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Axel im Wunderland

ODESSA, UKRAINE Ich will Ihnen nur rasch zeigen, in welch netter Ecke von Odessa ich meinen Freund Axel während seines Odessa-Besuchs einquartiert hatte. Ich meine ja, kolumnenhaltiger kann Luft kaum sein. Und ja, Axel redet noch mit mir. Er hat zum Beispiel einen feinen Reisebericht geschrieben. Darin geht es um michmichmich – und auch um dieses Odessa.

Am Nachmittag haben wir einen riesigen Wochenmarkt besucht, den sogenannten Priwos-Markt. Hier gibt es alles, was in Haushalt und Küche benötigt wird und Christoph hatte die Anweisung von seiner Frau bekommen, alles, was die Liebste für ein mehrgängiges Menü benötigte, zu bezahlen, wenn notwendig, Übersetzungshilfe bei den Marktweibern zu leisten und ansonsten keine dummen Fragen zu stellen.
Das ließ sich die Liebste natürlich nicht zwei Mal sagen und hat Unmengen Gemüse, Salat, Gewürze und Fleisch eingekauft. Meine Bedenken bezüglich der Unterbrechung der Kühlkette wurden von ihr ebenso in den Wind geschlagen, wie Christophs Einwand, eine solche Menge Essen könne man doch unmöglich von DIN-A-5-Tellern verspeisen.

DIN-A5-Tourismus – lesen! Das unverschämte Fazit – “fünf Tage Odessa reichen vollkommen aus” – sehen wir Axel mal nach. Zur Strafe werde ich der Stadtverwaltung melden, dass der rote Rostfleck auf den Fotos sein Auto ist.

Zweikönigstreffen

SCHWERIN, DEUTSCHLAND Puuh, hinter mir liegt ein Wochenendworkshop mit Axel, aber was tut man nicht alles, um die Qualität seiner Humorausdünstungen zu steigern? In diesem Fall: Gastvorträge zum aktuellen Stand der Kolumnenforschung und zum Einfluss von Twitter aufs Gewitter, Powerpointen-Referate, Kalauer-Contest zwischen Frühstück und Mittagessen, erbitterter Methodikstreit, Diskurswerfen, Textkritik auf Mikro-, Meso- und Makroebene, Vergleichsanalysen aller Art. Das Foto zeigt, wie Axel, nachdem wir aus diesem Stollen stundenlang Kolumnen abgebaut haben, ein paar Augenblicke verschnauft.

Axels Resümee steht hier.

Kolumne: Oleg und das hessische Entlein

ODESSA, UKRAINE Mein Freund Oleg hat eine Nacht mit Barack Obama sausen lassen – wegen Andrea Ypsilanti. Er war wohl zu erschöpft, um sich die amerikanische Präsidentschaftswahl anzuschauen, obwohl ich ihm vorher gesagt hatte, er verpasse ein historisches Ereignis und werde sich eines Tages ärgern, wenn die Enkel fragten: Opa Oleg, wie war das damals, als die Welt farbenblind wurde?
„Oleg, willst du dann von der Bayernwahl mit Axel und dem Untergang der CSU erzählen? Ich glaube nicht, dass die Kleinen begeistert sein werden, wenn sie hören: An Obamas Triumph erinnere mich nicht – aber ich weiß alles über Horst Seehofer!”
„Im Prinzip sind beide schwarz”, sagte Oleg.
Das war am Dienstagmittag. Danach ist er untergetaucht.

Mit Roland Koch auf einer einsamen Insel

Ich glaube, er ist – trotz alledem – immer noch ein bisschen verliebt in Andrea Ypsilanti, das hessische Entlein. Natürlich verstehe ich, dass es viele Gründe gibt, Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die politische Rente zu wünschen. Einerseits würde ich ihn nicht auf eine einsame Insel mitnehmen – aus Angst, wir könnten verhungern, weil der Mann alles abschiebt, was ihm nicht schmeckt. Andererseits kenne ich kluge Leute, die Koch als Chef erleben und von ihm schwärmen, weil er nie brüllt.

