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Kolumne: Oleg und das hessische Entlein

ODESSA, UKRAINE Mein Freund Oleg hat eine Nacht mit Barack Obama sausen lassen – wegen Andrea Ypsilanti. Er war wohl zu erschöpft, um sich die amerikanische Präsidentschaftswahl anzuschauen, obwohl ich ihm vorher gesagt hatte, er verpasse ein historisches Ereignis und werde sich eines Tages ärgern, wenn die Enkel fragten: Opa Oleg, wie war das damals, als die Welt farbenblind wurde?
„Oleg, willst du dann von der Bayernwahl mit Axel und dem Untergang der CSU erzählen? Ich glaube nicht, dass die Kleinen begeistert sein werden, wenn sie hören: An Obamas Triumph erinnere mich nicht – aber ich weiß alles über Horst Seehofer!”
„Im Prinzip sind beide schwarz”, sagte Oleg.
Das war am Dienstagmittag. Danach ist er untergetaucht.

Mit Roland Koch auf einer einsamen Insel

Ich glaube, er ist – trotz alledem – immer noch ein bisschen verliebt in Andrea Ypsilanti, das hessische Entlein. Natürlich verstehe ich, dass es viele Gründe gibt, Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die politische Rente zu wünschen. Einerseits würde ich ihn nicht auf eine einsame Insel mitnehmen – aus Angst, wir könnten verhungern, weil der Mann alles abschiebt, was ihm nicht schmeckt. Andererseits kenne ich kluge Leute, die Koch als Chef erleben und von ihm schwärmen, weil er nie brüllt.

Ich habe einen Trick, um herauszufinden, ob ich einen Politiker mag oder nicht: Ich überlege, ob ich gern sein Sohn wäre, ob es mich störte oder mir gefiele. Wegen erwiesener Lässigkeit würde ich Gerhard Schröder (vier Ehen in 40 Jahren), Helmut Schmidt (2508 Zigaretten am Tag) und Friedrich Merz (ein Moped, irgendwann einmal) als Erzeuger anerkennen. Natürlich, ich hätte auch gern einen liberalen Vater – aber Guido Westerwelle … nun ja.

Mit Rinat Achmetow auf Lesersuche

Da ich in Odessa lebe, sehe ich mich hin und wieder auch unter den ukrainischen Politikern um. Müsste ich mich für einen Produzenten entscheiden, fiele meine Wahl auf Rinat Achmetow. Gegen den Oligarchen und Parlamentarier aus Donezk hätte ich schon wegen des vermutlich großzügigen Taschengelds nichts. Eine ruhige und unkündbare Stelle bei der Zeitung Segodnya, die ihm bekanntlich gehört, entspräche durchaus meinem Arbeitseifer. Und ich hätte dank Papas Schützenhilfe sogar ein sehr erfolgreiches Blog. Don(ezk) Achmetow, der Pate aus dem Osten der Ukraine, nuschelte einfach hin und wieder vor sich hin: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.” Schwupps, stünde ich in jeder Linksammlung und bekäme eine Menge Besuch, wahrscheinlich müsse ich sogar anbauen aus Platzmangel.

Als Sohn von Roland Koch wäre ich mindestens zweimal mit dem Kamm des Alten und meinem Kopf zum Vaterschaftstest marschiert: das erste Mal 1998, nachdem Papa die hessische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft erfunden hat, das zweite Mal, als er im Landtagswahlkampf im Januar 2008 schrie, Deutschland habe „zu viele kriminelle junge Ausländer”.
Ich verstehe also, dass man Roland Koch weghaben will. Dass man deshalb Andrea Ypsilanti verfallen muss, verstehe ich nicht.

Mit Olegs Mama in der Kantine

Gestern habe ich Olegs Mama getroffen, allerdings glaube ich nicht, dass es Zufall war. Sie wartete in der Kantine unweit des Büchermarks, in der ich oft zu Mittag esse, saß an dem Tisch, den ich bevorzuge, und hatte mir schon eine Cola hingestellt. Sie nannte ihren Namen, wünschte guten Appetit und schaute mich finster an.
„Hör mal, Kolumnistchen“, sagte sie, „ich mache mir Sorgen um Oleg.”
„Was ist los?”
„Wer ist diese Andrea?”
„Ach, Andrea, die ist doch nichts für die Ewigkeit”, sagte ich und löffelte weiter meinen Teller Borschtsch.
„Aber sie hat meinem Sohn das Herz gebrochen.”
Ich holte Olegs Mama einen Kaffee und mir ein Bier. Sie nahm einen Schluck. Ich nahm einen Schluck. Dann tauschten wir und schwiegen.

