Schlagworte: Unfall

Mut zur Krücke

ODESSA, UKRAINE Ich verspreche, dass dieses selbstreferenzielle Gestammel bald ein Ende haben wird. Leider spüre ich noch immer die Folgen des Unfalls mit der Marschrutka auf dem Weg nach Kiew vor fast zwei Wochen. Gerade komme ich vom Krankenhaus Nr. 11, genauer gesagt: vom Traumatologen, einem Kumpel meines Schönheitschirurgen Valentinowitsch. Valentinowitsch hatte mir eine Audienz einen Termin besorgt, weil mein linkes Unfallbein – vorsichtig ausgedrückt – nicht heilt.  Die vergangenen Tage bin ich nur auf dem rechten Bein gehüpft, dessen Knöchel nun auch blau ist. Ich fuhr mit dem Taxi zum Krankenhaus und humpelte 150 Meter zur Aufnahme. Die Traumatologie war noch einmal 200 Meter entfernt. Ich fragte nach einem Rollstuhl. Zwei Ärzte und drei Schwestern schauten mich fassungslos an. Der Arzt sagte: “Wir verdienen hier so wenig, da werde ich Ihnen nicht helfen.” Die Frau, die mich die letzten Meter des Wegs gestützt hatte, erwiderte: “Meine Mutter liegt hier seit einem Monat, ich weiß, was Ihr verdient. Erzählen Sie mir nichts.”

Der Arzt ging nach draußen zum Rauchen. Manchmal treiben mich die Menschen in diesem Land in den Wahnsinn.

Ich bin, unterbrochen von einigen Verschaufpausen, zur Traumatologie gehumpelt. Borisowitsch diagnostizierte schnell einen Muskelriss und verschrieb mir Krücken, die ich für umgerechnet acht Euro in der Apotheke gekauft habe. Er will bis Freitag warten und mir dann vielleicht einen Gips verpassen. Seine Kollege hat mir freundlicherweise noch die Krücken zusammengeschraubt und eingestellt, ohne Schmiergeld von mir zu nehmen.

So sehen meine Krücken aus:

Neues vom Schönheitschirurgen

ODESSA, UKRAINE Das glaubt mir doch wieder keiner. Ich komme gerade vom Schönheitschirurgen Valentinowitsch, der sich schon am Sonnabend so rührend um mein Unfallbein gekümmert hatte. Auf Valentinowitschs Tisch lagen drei Eintrittskarten für eine Miss-Wahl oder ähnliche Gala – wahrscheinlich das Geschenk einer glücklichen Ex-Patientin.

Valentinowitsch ist sehr zufrieden mit dem Genesungsprozess. Er tastete die lädierte Wade noch einmal gründlich ab, telefonierte mit einem Kollegen und empfahl dann Wodka.
“Trinken?”, fragte ich, weil ich Valentinowitsch nicht richtig verstanden hatte. “Rotwein wäre mir lieber.”
“Trinken können Sie den Wodka auch, schaden kann es nicht”, sagte mein Schönheitschirurg und grinste. “Ich meinte aber eigentlich: Wickeln Sie sich vor dem Schlafen eine Mullbinde mit Wodka ums Bein. Reiner Spiritus tut es natürlich auch.”

Am Sonnabend sehen wir uns wieder. Die nächsten zwei Tage muss ich mich noch spritzen, dann hat der Allerwerteste wieder Ruhe. Ich darf also zu Hause gesund werden, was im Grunde ein bisschen schade ist. Ich hatte mich so auf mein Krankenhaustagebuch aus der Privatklinik Into-Sana gefreut. Damit Sie sich vorstellen können, was Sie und ich verpassen – das hier, nur auf Ukrainisch:

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Polizeibericht: Deutscher Journalist verunglückt

ODDESSA, UKRAINE (blog) Der prominente deutsche Journalist und Kolumnist Christoph Wesemann ist bei einem Verkehrsunfall am Donnerstagmorgen auf der Autobahn zwischen Odessa und Kiew schwer verletzt worden. Über seinen Gesundheitszustand ist bislang wenig bekannt. Lebensgefahr besteht allerdings nach Auskunft seiner ukrainischen Ärzte nicht.

Wesemann hatte am Donnerstagmorgen einen Minibus bestiegen, um nach Kiew zu reisen, wo er an einer deutsch-ukrainischen Medienkonferenz teilnehmen sollte. Gegen 8.30 Uhr hielt der Fahrer auf der linken Spur, weil sich einige hundert Meter voraus im dichten Nebel ein Unfall ereignet hatte. Wenig später wurde der Bus von einem Mercedes gerammt und rutschte etwa zehn Sekunden lang über die eisglatte Straße. Wesemann begab sich sogleich in medizinische Behandlung setzte die Reise in die ukrainische Hauptstadt in einem anderen Bus heldenhaft fort und sprach gestern auch auf der Konferenz. Sein Zustand soll sich dann jedoch rapide verschlechtert haben. Wesemann hat für den frühen Abend eine Erklärung angekündigt.

Christoph Wesemann arbeitet seit Juni vergangenen Jahres als Journalist in Odessa und betreibt auch ein Weblog, eine Art Tagebuch im Internet. In Deutschland hat er sich vor allem als Kolumnist einen Namen gemacht. Der 30-Jährige schildert auf humorvolle Weise seinen Alltag in der Schwarzmeermetropole Odessa. Eine ständig wiederkehrende Figur in seinen Kolumnen ist ein gewisser Oleg.