitung abgerissen. So aber musste der Fahrer viermal hinausklettern, mit einem Läppchen, das er sich vom Armaturenbrett gegriffen hatte, und den Schaden beheben. Ich müsste mir das Abenteuer, diese Berg-und-Talfahrt entlang herrlicher Natur im Nachhinein also gar nicht schönrechnen.

Ein paar Kilometer vor Jalta gab es überdies noch einen Stau: Vier Trolleybusse standen Schlange, weil auf diesem Abschnitt der Strom ganz ausgefallen war. Es ging aber so schnell weiter, dass ich kein Zeit hatte, ein Foto zu machen. Unter der Hitze, dem Gebrumme und Geklapper ächzten alle. Besonders die Kinder hatten sich irgendwann nicht mehr unter Kontrolle, sie schrien und nervten die Passagiere – dummerweise waren es meine Kinder. Sie können mich einen Rabenvater und Egoisten nennen – aber ohne diese Tour wäre mein Leben ärmer. Und zurück von Jalta habe ich auch ein Taxi gewählt, was die Fahrzeit halbierte. Da kostete der Kilometer übrigens 3,4682080924855491329479768786127 Griwna.

Als viel unbequemer sind mir die zwei zwölfstündigen Fahrten mit dem Nachtzug in Erinnerung. Von Odessa nach Simferopol gab es auf keiner Toilette Wasser, und zurück stampfte dann eine eindeutig zu schwere Schaffnerin fortwährend den schmalen Gang des Abteils entlang und brüllte, was sie den Reisenden anzubieten hatte: “Чай, кофе, холодное пиво!”* Sie brüllte es abends um elf, morgens um sieben und sogar noch 20 Minuten vor der Ankunft in Odessa. Wasserflaschen hatte sie natürlich nicht in ihrem Kämmerchen.

* “Tee, Kaffee, kaltes Bier!”

Band ohne Namen

JALTA/ODESSA, UKRAINE Mag sein, dass mich der Vollmond über Jalta und die vorbeidefilierenden Urlaubsschönheiten ein bisschen unkritisch gemacht haben. Möglicherweise war ich auch so überwältigt, weil mein Wissen über russische Rockmusik mit Wiktor Zoi beginnt und mit der Gruppe “Kino” aufhört. (Experten dürften die Größe meiner Ahnungslosigkeit ermessen.) Ich bestreite all das jedoch. Es war ein wundervolles Konzert an Jaltas Strandpromenade. Die fünf jungen Leute um den Apfelsaft schlürfenden Sänger spielten fast zwei Stunden vor einem zunehmend betrunkener werdenden Publikum. Sie sangen Lieder, die ich nicht kannte, über Sachen, die ich nicht verstand. Mein Russisch rockt einfach noch nicht.

Und jetzt kommt es: keine CD, die ich hätte kaufen können, keine Homepage, auf die ich jetzt verweisen könnte – die Gruppe hat noch nicht mal einen Namen. Alles, was ich weiß, ist, dass die vier Männer und die hübsche, etwas schüchterne Keyboarderin Jaltaer¹ sind. Erzählt hat es mir der Manager, der natürlich gar kein Manager ist, sondern bloß ein Freund, der auf die Schachtel aufpasst, in die Zuhörer Geld werfen können. Abend für Abend, außer montags, spielen sie dort, das Schwarze Meer als Backstagebereich, und werden wahrscheinlich nie berühmt und reich. Es ist ein Jammer.

¹ Nein, es heißt nicht Jalteser.

(Hiermit eröffne ich die Krim-Woche dieses Blogs.)

Abwesenheitsnotiz

Ich werde bis Dienstagmittag auf der Krim sein. Bitte werfen Sie ruhig ein paar Scheine in den Kommentarbereich – denn bei den Preisen auf der Halbinsel werde ich voraussichtlich pleite zurückkommen. Falls Sie Sehnsucht nach mir haben und mich in Jalta besuchen wollen, finden Sie mich hier. Ich empfehle, mit dem Nachtzug nach Simferopol zu fahren und von dort auf der längsten Trolleybusstrecke der Welt weiter zu düsen. Für die 86 Kilometer bis Jalta brauchen diese Uraltbusse angeblich kaum mehr als zweieinhalb Stunden.

Zur Sicherheit wird mein Freund Axel alle Kommentare von Leuten freischalten, die hier zum ersten Mal vorbeischauen. (Er wird sich also nicht überarbeiten.) Bis zu meiner Rückkehr können Sie vielleicht raten, aus welchem Land der Besitzer dieses schönen Flitzers kommt. Ich habe mir sagen lassen, er sei vor zwei Jahren schon einmal in Odessa gewesen.

