Scherzkeks ohne Geschmack
Harald Schmidt ist zurück. Als Zyniker, der vor keinem Tabu zurückschreckt, steht er am Pranger wie damals, als er Polen und Frauen beleidigte. In seinem Wochenrückblick am Donnerstag in der ARD bespricht Schmidt gern das „Nazometer”. Der Apparat schlägt aus bei einem Wort, das an den Nationalsozialismus und die Vernichtung der europäischen Juden erinnert. Dass Harald Schmidts Partner Oliver Pocher „Gasherd” und „duschen” sagte, genügte schon.
SWR-Intendant Peter Boudgoust spricht jetzt von einer „unglaublichen Geschmacklosigkeit”. Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, fragt verärgert: „Wie geschmacklos und verroht muss man sein, den Massenmord als Gagnummer zu benutzen?”
Schmidt dürfte die Diskussion lächerlich finden und Kritiker wie Boudgoust für einen Heuchler halten. Für den Komiker ist das „Nazometer” eine Kunstinstallation, die nicht die Opfer des Holocaust verhöhnt, sondern Täter der Gegenwart: alle, die Eva Herman und ihr braunes Familienbild als wichtigstes innenpolitisches Thema betrachtet haben.
Niemand braucht Harald Schmidt das „Nazometer” zu verbieten. Er wird verzichten, weil er keine Lust hat auf solche moralischen Schlachten. Mit Häme müssen fortan seine Vorgesetzten rechnen. Männer wie Peter Boudgoust wird er sich in der nächsten Zeit vorknöpfen und böse veralbern.
Eines sollte man in all der Aufregung nicht vergessen: Manches, was die ARD vor allem in ihrer Boulevardsendung „Brisant” ausstrahlt, ist geschmackloser als das „Nazometer”. Wenn Kameras jede Leiche filmen, Vergewaltigte vorgeführt werden und sich Roberto Blanco wie gestern die Lunge spiegeln lässt, um vom Kampf gegen den Krebs zu erzählen, wünschte man sich Wächter wie jene, die Harald Schmidt jetzt erziehen wollen.
(c) Schweriner Volkszeitung, 2007