Kolumne: Wann ruft Guido Knopp an?
ODESSA, UKRAINE Als Kolumnist fehlt mir eindeutig das Repertoire. Fast immer schreibe ich über dieselben Leute, was möglicherweise nicht weiter auffiele, wenn es mehr als zwei wären oder einer der beiden nicht Adolf Hitler hieße. Ich bin kein Ewiggestriger, der in der Vergangenheit lebt, ich trage zwar einen Seitenscheitel, aber das hat eher optische als ideologische Gründe. Allmählich komme ich in ein Alter, in dem ein vernünftiger Mann an jedem Haar hängt, weil er nichts mehr zu verschenken hat von dem, was auf dem Kopf noch wächst. Die Haare vermehren sich ja nicht – jedenfalls nicht dort. Als einer, der schon einige Geburtstage in seinem Leben gefeiert hat, würde ich, wenn ein Schurke käme und „Geld oder Glatze, Hunderter oder Haarausfall” riefe, immer das Portmonee zücken, egal, wie viel ich verlöre.
“Hitlers Kolumnist”
Ich schreibe also entweder Kolumnen über Oleg, weil er mein Freund in Odessa ist, oder über Adolf Hitler, weil gerade ein Nachbar mein Auto demoliert hat, um sich an einem Deutschen für die Verbrechen der Nationalsozialisten zu rächen. Wenn der ZDF-Geschichtslehrer Guido Knopp irgendwann „Hitlers Kolumnisten” macht, weil ihm nichts mehr einfällt, bin ich ganz sicher dabei, so viel steht fest.
Und jetzt fragen mich Journalisten, wie ich auf den Skype-Skandal gestoßen sei. Bei diesem Kommunikationsdienstleister haben sich mehr als 30 Nutzer aus der ganzen Welt als Adolf Hitler angemeldet. Auch Heinrich Himmler, Joseph Goebbels, Hermann Göring und Dr. Josef Mengele skypen. In vielen Profilen stehen Hakenkreuze neben Hetze. Es ist sehr unappetitlich.
Wie erklärt man Journalisten und Lesern, dass man Adolf Hitler jagt? Ich habe mich ein bisschen in Lügen verstrickt, ich war überfordert. Zunächst behauptete ich, ich hätte den Führer fragen wollen, ob er wegen der Weltfinanzkrise ein Comeback plane. Ich hielt diese Antwort für einigermaßen originell, bekam aber bald Angst, ich könnte als doppelter Verharmloser dastehen: von Hitler und vom Bankensterben. Ich habe mich danach auf alles berufen: Zufall, Tippfehler, Gier nach Ruhm. Was mein Mund sonst noch so ausgespuckt hat, weiß ich gar nicht mehr. Bestimmt habe ich auch ein paar Mal Oleg die Schuld gegeben.
Klein Adolf in Ägypten
Oleg hat mich vorhin aufgeregt angerufen und gesagt: „Mir ist etwas eingefallen. Was ist eigentlich mit den Leuten bei Skype, die wirklich heißen wie die alten Nazis, ohne neue Nazis zu sein? Warum soll in Algerien, den USA, Tschechien, Kuba, Finnland, Kanada, Trinidad und Tobago oder Ägypten nicht ein Mann so heißen?”
„Ich bin kein Ägyptologe, aber ich bezweifele, dass viele ägyptische Eltern ihr Baby Adolf Hitler nennen, ich glaube das eher nicht”, sagte ich. „Ich rufe für dich auch gern die größte Geburtsstation von Trinidad und Tobago an und frage, wie viele Adolfchen in der letzten Nacht auf die Welt gekommen sind.”
„Aber was ist mit diesem Busfahrer in Wien, der angeblich wirklich so heißt?”, fragte Oleg. “Willst du dem das Skypen verbieten?”
„Oleg, glaubst du, das größte Unglück eines Mannes, der im wahren Leben Adolf Hitler heißt, wäre, nicht mehr skypen zu dürfen?”
Gestern Nacht habe ich von meiner Beerdigung geträumt; es war insgesamt doch sehr feierlich. Der Sarg hätte vielleicht ein bisschen schöner sein können. Aber wer sollte unter der Erde über meine geizige Familie lästern? Der Pfarrer sagte, ehe er mich verabschiedete: „Er hat sein Kolumnistenleben ganz und gar Adolf Hitler gewidmet.”
Muss ich erwähnen, dass nicht sehr viele Leute bei meiner Beerdigung gewesen sind?
Dieser Text ist auch auf kolumnen.de veröffentlicht. Dort finden Sie natürlich viele andere großartige Kolumnen großartigen Autoren. Nein, ich übertreibe nicht.