Matroschka beweint die Scheidung

ODESSA, UKRAINE Man muss vielleicht ein Gedankenspiel wagen, um die Dramatik zu erfassen, die in der Ukraine herrscht. Man stelle sich vor, in Deutschland würde zunächst die Koalition zusammenbrechen, woraufhin aus Wut Bundestagspräsident Norbert Lammert zurückträte. Und schließlich befürwortete der bayerische Landtag aus Liebe zu Österreich und gegen den Willen Berlins noch die Unabhängigkeit Südtirols. Man stelle sich zusätzlich vor, dies alles geschehe auf einmal – binnen zwei Wochen.

Auch wenn der konstruierte Vergleich offenkundig wackelig ist – so ungefähr sieht es zwischen Kiew und Odessa aus. Die prowestliche Regierungskoalition ist Geschichte. Die Präsidentenpartei Unsere Ukraine und der Block der Premierministerin Julia Timoschenko haben das Bündnis in dieser Woche nach gegenseitigen Schuldzuweisungen endgültig begraben. Der Rücktritt des Parlamentspräsidenten Arseni Jazenjuk am Mittwoch war da nur noch eine Fußnote. “Man muss würdevoll an die Macht kommen und sie auch mit Würde verlassen”, sagte Jazenjuk, ein Parteifreund des Staatschefs Wiktor Juschtschenko. Es war eine Flucht vor der möglichen neuen Mehrheit im Parlament.

Zwei Alphatiere im Schlamm

Woran ist die Koalition zerbrochen? Endgültig und auch offiziell gescheitert ist sie wegen des Kaukasuskonflikts. Doch zwischen Timoschenko und Juschtschenko kriselt es seit Jahren. Die beiden Helden der Orangenen Revolution von 2004 haben sich einen Machtkampf, gespickt mit persönlichen Verleumdungen, geliefert. Zwei politische Alphatiere sudelten sich nach Herzenslust im Schlamm und freuten sich, wenn der Kontrahent ein bisschen schmutziger herausstieg. Das Traumpaar, das so große Hoffnungen geweckt hatte, wird es künftig nur noch auf den Matroschkas geben, die die Touristen so gerne kaufen.

Beide trennen aber auch politische Überzeugungen. Juschtschenko will die Ukraine um jeden Preis in den Westen führen, strebt eine präsidentielle Demokratie an und stellt sich als oberster Bekämpfer der Korruption dar. Timoschenko agiert taktischer und kuschelt auch mal mit Russland, um im Osten und Süden der Ukraine zu punkten, wo die Moskautreuen zu Hause sind. Böswillige behaupten, sie positioniere sich schon jetzt für die Präsidentschaftswahl, die Ende des nächsten Jahres oder Anfang 2010 stattfinden wird. Sie hat gute Chancen, den unbeliebten Juschtschenko abzulösen, der für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich gemacht wird.

Der Kaukasuskrieg und die Frage, ob Russlands Einmarsch verurteilt werden müsse, haben diesen Konflikt eskalieren lassen. Während sich Juschtschenko schnell auf die Seite Georgiens stellte, schwieg Timoschenko tagelang und wurde prompt verdächtig, sie lasse sich von Moskau dafür bezahlen. Dass Freunde und Helfer des Präsidenten dieses Gerücht streuten, ist wahrscheinlich.

Ein neues Bündnis mit dem alten Feind

In dieser Woche sagte Timoschenko, Juschtschenko habe mit seiner antirussischen Politik das Land in die Krise geführt. Er sei auch verantwortlich “für alles Schlechte”, das in den Beziehungen zwischen beiden Staaten künftig geschehe. Die Regierungschefin verlangt mehr Ausgewogenenheit im Umgang mit Russland, ohne freilich genau zu erklären, was sie damit meint.

Timoschenko verhandelt jetzt mit der Opposition. Ausgerechnet die prorussische Partei der Regionen um den früheren Ministerpräsidenten Wiktor Janukowitsch soll ihr beim Regieren helfen. Janukowitsch war das Feindbild von Timoschenko und Juschtschenko während der Orangenen Revolution. Sollte dieses Bündnis doch nicht zustande kommen, dürfte es im Dezember Neuwahlen geben.

