Hilfe für den Altbundeskomiker

Nimm zwei zur Nacht: Oliver Pocher soll Harald Schmidt retten – oder umgekehrt

Der Biologe spricht von Symbiose und meint das Zusammenleben zweier Lebewesen zum gegenseitigen Nutzen. Wenn Harald Schmidt heute zum ersten Mal mit Oliver Pocher auf Sendung geht, ist nicht ganz klar, wer von beiden Komikern der Wirt ist, der den anderen bedient und ernährt.

Harald Schmidt ist amtsmüde. Oliver Pocher kennt niemand, der einen anderen Fernsehsender einschaltet als ProSieben. Und die ARD hat kaum junge Zuschauer. Schmidt ist 50 Jahre alt, steht aber davor, Altbundeskomiker zu werden. Pocher ist 29, hat aber einen Humor, der noch immer pubertiert. Und die ARD will den Alten halten, aber vom Jungen aufwecken lassen. Das muss man wissen, um zu verstehen, was heute um 22.45 Uhr geschehen wird, wenn Schmidt und Pocher ihren satirischen Wochenrückblick starten und Günther Jauch als Gast begrüßen.

Schmidt, der zuletzt ausgebrannt wirkte, hat den Hofnarr des Privatfernsehens zum Wechsel ins Öffentliche-Rechtliche überredet. Er sagt, das Duett sei für Pocher „komfortabel, weil er zwei, drei Levels in der medialen Aufmerksamkeit überspringt”.

Schmidt hat sich eine Kunstfigur mit demselben Namen zugelegt. Sie ist es, die der Zuschauer im Fernsehen sieht und der Leser in Zeitungen liest. Wenn sich Schmidt äußert, dann gibt die Kunstfigur statt der Wahrheit nur Witze preis und bewahrt ihren Erfinder vor dem Blick der Öffentlichkeit. Schmidt inszeniert sich selbst. Seine Kunstfigur ist wie der Igel in der Geschichte vom Wettlauf mit dem Hasen: Sie ist dort, wo der Zuschauer sie nicht vermutet. Sie kommt von dort, wohin der Zuschauer eilt, um sie zu treffen.

Neuerdings erzählt Schmidt, er wolle zurück zu seiner Jugendliebe, dem Theater. Vor Jahren sagte er noch, er habe den Traum aufgegeben, ein Charakterdarsteller zu werden, weil diese Bühne andere besser bespielen könnten. Einst verkündete er, den Sender Sat1 erst als Rentner zu verlassen. Dann verabschiedete er sich in eine einjährige „Kreativpause” und ließ sich hernach von der ARD verpflichten. Schmidt ist der große Schwindler des Fernsehens. Pocher besitzt diese Raffinesse nicht. Bekannt ist er als Werbefigur eines Elektronikmarkts.
Man sollte also nicht glauben, dass Schmidt Pocher anlernen oder erziehen will. Dafür ist der gebürtige Neu-Ulmer zu sehr Egoist. Er hat kein Interesse, einen Nachfolger aufzubauen – zumal er überzeugt ist, dass es keinen gibt, der dies werden könnte.

Die Chancen stehen trotzdem nicht schlecht, dass das Duo in vorerst 22 Folgen spätabends unterhält. Schmidt braucht einen Partner oder Gegner, mit dem er sich messen kann. Herbert Feuerstein, der Kollege von „Schmidteinander” bis Ende 1994, war so einer. Manuel Andrack, sein Zuhörer in den vergangenen Jahren, war es nicht. Mit Pocher wird sich Schmidt zurücklehnen, dem Emporkömmling die Schenkelklopfer überlassen und selbst mit intellektuellen Gedanken das Feuilleton verwöhnen, das ihm zuletzt die Liebe entzogen hat.

Beide Unterhalter haben eine religiöse Vergangenheit. Schmidt spielte Orgel in der katholischen Gemeinde seiner Heimatstadt Nürtingen. Pocher klingelte als Zeuge Jehovas an Türen, verschenkte das Zentralorgan „Wachturm” und lernte, „Leuten auf den Sack zu gehen und es immer wieder zu versuchen”.

Wie Schmidt hat sich Pocher einen Platz auf dem Bildschirm gegen Widerstände erkämpft – im Glauben, das deutsche Fernsehen könne auf einen wie ihn nicht verzichten. Vor dem Start der Sendung hat er bereits angekündigt, anders als Andrack nicht des Meisters Stichwortgeber zu sein. Über Schmidt will Pocher werden, was er noch nicht ist: einer, der die Deutschen amüsiert und nicht nur die Altersgruppe bis zwanzig.

Der Biologe kennt nicht nur das Zusammenleben zweier Lebewesen zum beiderseitigen Nutzen. Es gibt auch den Schmarotzer – und der schädigt seinen Wirt bekanntlich.

(c) Schweriner Volkszeitung, 25. Oktober 2007

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