Ich habe einen Trick, um herauszufinden, ob ich einen Politiker mag oder nicht: Ich überlege, ob ich gern sein Sohn wäre, ob es mich störte oder mir gefiele. Wegen erwiesener Lässigkeit würde ich Gerhard Schröder (vier Ehen in 40 Jahren), Helmut Schmidt (2508 Zigaretten am Tag) und Friedrich Merz (ein Moped, irgendwann einmal) als Erzeuger anerkennen. Natürlich, ich hätte auch gern einen liberalen Vater – aber Guido Westerwelle … nun ja.

Mit Rinat Achmetow auf Lesersuche

Da ich in Odessa lebe, sehe ich mich hin und wieder auch unter den ukrainischen Politikern um. Müsste ich mich für einen Produzenten entscheiden, fiele meine Wahl auf Rinat Achmetow. Gegen den Oligarchen und Parlamentarier aus Donezk hätte ich schon wegen des vermutlich großzügigen Taschengelds nichts. Eine ruhige und unkündbare Stelle bei der Zeitung Segodnya, die ihm bekanntlich gehört, entspräche durchaus meinem Arbeitseifer. Und ich hätte dank Papas Schützenhilfe sogar ein sehr erfolgreiches Blog. Don(ezk) Achmetow, der Pate aus dem Osten der Ukraine, nuschelte einfach hin und wieder vor sich hin: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.” Schwupps, stünde ich in jeder Linksammlung und bekäme eine Menge Besuch, wahrscheinlich müsse ich sogar anbauen aus Platzmangel.

Als Sohn von Roland Koch wäre ich mindestens zweimal mit dem Kamm des Alten und meinem Kopf zum Vaterschaftstest marschiert: das erste Mal 1998, nachdem Papa die hessische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft erfunden hat, das zweite Mal, als er im Landtagswahlkampf im Januar 2008 schrie, Deutschland habe „zu viele kriminelle junge Ausländer”.
Ich verstehe also, dass man Roland Koch weghaben will. Dass man deshalb Andrea Ypsilanti verfallen muss, verstehe ich nicht.

Mit Olegs Mama in der Kantine

Gestern habe ich Olegs Mama getroffen, allerdings glaube ich nicht, dass es Zufall war. Sie wartete in der Kantine unweit des Büchermarks, in der ich oft zu Mittag esse, saß an dem Tisch, den ich bevorzuge, und hatte mir schon eine Cola hingestellt. Sie nannte ihren Namen, wünschte guten Appetit und schaute mich finster an.
„Hör mal, Kolumnistchen“, sagte sie, „ich mache mir Sorgen um Oleg.”
„Was ist los?”
„Wer ist diese Andrea?”
„Ach, Andrea, die ist doch nichts für die Ewigkeit”, sagte ich und löffelte weiter meinen Teller Borschtsch.
„Aber sie hat meinem Sohn das Herz gebrochen.”
Ich holte Olegs Mama einen Kaffee und mir ein Bier. Sie nahm einen Schluck. Ich nahm einen Schluck. Dann tauschten wir und schwiegen.

Ich habe ihr erzählt, dass Oleg von Andrea enttäuscht ist, weil sie nicht die Landesmutter von Hessen geworden ist. Er gibt ihr die Schuld, er hält sie für naiv, er meint, sie hätte die vier Parteifeinde auf die ukrainische Art überzeugen müssen, für sie zu stimmen. Oleg lehnt Gewalt natürlich ab, aber Geld als Druckmittel, Umschläge statt Schläge sozusagen, hält er durchaus für legitim.
„Da ist noch was, Kolumnistchen.”
„Ich höre”, sagte ich.
„Oleg führt Selbstgespräche, er nennt sich – warte, ich hab’s mir aufgeschrieben, Sekündchen, hier, schau -, er nennt sich Fischers Fritze und fischt frische Fische. Oder er redet vollkommen wirr.”
„Wirr?”
„Affeklammer”, sagte Olegs Mama.
„Hm.”
„Affeklammer, Affeklammer, Affeklammer.”
„Hm.”
„Fischers Fritze fischt frische Fische”, sagte sie.
„Hm. Und?”
„Nimmt mein Junge Drogen? Hat er sie von dir? Bist du ein Kolumnistenkiffer?”
„Seien Sie unbesorgt”, sagte ich. „Oleg lernt nur deutsch mit mir. Ich glaube, er will Axel überraschen, wenn die beiden sich das nächste Mal sehen. Vor ein paar Tagen haben wir eine neue Lektion angefangen. Es geht um den deutschen Büroalltag und um Sprichwörter.”
Olegs Mama atmete tief durch und verabschiedete sich. Ehe sie ging, drehte sie sich noch einmal um und rief: „Vergiss nicht, Axelchen von mir zu grüßen, aber verrat ihm nicht, dass ich ihm zu Weihnachten ein paar schöne – - – - – - stricke. Er ist ein молодец*!”