Mit ihrer schwersten innenpolitischen Krise seit langem zahlt die Ukraine den Preis für ein ungelöstes Problem. Die Frage, ob das Land nach Westen gehört und nach Russland, spaltet Wähler wie Politiker. Bislang fehlt ein Rezept, um den Riss zu kitten, zumal die Europäische Union und die Nato die ukrainischen Annäherungsversuche auch nur halbherzig erwidern. Vor allem Frankreich und Deutschland scheuen das Risiko. Eine Aufnahme der Ukraine in Europas Mitte und ins westliche Verteidigungsbündnis dürfte das Verhältnis zu Russland erheblich belasten und Putwedjews Rache heraufbeschwören.

Auf ihrem Gipfel in Paris hat die EU der Ukraine jüngst nur eine engere Partnerschaft versprochen – ohne Beitrittsperspektive. Dass der französische Ratspräsident Nicolas Sarkozy davon sprach, man habe das maximale Ergebnis erzielt, dürfte die prorussischen Kräfte im Land jubeln lassen. Andererseits kann man von der EU auch nicht verlangen, die Ukraine aus Mitleid aufzunehmen und alle Kriterien zu vergessen, die für andere Bewerber gelten.

Freie Bahn für die Separatisten

In dieser Woche nun haben 79 von 90 Parlamentariern der ukrainischen Autonomen Republik Krim in einer Resolution die Kollegen in Kiew aufgefordert, die beiden georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anzuerkennen. Zuletzt hatten selbst europäische Diplomaten gewarnt, die Halbinsel könnte das nächste Ziel der russischen Expansionspolitik sein. 60 Prozent der Bewohner der Krim bezeichnen sich als russischstämmig. Eine Mehrheit wünscht sich die Staatsbürgerschaft des großen Nachbarn. Angeblich lässt Moskau bereits russische Pässe verteilen, was die Botschaft in Kiew laut einem Bericht der Deutschen Welle dementiert.

Es ist gewiss kein Zufall, dass die Separatisten, die von einer Rückkehr nach Russland träumen, die Resolution gerade jetzt verabschiedet haben. Ihre Gegner sind angeschlagen und bekämpfen sich lieber selbst.

Nachtrag: Der ukrainische Außenminister Wolodymyr Ohrysko wirft Russland im Interview mit dem Focus vor, die Krim destabilisieren zu wollen. Er bezieht sich dabei auch auf die Verteilung von Pässen.

Krieg im Sandkasten

ODESSA/KIEW, UKRAINE Wie geht es weiter nach dem Ende der Regierungskoalition in Kiew? Erlebt die Ukraine eine tiefe innenpolitische Krise, die Russland wie gerufen käme? Zuerst einmal: Man darf gewiss den Kopf schütteln über die Entwicklungen der vergangenen Wochen und Tage. Dass die Feindschaft zwischen Präsident Wiktor Juschtschenko und Ministerpräsident Julia Timoschenko gerade jetzt eskaliert, da die imperialen Gelüste Russlands neu erwacht sind, sagt einiges aus über den Zustand der politischen Kultur im Land.

Beide Politiker tragen einen Machtkampf aus, seit Timoschenko im Dezember 2007 die Regierung übernommen hat. Immer wieder hatten Juschtschenko und sein Stab kleine Gemeinheiten in Form von Erlässen an die Ministerpräsidentin geschickt. Dabei überschritten sie mehr als einmal ihre Zuständigkeiten. Nun hat sich Timoschenko revanchiert und mit der oppostionellen Partei der Regionen von Ex-Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch den Staatschef umgegrätscht. Die gegen die Präsidentenpartei verabschiedeten Gesetzesänderungen, Auslöser des Koalitionskrachs, schwächen Juschtschenko erheblich. Er könnte nun leichter des Amtes enthoben werden.

Beide Politiker, Juschtschenko und Timoschenko, benehmen sich wie Kinder im Sandkasten. Der eine klaut die Schaufel, der andere wirft mit Sand. Es wäre zum Lachen, stünde das Land nicht augenblicklich vor gewaltigen Problemen. Die Inflation liegt bei 30 Prozent. Die Wirtschaft wächst nur noch schwach. Und Russlands Präsident Dimitrij Medwedjew, ferngesteuert von Vorgänger Wladimir Putin, bricht alle mühsam aufgebauten Beziehungen zu Europa ab. Angeblich träumt der große Nachbar auch von einer Rückholaktion der Krim, die Staatschef Nikita Chrustschow 1954 der Sowjetrepublik Ukraine geschenkt hatte.

