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Ich greife zur Schaufel

ODESSA, UKRAINE: Ich grabe mal schnell ein ganz tiefes Loch zum Drinversinken. Natürlich ist die Hübsche da unten nicht die Tochter von Regierungschefin Julia Timoschenko, sondern von Staatspräsident Wiktor Juschtschenko. Mein Kollege Andreas Solf hat mich auf diesen Unsinn gerade aufmerksam gemacht. Ich hätte gern eine gute Erklärung zur Hand. Da mir die aber fehlt, ist dort jetzt die Schaufel. Juschtschenko und Timoschenko zu verwechseln – das tut richtig weh.

Dabei habe ich die Geschichte gestern und heute ja in der Zeitung gelesen.

Ich lass den Fehler drin – als Lehrstück, wie man eine schöne Nachricht aufhübscht und ruiniert. So, das Loch ist tief genug.

Korruption als Alltagsproblem

ODESSA, UKRAINE Meinem treuen Leser Theobald Tiger und natürlich allen anderen, die sich auch fragen, wie es um den Wirtschaftsstandort Ukraine bestellt ist, empfehle ich den Beitrag von Harald Meyer auf Handelsblatt.com. Meyer erzählt, wie die Korruption im kleinen – etwa in Personalabteilungen – aussieht und was deutsche Unternehmer erwartet, wenn sie in der Ukraine investieren wollen. Kurze Kostprobe:

Ein allgegenwärtiges Problem für Unternehmen in der Ukraine ist auch die Korruption. Sie hat in der Ukraine gleichsam systemischen Charakter. Überall werden Schmiergelder verlangt. Bei jedem Lkw, der an der Grenze entzollt wird, muss mit Bakschisch-Forderungen des Zöllners gerechnet werden. Es empfiehlt sich aber, eine harte Linie “keine Zahlungen” zu verfolgen. Man sollte stattdessen versuchen, vorgesetzte Stellen zu mobilisieren oder Verbindungen zu nutzen. Jedoch – nicht jeder Mittelständler wird diese Linie durchhalten können, wenn es seinem Zweigbetrieb in der Ukraine schon an der schieren Größe fehlt. Kleine Unternehmen haben in der Regel größere Probleme als große Unternehmen, die ihre politischen Kontakte und ihre Steuerzahlungen als Hebel einsetzen können, um Korruptionsversuche staatlicher oder kommunaler Stellen abzuwehren.

In jedem Falle ratsam ist es,

  • sich strikt ans Gesetz zu halten und dies auch dann zu versuchen, wenn die ukrainischen Gesetze, Verordnungen usw. nicht selten unklar oder in sich widersprüchlich sind;
  • die Steuer- und Lohnzahlungen pünktlich zu leisten, um Erpressbarkeit zu vermeiden;
  • den bürokratischen Instanzenwegen zu folgen, auch wenn diese oft entsetzlich lang und zeitaufwändig sind. (…)

Ein heikles Thema ist in der Ukraine auch die weit verbreitete betriebsinterne Korruption, wenn zum Beispiel in den Personalabteilungen “kleine Königreiche” entstehen und bei Neueinstellungen unter Umgehung von Wartelisten Schmiergelder oder sogar zeitlich unbefristete Royalties verlangt und gezahlt werden. Das ukrainische Arbeitsrecht erschwert fristlose Kündigungen wegen Fehlverhaltens. Von den restriktiven Kündigungsklauseln, was die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber anbetrifft, gehen Zwänge aus, welche die Umsetzung der Unternehmenskultur im Betrieb behindern.

Hier geht es zum Beitrag “Welche Fallstricke in der Ukraine lauern”.

Mehr kann ich heute leider nicht bieten: Ich bin gedanklich schon im Fußballstadion. Dynamo Kiew spielt um 20.30 Uhr gegen Odessa – es sei denn, das Spiel wird noch abgesagt. Es regnet seit Tagen.

Ukraine in schlechter Gesellschaft

1. Singapur
2. Neuseeland
3. USA
4. Honkong
5. Dänemark
6. Großbritannien
7. Irland
8. Kanada
9. Australien
10. Norwegen
(…)
25. Deutschland
(…)
120. Russland
(…)
138. Usbekistan
139. Ruanda
140. Philippinen
141. Mosambik
142. Iran
143. Kap Verde
144. Madagaskar
145. Ukraine
146. Surinam
147. Sudan
148. Burkina Faso
149. Senegal
150. Bolivien
(…)
181. Kongo

Das ist das Ergebnis der Studie Doing Business 2009, die die Weltbank jetzt veröffentlicht hat. Sie bewertet das Investitionsklima und gilt als ein Gradmesser für Wachstumshindernisse. Zu den Indikatoren gehören Eigentumseintragung, Durchsetzung von Verträgen, die Möglichkeiten der Kreditaufnahme und Investorenschutz.