Ich habe ihr erzählt, dass Oleg von Andrea enttäuscht ist, weil sie nicht die Landesmutter von Hessen geworden ist. Er gibt ihr die Schuld, er hält sie für naiv, er meint, sie hätte die vier Parteifeinde auf die ukrainische Art überzeugen müssen, für sie zu stimmen. Oleg lehnt Gewalt natürlich ab, aber Geld als Druckmittel, Umschläge statt Schläge sozusagen, hält er durchaus für legitim.
„Da ist noch was, Kolumnistchen.”
„Ich höre”, sagte ich.
„Oleg führt Selbstgespräche, er nennt sich – warte, ich hab’s mir aufgeschrieben, Sekündchen, hier, schau -, er nennt sich Fischers Fritze und fischt frische Fische. Oder er redet vollkommen wirr.”
„Wirr?”
„Affeklammer”, sagte Olegs Mama.
„Hm.”
„Affeklammer, Affeklammer, Affeklammer.”
„Hm.”
„Fischers Fritze fischt frische Fische”, sagte sie.
„Hm. Und?”
„Nimmt mein Junge Drogen? Hat er sie von dir? Bist du ein Kolumnistenkiffer?”
„Seien Sie unbesorgt”, sagte ich. „Oleg lernt nur deutsch mit mir. Ich glaube, er will Axel überraschen, wenn die beiden sich das nächste Mal sehen. Vor ein paar Tagen haben wir eine neue Lektion angefangen. Es geht um den deutschen Büroalltag und um Sprichwörter.”
Olegs Mama atmete tief durch und verabschiedete sich. Ehe sie ging, drehte sie sich noch einmal um und rief: „Vergiss nicht, Axelchen von mir zu grüßen, aber verrat ihm nicht, dass ich ihm zu Weihnachten ein paar schöne – - – - – - stricke. Er ist ein молодец*!”

Mit Oleg am Telefon

Vor ein paar Minuten hat Oleg endlich das Telefon abgenommen.
„Wo steckst du?”, fragte ich.
„Tagesschau.de”, sagte Oleg. „Ypsilanti gibt die Kandidatur an Schäfer-Gümbel ab. Das war’s dann wohl.”
„Nein, ich will wissen, warum du dich versteckt hast.”
„Ich fand mich selbst nicht mehr witzig. Wenn ich alle anderen witziger finde als mich selbst, verkrieche ich mich und halte meine Klappe.”
„Denkst du nur an dich? Denkst du auch mal an mich? Meine Leser vermissen dich.”
„Ach Gott”, sagte Oleg, “das traurige Dutzend.”

*Prachtkerl

Die Pleite der Super-Oligarchen

ODESSA, UKRAINE Ist es eigentlich strafbar, einen Ukrainer ärmer zu machen, als er ist? Nein? Und reicher? Oder ist ein solches Vergehen zwar nicht justiziabel, aber sehr wohl gefährlich in der Ukraine?

Ich entschuldige mich in aller Form bei Rinat Achmetow, dem Superoligarchen und Förderer des Fußballklubs Schachtjor Donezk. Jüngst habe ich den Chef der Beteiligungsgesellschaft System Capital Management (SCM) in einem Essay ein Vermögen von 31 Milliarden Dollar – nun ja – angedichtet, muss ich wohl sagen. Das hat möglicherweise mal gestimmt, ist jetzt aber nachweislich falsch. Der reichste Ukrainer hat in der Weltfinanzkrise Geld verloren. “Kyiv Weekly” berichtet von 18 Milliarden Dollar. Das sind 70 Prozent. Keinen ukrainischen Oligarchen hat es härter getroffen. Klar, es besaß und besitzt auch niemand mehr als Achmetow, der laut der Zeitung mit 29 Milliarden Dollar ins Jahr 2008 gestartet war.