Mit Oleg am Telefon

Vor ein paar Minuten hat Oleg endlich das Telefon abgenommen.
„Wo steckst du?”, fragte ich.
„Tagesschau.de”, sagte Oleg. „Ypsilanti gibt die Kandidatur an Schäfer-Gümbel ab. Das war’s dann wohl.”
„Nein, ich will wissen, warum du dich versteckt hast.”
„Ich fand mich selbst nicht mehr witzig. Wenn ich alle anderen witziger finde als mich selbst, verkrieche ich mich und halte meine Klappe.”
„Denkst du nur an dich? Denkst du auch mal an mich? Meine Leser vermissen dich.”
„Ach Gott”, sagte Oleg, “das traurige Dutzend.”

*Prachtkerl

Kolumne: Oleg in der Gehirnjazze

ODESSA, UKRAINE Dieser verdammte Jazz ist an allem schuld. Nur deshalb will mein Freund Oleg Odessa verlassen, was für mich, da ich nun einmal in dieser Stadt lebe, ein bisschen ungünstig ist. Oleg hat sich verändert. Ich glaube, es ist ein Fehler gewesen, zunächst Axel als Urlaubsvertretung für mein Blog einzustellen, aber nicht zu bezahlen und dann auch noch Oleg bei ihm in Franken einzuquartieren, aber weder Taschengeld noch eine Flasche Wodka mitzugeben.

Wenn ich mir vorstelle, dass der Blogger K., der in Uganda lebt, zunächst mich als unbezahlte Aushilfe anheuerte, während er an der Ostsee fröhlich Möwen füttert, und mir dann auch noch seinen Kumpel vorbeischickte – nun, ich wäre auch ein bisschen verstimmt und würde Rache schwören. Vielleicht muss man verstehen, dass Axel keine andere Wahl hatte, als Oleg einer Gehirnjazze zu unterziehen. Ich zitiere aus Axels Beitrag Oleg Fiction vom 25. Oktober:

Vorgestern haben wir zusammen ein Konzert des berühmten Jazz-Schlagzeugers Wolfgang Haffner besucht. Oleg hat das sehr gut gefallen. Er war vorher noch nie auf einem Jazz-Konzert, dementsprechend verwirrt hat er sich immer umgeblickt, wenn nach einem Solo mitten im Lied applaudiert wurde. Nach dem dritten Mal hatte er es dann aber kapiert und auch mitgeklatscht. Ja gut, vielleicht ein wenig zu euphorisch, alle Zuschauer, einschließlich der Musiker sahen von Stund an verwirrt auf Oleg, was Oleg wiederum zu noch mehr Euphorie anstachelte – ein kleiner Teufelskreis nahm da bis zum Ende des Konzerts seinen Lauf. War Oleg aber egal.

Ich bin kein Jazzexperte, das gebe ich zu; ich besitze zwar das Köln Concert von Keith Jarrett, habe es aber noch nie angehört. Es liegt vor allem an dem Titelverzeichnis auf der Rückseite der Platte: Part 1, Part 2 a, Part 2 b, Part 2 c. Das klingt eher nicht nach Tanzmusik. Ich lasse mich von den so genannten Fachleuten gern berichtigen, aber ich kenne nicht einen glücklichen Jazzmusiker, glücklich im Sinn von: auf Anhieb mit sich und der Welt allzeit im Reinen. Nehmen wir nur einmal die Jazzlegende Charlie „Bird” Parker (1920-1955):