Die Ukraine verliert im Vergleich zum Vorjahr einen Platz. Fortschritte über Reformen bescheinigt die Weltbank der Ukraine bei Getting Credit, Paying Taxes und Trading across borders. Das Dealing with construction permits hat sich laut Studie verschlechtert.

Die Reaktion in der Ukraine auf Platz 145: keine.

Putin kritisiert Odessa-Blog (fast)

[youtube]http://de.youtube.com/watch?v=amR5PYqKbok[/youtube]

ODESSA, UKRAINE Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin kritisiert im Gespräch mit der französischen Zeitung Le Figaro die Berichterstattung der westlichen Medien über den Kaukasuskonflikt.

Wissen Sie, die Fragen, die die Pressefreiheit in Russland betreffen, verwundern mich immer mehr. Insbesondere gerade nach den Ereignissen in Südossetien und Abchasien.

Ein interessierter Beobachter musste bemerkt haben, wie geschlossen die gesamte freie Presse unserer westlichen Partner geschwiegen hat, als bei so manchen der falsche Eindruck entstand, dass die georgische Aggression mit einem positiven Resultat enden könnte. Die zwei Tage, als es noch nicht klar war, womit das enden kann, haben alle geschlossen, wie auf Kommando, geschwiegen. Genauso geschlossen und wie auf Kommando – und ich denke, dass es gerade auf ein Kommando geschehen ist – fingen alle an, Russland der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung zu beschuldigen. Das gilt nicht nur für die europäische, sondern auch für die amerikanische Presse.

Das gesamte Interview in deutscher Übersetzung lässt sich nachlesen bei Ria Novosti oder Krusenstern.

Kolumne: Meine Nächte als Gerhard Schröder

ODESSA, UKRAINE Ich will nicht, dass Gerhard Schröder im nächsten Jahr Kanzler wird, ich bin gegen eine dritte Amtszeit des Hannoveraner Hengstes, obwohl ich weiß, dass die Alternative Angela Merkel heißt. Frank-Walter Steinmeier, der sozialdemokratische Außenminister, ist ja bloß ein Strohmann. Noch am Wahlabend, gleich nach seinem Triumph, würde er Schröder vorschlagen und abermals dessen rechte Hand im Kanzleramt werden. Er ist kein Mann für die erste Reihe.

Mir ist Schröder schon jetzt unerträglich allgegenwärtig; es hat gewiss damit zu tun, dass er wieder kräftig mitmischt. Er verteidigt Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin im Kaukasuskonflikt und will im bayerischen Landtagswahlkampf die CSU besiegen. Ich verkrafte das nicht. Ich träume oft von Schröder, ich kann das nicht verhindern. Schröder steht jeden Abend an meinem Traumzaun und schreit, wohl nicht mehr ganz nüchtern: „Ich will hier rein!” Noch unangenehmer ist, dass ich wie Schröder bin. Nachts schlüpfe ich in die Schröderrolle. Das liegt zweifelsohne an den einhundert Tagen, die ich nun als oberster Odessit der Familie im Amt bin. Im Traum verteidige und erkläre ich meine ersten Entscheidungen. Die Schonfrist ist ja vorbei. Jetzt wird abgerechnet. Ich muss mich an meinen Versprechen messen lassen.

“Basta!”

Jedes Mal träume ich mich durch die ersten einhundert Tage in Odessa. Als die zwei anderen Mitglieder der Familie und ich zur ersten Sitzung zusammenkommen, sage ich als Chef der Exekutive: „Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen.” Ich spreche auch unbequeme Wahrheiten aus und kündige Reformen an, ich will verkrustete Strukturen aufbrechen und den Haushalt konsolidieren. Ich erinnere mich an meine Worte genau: „Die Wochenarbeitszeit wird steigen müssen. Den Mittagsschlaf unter der Woche werden wir streichen. Basta!”

In den nächsten Wochen setze ich dies mit meiner Richtlinienkompetenz auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen durch, weil es unvermeidlich ist, um nicht auf Kosten der nächsten Generation zu leben. Für so etwas gibt es natürlich keinen Beifall. Mehr als einmal stehe ich vor einem Misstrauensvotum. Mehr als einmal muss ich auch mit Rücktritt drohen.

Gleich am zweiten Tag habe ich einen Kassensturz angeordnet. Alle Ausgaben sollten auf den Prüfstand. Mein Ziel war und ist es, im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Mit dem Schuldenmachen muss Schluss sein; das ist für mich eine Frage der Generationengerechtigkeit. Mich selbst schone ich selbstverständlich nicht, auch mein Budget wird beschnitten. Zum Beispiel senke ich sukzessive die Aufwendungen für Sprit (Auto und Seele). Ich gehe häufiger zu Fuß und trinke mehr Tee.

Keine Glotze

Im Traum halte ich flammende Reden: „Ich weiß, wo ich herkomme”, schreie ich mit heiserer Stimme. „Und wer mich kennt, weiß, dass ich, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, meine ganze Kraft für die soziale Gerechtigkeit einsetze.”