Doch der Zusammenbruch der Börsen und Banken hat nicht bloß Achmetow getroffen. “Kyiv Weekly” spricht vom “Fall of oligarchs”, vom Absturz jener Männer also, die in den neunziger Jahren an der Privatitisierung ukrainischer Staatsbetriebe verdient hatten und aufgestiegen waren. Die Firmen, die ihnen entweder gehören oder an denen sie stark beteiligt sind, sind jetzt deutlich weniger wert als vor der Krise. Für Viktor Nusenkis muss man fast schon mit dem Sammelbecher herumgehen. “He got 80% poorer.” Nusenkis, einst Direktor im Kohlebergbau und heute wie Achmetow Mitglied des Donezker Clans, ist bis auf 2,6 Milliarden Dollar verarmt.

Viktor Pinchuk hat vier Millionen Dollar seines Vermögens verloren – in Prozenten: 69. Herr Pinchuk war auch schon Gast in diesem Blog. Der Schwiegersohn des früheren Präsidenten Leonid Kutschma hat mal mit Achmetow für 800 Millionen Dollar das größte und profitabelste Stahlunternehmen der Ukraine kaufen dürfen, obwohl ausländische Investoren das Doppelte geboten hatten. Staatschef war damals, uups, Kutschma. Nach dessen Abschied erklärte ein Kiewer Gericht den Verkauf für ungültig.

Ganz glimpflich ist Dimitrij Firtasch davongekommen. Er hat nur 18 Prozent verloren. Allerdings besaß er vorher auch nur kümmerliche 2,4 Milliarden Dollar.

Jetzt wird es hart.

Auch Konstantin Schewago ist unter den Verlierern. Er hat für die Talfahrt des ukrainischen Eisenerzproduzenten Ferrexpo an der Londoner Börse bezahlt und als Mehrheitseigner – Firmentitel “Chief Executive Officer” – 80 Prozent seines Reichtums eingebüßt: fast drei Milliarden Dollar.

Übrigens: Schewago ist ein Parteifreund der Premierministerin Julia Timoschenko und sitzt seit 1998 im Kiewer Parlament.

Mittlerweile hat der Oligarch Igor Kolomojskij mit seinem Imperium, der Privat-Gruppe, einen Anteil von fast sieben Prozent an Ferrexpo erworben. Kolomojskij wird gern als “beinhart” beschrieben, stammt aus Dnepropetrowsk und gilt als Mitglied des dortigen Clans, womit man wieder bei Pinchuk ist, einem anderen Häuptling dieses Stamms.

Spitzenreiter, was den prozentualen Verlust angeht, ist Wladimir Boiko; der Vorstandschef und de-facto-Boss des Metallurgischen Kombinats Iljitsch Maripol hat 82 Prozent – 2,6 Milliarden Dollar – verloren.

Übrigens: Boika ist Sozialist und Mitglied des Parlamentausschusses für Industriepolitik.

So, das musste sein. Mehr wüssen Sie über die Ukraine erst einmal nicht wissen. Ach, fast vergessen: Rinat Achmetow, klar, auch Abgeordneter in Kiew. Jetzt dürfen Sie sich zurücklehren.

Zum Genießen kommt noch mal die in Heimarbeit zusammengeschraubte Tabelle:

Randnotiz 1: “Kyiv Weekly” spricht von “our oligarchs”.
Randnotiz 2: “Focus Money” hat am 2. Juli den Kauf von Ferrexpo-Aktien empfohlen. Die Überschrift hieß: “Eisenerz bringt Kohle”.
Randnotiz 3: Ja, ich weiß, dass es nicht witzig ist, wenn Aktien abschmieren, weil das Unternehmen dann möglicherweise Beschäftigte rausschmeißen muss.
Randnotiz 4: Letztlich ist das Geld natürlich nur auf dem Papier weg. Analysten allerdings glauben, dass die Oligarchen nicht vor 2013 den alten Reichtum wiedererlangen werden.

Alles musste raus

Das Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit 1991 war für die Ukraine eine verlorene Zeit. Die Wirtschaft brach ohne die Absatzmärkte im Osten zusammen, der Staat versagte, betrog seine Bürger und verkaufte seine profitabelsten Betriebe zu Schnäppchenpreisen an Oligarchen. Bis heute leidet das Land an den Folgen. Eine Geschichte über den skandalösen Räumungsverkauf.