Parker war wahrscheinlich schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahr heroinabhängig (so Ross Russell). Oft wurde er wegen seines unberechenbaren Verhaltens auf der Bühne aus laufenden Spielverträgen entlassen, so dass er immer seltener feste Engagements bekam. So sah er seinen Stern seit etwa 1950 langsam, aber sicher sinken. Am 12. März 1955 starb Charlie Parker, geschwächt von Leberzirrhose, Magengeschwüren und einer Lungenentzündung, im New Yorker Hotel Stanhope in der Suite der Baroness Pannonica de Koenigswarter, einer Gönnerin schwarzer Jazzmusiker. Quelle: Wikipedia

Die Frage ist natürlich, ob das Leben so schwer ist, weil da unbedingt jemand jazzen muss, oder ob da jemand unbedingt jazzen muss, weil das Leben so schwer ist. Es muss jedenfalls einen Zusammenhang geben. Wie soll ein Musiker, der ständig improvisiert und variiert, wenn er Saxofon spielt, sein Dasein halbwegs im Takt halten? Es geht doch auch anders. Nehmen wir zum Vergleich einmal die Jetztlegende Dieter Günter Bohlen, geboren 13 Monate vor Parkers Tod:

In der ZDF-Show Unsere Besten wurde Bohlen 2003 in einer Zuschauerumfrage auf Platz 30 der „größten Deutschen” gewählt. Quelle: Wikipedia

Dieter Günter Bohlen kommt seit 30 Jahren mit einer Melodie aus und scheint nicht darunter zu leiden, wenn ich mir diese Ferndiagnose erlauben darf. Bohlen improvisiert und variiert allenfalls, wenn er an Frauen spielt.

Ein neuer Grökaz

Axel hat Oleg verjazzt. Oleg ist in eine sektenähnliche Abhängigkeit geraten. Seine Sätze beginnen mit: “Laut Axel ist…” Er verachtet mich, meine Musik, meine Gedanken und vor allem, was besonders schmerzt, meine Kolumnen. Für ihn ist Axel jetzt, was bislang ich gewesen bin: der Humorführer, Grökaz, der Größte Kolumnist aller Zeiten. Axel sei witziger als ich, meint Oleg, klüger, bescheidener, geistreicher, vertrauenswürdiger, höflicher und charmanter. Er könne besser trinken, tanzen, kochen, singen, Auto fahren, lieben.

Ich habe mir das jetzt zwei Tage angehört, ich dachte, es wäre nicht so schlimm. Heute Morgen habe ich mich sogar mit einem ziemlich großen Axelfoto vor den Spiegel gestellt und mich auf einen Attraktivitätsvergleich eingelassen. Oleg hat alles sehr genau analysiert: Frisur (so weit noch oder jemals vorhanden), Augen, Nase, Mund, Männlichkeit und Ausstrahlung. Obwohl das Foto bestimmt bearbeitet worden war, habe ich das Ergebnis nicht angefochten. Ich wollte keinen Krach. Ich überhöre ja auch, dass Olegs Rrrrussisch neuerdings fränkisch gefärbt klingt. Er spricht wie Lothar Matthäus nach drei Jahren Verbannung als Trainer von Luch Wladiwostok.

Die Sache mit den F-Wörtern

Zehn Minuten später musste ich mich aber verteidigen.
„Außerdem ist er nicht so verklemmt wie du”, sagte Oleg.
„Ich bin nicht verklemmt. Wie kommst du darauf?”, fragte ich.
“Weißt du nicht mehr, was Axel bei dir über den RAF-Terroristen Andreas Baader geschrieben hat?”
“Ach so, ja, du meinst die beiden F-Wörter.”
“Welche F-Wörter?”, schrie Oleg.
“-icken und -otze.”
“Siehst du”, sagte Oleg.

Ich habe ihm erklärt, Axel sei nicht aus der Welt, er ernähre sich gesund, schreibe regelmäßig Kolumnen und werde deshalb noch mindestens 40 Jahre leben. Ich wollte Oleg beruhigen. Er aber war kurz davor, mich zu würgen.

„Es geht doch gar nicht um mich, du Idiot”, schrie er abermals. „Ich weiß nicht, wie Axel es ohne mich aushalten soll – bis Heiligabend.”

[Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus diesem Blog kümmert sich Axel übrigens wieder verstärkt um seine Projekte. Wer ihn besuchen will, muss nur hier oder hier klicken]

Urlaubsvertretung

ODESSA, UKRAINE Ich verziehe mich für eine Woche in den Urlaub und vertraue meinem geschätzten Kollegen Axel dieses Blog an. Er hat versprochen, dass er gelegentlich die Post holt, den Müll runterbringt, lüftet und den Hungrigen ein paar frische Leckereien in den Kühlschrank hinstellt. Mehr weiß ich nicht. Falls er eine Kreativkrise hat, wovon ich nicht ausgehe, schicken Sie ihn bitte in den Keller. Dort stehen Gläser mit eingeweckten Texten, die ich eigentlich erst im Winter öffnen will. Aber im Notfall soll Axel den Staub wegpusten und das Zeug aufmachen.
Ich habe ihm gesagt, er müsse aufpassen, dass er sich nicht mit Hitleritis ansteckt. Ich muss erst noch desinfizieren. Rufen Sie den Onkel Blogtor, falls Sie bei Axel Beschwerden entdecken.
Bitte benehmen Sie sich. Ich will keine Klagen hören, wenn ich zurückkomme. Danke. Wird schon. Trotzdem wird Axel, der Tiger Woods der Blogosphäre, die Kommentare erst freischalten. Im Gefängnis gibt es nämlich keinen Golfplatz.
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=a6obqCMtRt0[/youtube]

Ja, ich bringe was Schönes aus dem Urlaub mit.

Kolumne: Über Schurkenblogs

ODESSA, UKRAINE Mein Freund Oleg hat mich vorhin umarmt, ziemlich lange und innig sogar, ich glaube aber, dass es ihm ein bisschen unangenehm war, er musste sich bestimmt überwinden. In der Öffentlichkeit umarmen sich Männer eigentlich nur, wenn sie nicht mehr nüchtern sind oder im Fußballstadion stehen. Meistens kommt beides zusammen. Die Ausnahmen sind älter und haben einen Bauch als Panzer. Oleg aber ist sportlich. Er war also sehr tapfer.

„Und wegen der Nudeln rückst du mir so auf die Pelle?”, fragte er danach.

20 Blogger, 20 Meinungen

Wir hatten uns am Strand verabredet, ich brauchte Ruhe und wollte das Rauschen der Wellen hören. Ich bin mit den Nerven runter, seit ich mich zu lange mit der Blogosphäre beschäftigt habe, es ist alles zu viel für mich. Bei jedem Thema, das ich im Internet nachschlage, stoße ich auf mindestens 20 Meinungen und 20 Blogger, manchmal gibt es sogar mehr Meinungen als Blogger. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass sich die Stimmen sinnvoll ergänzen, aber vielleicht darf man das auch nicht erwarten, wenn Oberlehrer aufeinander treffen. Der eine manipuliert, der andere kopiert, noch ein anderer spioniert, recherchiert und ejakuliert, was der eine manipuliert und der andere kopiert. Solche Sachen lese ich jeden Tag. Ich weiß nicht mehr, wem ich noch glauben kann.

Ich bin beim Arzt gewesen, ich wollte mich krankschreiben lassen und den Schein bei WordPress Deutschland abgeben, ich kann ja nicht einfach unentschuldigt am Arbeitsplatz fehlen – jedenfalls nicht länger als drei Tage. Ich kenne doch die Kollegen. Nehmen wir nur mal Axel. Klar, Axel ist ein feiner Kerl, er hat Oleg bei der Bayernwahl geholfen, er vergisst nie meinen Geburtstag und hilft mir auch, wenn ich die Technik nicht begreife. Trotzdem würde er bei den Kollegen rumerzählen: „Unser Kolumnist in Odessa macht gerade blau, also, wenn ihr mich fragt: Der ist ausgebrannt, klassisches Burn-out-Syndrom, der bringt’s nicht mehr. Bis zur Rente schafft es unser Sensibelchen nie und nimmer.”