Ich kaufe ein, mache die Wäsche und schütze insgesamt die innere Sicherheit. Ich habe ja auch versprochen, meine Stammwählerin zu entlasten und die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu verwirklichen. Natürlich habe ich auch gleich am ersten oder zweiten Tag im Amt ein Investitionsprogramm aufgelegt, um die Infrastruktur zu verbessern. Das neue Ehebett war nur der Anfang. Ich werde das Schlafzimmer weiter modernisieren. Ich bin überzeugt, dass sich das auszahlt. Die Geburtenrate wird steigen. Ich habe auch den Fernseher abgeschafft. Ich brauche nur „Segodnya” und „Argumentü i Faktü”, aber keine Glotze.

Heute Morgen habe ich verschlafen, ich war wohl ein bisschen amtsmüde, ich hätte Oleg zum Frühstück im Café treffen sollen. Stattdessen klingelte er mich aus dem Bett, kochte in der Küche Kaffee, brachte mir eine Tasse und weckte mich. Ich war noch einmal eingeschlafen, gab gerade wieder ein Interview und erzählte von meiner Mutter, die mich in schwerer Zeit groß gezogen hat.
„Trink erst mal den Kolumnistenkaffee, ist extra stark”, flüsterte Oleg.
„Die wollen mich fertig machen”, sagte ich.
„Wer?”
„Alle.”

Oleg als Gutachter

Ich nahm den ersten Schluck, setzte mich hin, war nicht länger verschrödert und sagte: „Oleg, ich bin jetzt einhundert Tage in Odessa. Bist du zufrieden, wie ich die Familie führe? Sei ehrlich.”
Oleg rückte näher, so dass seine Wimpern fast mein Kinn berührten, er drehte den Hals und starrte zu mir hinauf, schwieg einen Augenblick und schüttelte den Kopf. „Ich will mich nicht in deine inneren Angelegenheiten einmischen”, sagte er schließlich. „Aber kann es sein, dass die Kolumnistennasenhaare in Odessa schneller wachsen?”
„Ist das deine Bilanz?”
„Die Kolumnistennase hat den Filter verstärkt”, sagte Oleg. „Der alte Charles Darwin wäre stolz auf dich. Du hast eine absolute Anpassernase, du bist ein Wunder der Evolution. Die Nase schützt dich vor gesundheitlichen Schäden.”

„Was meinst du?”, fragte ich.
„Liest du denn keine Zeitung, die Segodnya zum Beispiel? Odessa ist die zweitschmutzigste Stadt der Ukraine.”
„Das kann nicht sein”, sagte ich.
„Das sagt die Stadtverwaltung auch.”
„Die Messung muss falsch sein”, sagte ich.
„Das sagt die Stadtverwaltung auch.”

Oleg nahm seine Wimpern wieder von meinem Kinn. Er lächelte. Dann sagte er: „Ich gratuliere, du bist ein echter Odessit.”

Nachtrag, 22.05: Mein Kolumnistenkollege Axel Scherm, der nur unwesentlich schlechter golft als Tiger Woods, aber wesentlich witziger ist, hat mich in den Kommentaren darauf hingewiesen, dass zumindest der erste Absatz meiner Kolumne kabarettreif ist. Ich empfehle mal zu schauen, wie sich die “Anstalt” im ZDF gestern Abend Gerhard Schröder gewidmet hat. Danke, lieber Axel.

Hinter Gittern

ODESSA, UKRAINE Ich habe mich vor ein paar Tagen abschätzig über Odessas Zoo geäußert. Ich schrieb: „Man riecht ihn von weitem.”

Ich weiß selbst nicht mehr, wie das passieren konnte, ich war ungerecht. Vielleicht habe ich an die Fernsehserie „Hinter Gittern” gedacht und deshalb etwas durcheinander gebracht.

Untermieter gesucht: der Tiger
Untermieter gesucht: der Tiger
Kleine und große Bären: Odessas Zoo
Kleine und große Bären: Odessas Zoo
Ein Hingucker: der gepflegte Gehweg
Ein Hingucker: der gepflegte Gehweg
Eine der Attraktionen: die Hüpfburg; rechts: ein Elefant
Eine der Attraktionen: die Hüpfburg; rechts: ein Elefant

Odessas Zoo hat eine Hüpfburg, eine Rutsche und sehr viele Elektroautos. Man kann eine Lok mieten und selbst fahren. Man darf überall den Müll hinwerfen. Man kann sich auf einem Kamel fotografieren lassen oder auf einem Pony. Man kann historische Kostüme anprobieren und sich dann auch fotografieren lassen. Fotografieren lassen kann man sich außerdem: neben einer großen Stoffgiraffe, einem großen Stofftiger und einem großen Stoffbären. Aus den Lautsprechern kommt oft Musik.

Noch eine Attraktion: die Rutsche; links: ein Elefant
Noch eine Attraktion: die Rutsche; links: ein Elefant

Tiere gibt es auch. Elefant Tarun, der mit Wendy liiert ist, wird wieder Papa.