Die Präsidenten der Ukraine, v.l.: Wiktor Juschtschenko (seit 2005), Leonid Kutschma (1994-2005), Leonid Krawtschuk (1991-1994)
Die Präsidenten der Ukraine, v.l.: Wiktor Juschtschenko (seit 2005), Leonid Kutschma (1994-2005), Leonid Krawtschuk (1991-1994)

„The Great Giveaway Revisited”, titelt die Kyiv Post in ihrer jüngsten Ausgabe und schickt ihre Leser zurück in die neunziger Jahre, in jene Zeit, als der ukrainische Staat sein Eigentum für immer verscherbelt hat. Den „schrecklichen Preis” für den Ausverkauf zahle das Land bis heute, schreibt Mark Rachkevych. Wer will, kann seinen Text als Kriminalstück lesen, genug zwielichtige Personen lässt der Autor jedenfalls auftreten: vor allem Politiker und Unternehmer, wobei die Hauptfiguren oft beides zugleich sind.

Auf dem Titelfoto der Kyiv Post lodern Flammen aus dem Bauch nicht irgendeines Stahlunternehmens. Kriworischstal gehörte lange dem Staat, dann für kurze Zeit zwei Clan-Brüdern – einem Multimilliardär, der seine Karriere als „Gewaltunternehmer” begonnen hatte, und einem Schwiegersohn mit guten Kontakten nach oben -, schließlich wieder dem Staat. Später mehr.

Schlimmer als unter den Kommunisten nach Stalin

Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 hatten westliche Experten die Privatisierung der Staatsbetriebe als Abschied von der Sowjetära und als Ankunft in der Marktwirtschaft begrüßt. Doch der Aufschwung nach dem Niedergang des Sozialismus war ein Privileg Weniger. Bis Mitte der neunziger Jahre wurde in der Ukraine vielerorts – auch in Großstädten wie Odessa – gar gehungert und gefroren. Die Inflation stieg von Sommer 1993 bis Mitte 1994 auf 1000 Prozent.

„Der Durchschnittslohn eines Fabrikarbeiters reicht nicht mehr für den Mindestbedarf an Lebensmitteln”, schrieb der Spiegel im Juni 1994. „Ins Krankenhaus muss ein Patient Essen, Bettwäsche, Medizin und gleich auch noch den Röntgenfilm selbst mitbringen. So schlimm war es nicht einmal unter den Kommunisten nach Stalin.” Im Buch „Ukraine” des Historikers Ernst Lüdemann heißt es über diese Zeit: „Viele Familien, auch kinderreiche, hausten in so beengten Verhältnissen, wie sie in Deutschland zuletzt in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg einige Jahre herrschten.”

Der noch heute ungerecht verteilte Wohlstand und die riesigen Einkommensunterschiede sind ein Überbleibsel dieser Krisenjahre. Die Ukraine hat mehr Milliardäre pro Einwohner als Russland, das Land mit den drittmeisten Milliardären der Welt nach den USA und Deutschland. Oligarchen beherrschen die wichtigsten Betriebe und besitzen somit auch politische Macht.

Ein Name fällt dabei immer wieder: Rinat Achmetow. Er ist mit einem Vermögen von – aktueller Stand – 31 Milliarden Dollar der reichste Mann der Ukraine. In den neunziger Jahren gründete er eine Bank, machte Unternehmen über Kredite von sich abhängig und kaufte Staatsbetriebe. Als Spielzeug und Nachweis seiner Seriosität leistet er sich den Fußballklub Schachtjor Donezk im Osten des Landes. Im Skandal-Wahlkampf von 2004 soll er den pro-russischen Präsidentschaftskandidaten Wiktor Janukowitsch unterstützt haben, für dessen Partei der Regionen er auch im Kiewer Parlament sitzt. Achmetow gehören – unter anderem – der Fernsehsender Ukraina und die Zeitung Segodnya. Für den Spiegel war er 2005 „der mächtigste Mann” des Landes.

Das Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit war für die Ukraine eine verlorene Zeit. Die Wirtschaft brach ohne die Absatzmärkte im Osten zusammen, der Staat versagte und ließ seine Bürger allein. Blühende Landschaften gab es – es waren allerdings Sumpfwiesen der Korruption. Dass westliche Errungenschaften – ein funktionierendes Rechtssystem, freie Medien, staatliche Fürsorge, subventionierte Kultur, ehrenamtliches Engagement – bis heute fehlen und nicht geschätzt werden, lässt sich so teilweise erklären. Der schlechte Ruf von Politikern ist ein Produkt von damals, als die Herrschenden die Korruption nicht verfolgten, sondern förderten und von ihr profitierten.