Ärzte und die Ehrfurcht vor Durchfall

Ich habe dem Arzt in Odessa natürlich nichts von den Nerven erzählt. Er ist Allgemeinmediziner. Männern dieser Fachrichtung kommt man besser nicht mit den Nerven. Einem Allgemeinarzt hatte ich vor vielen Jahren etwas von Schlafstörungen erzählt, um eine Krankschreibung für die Prüfung zu erhalten. „Sie müssen die Augen zumachen”, hatte er gesagt und gelacht. Seitdem habe ich Durchfall, wenn ich eigentlich etwas mit den Nerven habe. Allgemeinmediziner haben eine tiefe Ehrfurcht vor dem Durchfall, ich glaube, sie diagnostizieren nichts so gern wie Magen-Darm-Infektionen.

Mein Arzt sagte: „Sie haben sich irgendwo was eingefangen, eine Magen-Darm-Infektion ist unangenehm. Aber ich kann Sie trotzdem nicht krankschreiben, Sie sind kein Ukrainer.” Kaum hatte ich die Praxis verlassen, rief ich Oleg an und bat ihn, mit mir am Strand zu spazieren.

„Oleg, du weißt, ich bin Pazifist”, sagte ich und warf einen Stein ins Schwarze Meer. Plopp. „Ich habe den Dienst an der Waffe verweigert, bin aber auch nicht ausgemustert worden, wie mancher vermutet, wenn er mich sieht. Ich respektiere die Meinungsfreiheit, obschon sie bisweilen Gesülze produziert, ich verurteile Zensur und lasse mich auch beschimpfen, wenn ich so jemanden befriedigen kann. Das Internet ist eine tolle Errungenschaft. Sie bricht die Meinungshoheit einer Clique von Journalisten.”
„Komm zur Sache, Kolumnist”, sagte Oleg.
„Mein Pazifismus stößt an Grenzen. Schurkenblogs müssen besetzt werden. Wenn ich die Macht hätte, würde ich den Einmarsch befehlen. ”
„Wenn die Schurken in Odessa sind, könnte ich vielleicht was machen. Was brauchst du?”
“Humor”, sagte ich. “Wenigstens Selbstironie sollte der Sünder haben – also jedermann. Stammt von Wilhelm Busch.”
“Die Kunst des Zitierens ist die Kunst derer, welche unfähig sind, selbst nachzudenken”, sagte Oleg. “Voltaire.”

Der Nudels Kern

Ich habe Oleg erzählt, was geschähe, wenn ich an dieser Stelle schriebe, Nudeln seien das scheußlichste Gericht der Welt, ganz gleich, auf welche Weise man sie esse. Spätestens am nächsten Tag, vermutlich aber schon früher, würde mich der Blogger von http://der-nudels-kern.de mehr als al dente kochen und mir vorwerfen, dass die Wahrheit viel komplizierter sei: „Es gibt nicht die Nudel.” Die einzige Möglichkeit, angemessen zu reagieren, wäre Schweigen. Nichts wäre verheerender als der Kommentar: „Ich schreibe nun mal nicht für Nudelisten, sondern für Menschen.” Eine solche Verteidigung würde eine Diskussion auslösen, an deren Ende ich den Spitznamen „Ulknudel” verliehen bekäme und fortan ein Lieblingsfeind im Blog wäre. Würde ich mich zwei Wochen später in irgendeiner Form, vielleicht nur am Rande, über Strudel äußern, stünde Minuten später im Nudel-Blog: „Guckt mal, Ulknudel, äußert sich heute über Strudel.”

Dann umarmte mich Oleg.

„Du brauchst dringend Urlaub, Kolumnist”, sagte er. „Ich empfehle eine halbwegs einsame Insel, auf der es keine Nudeln gibt.”
„Was hältst du von Rügen?”, fragte ich.
„Keine Nudeln?”
„Ich glaube, keine Nudeln.”
“Dann fahren wir morgen los.”
“Du kommst mit, Oleg?”
“Nein, nein, du setzt mich bei Axel ab. Wir müssen doch die Bayernwahl auswerten”, sagte er. “Lass uns deinen Kolumnistenklamottenkoffer packen. Ich borge mir alles von Axel.”