Dass sich die beiden Sandkastenfeinde jetzt nicht mehr nur ein bisschen ärgern, sondern offen den Krieg erklären, ist fahrlässig und wird der Politikverdrossenheit neue Nahrung geben, was eigentlich überflüssig wäre. Von seinen Repräsentanten hat der Ukrainer schon jetzt keine hohe Meinung. Politiker gelten als korrupt und egoistisch. Juschtschenko und Timoschenko unternehmen alles, dieses Urteil zu bestätigen. Im echten Sandkasten würden jetzt zwei Mütter die Streithähne hineinrufen und bestrafen: mit Stubenarrest und Fernsehverbot. In der Politik müssten dies die Wähler tun.

Dieser Kommentar erschien auch am 6. September in der Schweriner Volkszeitung.

Lesen Sie weiter:

Nico Lange, Chef des Kiewer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, glaubt an ein Überleben der Koalition. Unsere Ukraine, die Partei des Präsidenten, und der Block Timoschekos würden die Zehn-Tage-Frist nutzen, um zu verhandeln.

An Neuwahlen hat derzeit keine der großen Parteien Interesse, da die Zustimmung sowohl zu Nascha Ukraina als auch zum Block Julija Tymoschenko und zur Partei der Regionen im Verlauf der letzten Monate deutlich gesunken ist.

Lange ist überzeugt, dass ein Zusammengehen des Blocks mit der oppositionellen Partei der Region keine Alternative sei. Timoschenkos Wähler würden eine Liaison mit den prorussischen Kräften nicht verzeihen. Der Experte prognostiziert, dass das organgene Regierungsbündnis nach ein paar Raufereien und Zugeständnissen fortgesetzt werde. Den zweiten Ausweg aus der Krise, eine geschäftsführende Regierung ohne Koalition und mit wechselnden Mehrheiten, hält Lange für verheerend.

Für die nötigen innenpolitischen Reformen und die Außenpolitik der Ukraine wäre das allerdings, insbesondere vor dem Hintergrund der schwach entwickelten parlamentarischen und politischen Kultur, eine vollkommen unverantwortliche Perspektive.

Die komplette Analyse von Nico Lange finden Sie hier.

Apropos Präsident

KRIM/ODESSA, UKRAINE Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch. Hoch! Hoch! Hoch! Mein Ständchen kommt ein bisschen spät, weil ich erst heute Morgen zur Lektüre der Montagsausgabe der Zeitung Segodnya gekommen bin. Aber ich will doch nicht versäumen, dem ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Kutschma herzlich zum 70. Geburtstag zu gratulieren.

Kutschma, Staatschef von 1994 bis 2005, feierte am Sonnabend auf der Krim. Von einem rauschenden Fest zu sprechen, würde der Feier nicht gerecht werden. Es wäre ungefähr so, als würde man den Mann einen Freund der Presse oder einen unbestechlichen Politiker nennen. Man könnte seine Vergangenheit in diesen beiden Punkten so zusammenfassen: Für sich hat er gesorgt, den Journalisten Heorhih Gongadse hat er entsorgt. Es gibt jedenfalls gewisse Vorwürfe, die Kutschma freilich immer zurückgewiesen hat.

Die Party kostete nach Angaben von Segodnya vier Millionen Dollar. Noch Fragen? Gäste waren natürlich die unvermeidlichen Klitschko-Brüder. Aber wo sind die Boxriesen eigentlich nicht? Ich kann mich an keinen Kampf erinnern. Haben die überhaupt jemals geboxt, oder sind sie einfach so ins Fernsehen geraten? Sie haben Kutschma ein 40 Kilogramm schweres Buch mit Aufnahmen Muhammed Alis geschenkt, von dem es nur 100 Exemplare gibt. Der 70. Geburtstags Kutschmas war das Medienereignis des Sommers. Schon Wochen vorher hatten Zeitungen ganzseitig über den Stand der Vorbereitungen berichtet.

Ich war übrigens nicht eingeladen, ich hoffe jetzt auf den 75. Geburtstag des Ex-Präsidenten. Dann werde ich live bloggen, das ist ja gerade schwer in Mode. Der Kollege Jens Weinreich hat das mit der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele fabelhaft vorgemacht.

Nehmen Sie sich also für den Abend des 9. August 2013 schon mal nichts vor. Ich melde mich dann live von der Krim.

Nachtrag, 13. August: Falls jemand den verlinkten Beitrag der Segodnya schon zweimal übersetzt hat und noch immer das Wort “Skandal” sucht oder die Frage, wie Herr Kutschma solch ein Fest für vier Millionen Euro bezahlen könne, empfehle ich, die Suche einzustellen.