So setzte sich der ehemalige Ministerpräsident Juchym Swjahilskyj im November 1994 nach Israel ab, nachdem er Hunderte Millionen Dollar aus der Staatskasse geplündert hatte. Im Februar 1997 kehrte er zurück, da gegen ihn keine Anklage erhoben worden war. Er wurde wieder Direktor der wichtigsten Kohlegrube im Dombass und saß wie vor seiner Flucht als Abgeordneter im Parlament.

Der große Deal des Hütchenspielers

Im Juni 2004 wurde Kriworischstal, das größte und profitabelste Stahlunternehmen des Landes, für 800 Millionen Dollar verkauft, obwohl internationale Investoren fast das Doppelte geboten hatten. Bis heute gilt dieser Deal als eines der schlimmsten Beispiele für Korruption und Vetternwirtschaft. Die neuen Besitzer des Konzerns waren Achmetow und Viktor Pinchuk. Achmetov hatte seine Karriere als „Gewaltunternehmer” in Donezk begonnen, was konkreter bedeutet: Er erpresste Schutzgeld, boxte und betrog als Hütchenspieler. Achmetow steuert den „Donezker Clan”.

Pinchuk wiederum, Anführer des “Dnjepropetrowsker Clans”, ist mit neun Milliarden Dollar Vermögen der zweitreichste Mann des Landes und Schwiegersohn von Leonid Kutschma. Als Kriworischstal veräußert wurde, saß Kutschma auf einem nicht ganz unwichtigen Posten: Er war Präsident der Ukraine – und ihr Diktator.

Nach der Orangen Revolution im Winter 2004 und dem demokratischen Machtwechsel zu Präsident Wiktor Juschtschenko erklärte ein Kiewer Gericht das Geschäft für ungültig. Der Stahlkonzern wurde abermals verkauft, diesmal für 4,8 Milliarden Dollar, und brachte der Ukraine auf einen Schlag mehr Geld als alle früheren Privatisierungen zusammen. Für kurze Zeit schien ein großes Reinemachen möglich. Die neue Ministerpräsidentin Julia Timoscheno versprach, sie werde den Verkauf von 3000 Staatsunternehmen überprüfen. Auch sechs Konzerne, die Achmetow erworben hatte, standen auf ihrer Liste, die es vielleicht tatsächlich gab.

Julia Timoschenko
Julia Timoschenko

Dass ausgerechnet die einstige „Gasprinzessin” die Betrügereien aufdecken wollte, hatte Charme. Der Buchautor Matthew Brzezinski nannte sie die „Elf-Milliarden-Dollar-Frau”, weil die Oligarchin Timoschenko – damals in den wilden neunziger Jahren natürlich – fast ein Viertel des ukrainischen Bruttoinlandsprodukts kontrolliert habe. Zudem stand sie Pawel Lasarenko nahe. Der frühere Ministerpräsident, der in seiner Amtszeit (1996 bis 1997) 200 Millionen Dollar veruntreut haben soll, wurde 2006 in den USA zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Weltbank zählt ihn zu den zehn besonders korrumpierten Menschen der Welt.

“Die Elf-Milliarden-Dollar-Frau” als Reinigungskraft

Zu einer Reprivatisierungswelle ist es nicht gekommen. Der Machtkampf zwischen Timoschenko und Präsident Juschtschenko, der schon Monate nach der Revolution ausbrach und bis heute andauert, hat die Aufklärung verhindert. Geblieben sind auch viele Zeugen und Akteure dieser Skandalzeit. Bisweilen dienen sie dem Staat in ziemlich hohen Positionen.

Wie viele Milliarden Dollar der ukrainische Staat bei der Trennung von seinem Besitz verbrannt hat, ist nicht bekannt. Auch Mark Rachkevych von der Kyiv Post weiß es nicht. Er schreibt, genauso ungewiss sei, um wie viel besser es den Ukrainern heute ginge, wenn die wichtigsten nationalen Unternehmen transparent verkauft worden wären. Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow nennt das, was der Westen für Kiewer Chaos hält, “ein gut kontrolliertes Schachspiel: Die Politiker sind die Figuren, die Oligarchen die Spieler”. Kurkow, ein eleganter Zyniker, sieht in Achmetow und Pinchuk sogar Stützen der Ukraine, weil Oligarchen wie sie “Stabilität für ihre Geschäfte brauchen. Solange die Ökonomie in deren Händen liegt, wird das politische Theater im Lande keine ernsthaften Auswirkungen haben”.