Schlagworte: Honorarkieg

Gegendarstellungskolumne: Das sagt Oleg

ODESSA, UKRAINE Guten Tag, ich heiße Oleg, Oleg Sergejewitsch, um genau zu sein, ich bin der Freund des Kolumnisten. Bitte erwarten Sie nicht, dass ich die Verhandlungen über den Wert meiner Zitate ausgiebig kommentiere. Mit der Kolumne “Ich leg Oleg um” ist die Öffentlichkeit ausreichend informiert. Nach wie vor finde ich, dass eine Entschädigung von einer Griwna für jedes Wort, das aus meinem Mund in seinen Text wandert, angemessen ist.

Ich sehe das Ganze gelassen. Ich würde auch nie von einem „Honorarkrieg” sprechen, wie es mein Freund tut, wenn wir verhandeln. Gestern hat er einen Zettel in meinen Briefkasten geworfen, auf dem stand: „Heute Abend wieder Friedensgespräche STOP Honorarkrieg muss beigelegt werden STOP Trifft immer Unschuldige STOP Jeden Tag neue Opfer STOP Blogleser wollen Ende der Gefechte STOP Gruß, der K.”

Ich denke, ich bin klar im Vorteil, ich habe ja schon sein Odessa-Blog erobert. Ein Diktatfrieden zu meinen Gunsten ist wahrscheinlich.

Ich bin kein Erpresser. Aber ich weiß ein paar Dinge, die dem Kolumnisten durchaus schaden dürften, wenn sie publik würden. Ich drohe jetzt mal ein bisschen, noch ganz harmlos, ja? Können Sie sich vorstellen, dass er sich, wenn er eine Kolumne vollendet hat, auf die Schulter klopft? Bitte stellen Sie sich das vor, es stimmt nämlich. Meine alte Mitschülerin Irina arbeitet in dem Café, in dem der Kolumnist jeden Tag sitzt und schreibt. Er klopft sich auf die Schulter, selten dreimal, sehr oft viermal, hin und wieder auch fünfmal. Auf diese Weise verteilt er Sterne, wie Hotels sie verliehen werden, an sich selbst. Irina hat zu mir gesagt: „Also, besonders selbstkritisch ist er wohl nicht, der Mann.”

Sie hat mir auch erzählt, was der Kolumnist tut nach dem Schulterklopfen. Er verlasse das Lokal, als würde er übers Wasser laufen. “Er geht nicht, er stolziert mit seiner fertigen Kolumne hinaus auf die Straße und dreht sich nach allen Seiten um. Kann sein, dass er Angst hat, bestohlen zu werden.”

Ich bin nicht nur der Odessadeuter des Kolumnisten, sondern auch sein Problemlöser. Ob der Strom ausfällt, das Wasser im Bad eiskalt ist oder die Kolumnistenkarre nicht anspringt – Oleg Sergejewitsch hilft. Diese Leistungen berechne ich nie, obwohl er sich bloß noch bei mir meldet, wenn er Sorgen hat – oder eine Kolumne braucht. Ich lebe inzwischen sehr ausschließlich für ihn.

Ich habe mich ein wenig mit der Gattung “Kolumnist” beschäftigt, der es in Deutschland offenbar sehr gut geht. Der eine redet mit seinem Kühlschrank, der andere denkt sich einen erfolglosen jüdischen Schriftsteller aus, und meiner klopft sich eben selbst auf die Schulter. Was soll’s? Die meisten Kolumnisten haben einen Knall, und früher war es nicht besser. Kurt Tucholsky hatte fünf Synonyme und nannte sich unter anderen Theobald Tiger. Theobald Tiger! Muss ich mehr sagen? Die Kolumnistin Ulrike Meinhof ist sogar zur Terroristin geworden, aber die war ja auch nicht witzig.

Als Problemlöser meines Kolumnisten habe ich viel zu tun. Zum Beispiel hat er vor ein paar Wochen schlecht geschlafen und geschnarcht, also lauter geschnarcht als sonst, denn er schnarcht immer, wofür er womöglich gar nichts kann. Vielleicht ist das Schnarchen eine Berufskrankheit unter Kolumnisten. Vielleicht macht das ständige Um-die-Ecke-Denken beim Schreiben als Nebenwirkung die Nasenscheidewände krumm. Vielleicht laufen alle Kolumnisten weltweit mit verkrümmten Nasenscheidewänden herum und grunzen deshalb wie Wildschweine. Die Atemblockade würde auch ihren Frauenverschleiß erklären.

Mein Kolumnist ist ein Anfänger, er schreibt erst seit ein paar Wochen diese Geschichten im Odessa-Blog. Seine Schlafgeräusche stecken gewissermaßen im Anfangsstadium und sind wohl noch erträglich. Vorerst habe ich ihm nur ein neues Bett besorgen müssen, aber ich halte mich bereit, weil er doch verkündet hat, er werde die Schwergewichte dieser Disziplin herausfordern und eines Tages schlagen. Für sein Schnarchen wäre das freilich verheerend. Natürlich würde ich ihm dann schwerhörige Frauen zuführen. Ich bin doch sein Freund.

Mit freundlichen Grüßen
Oleg Sergejewitsch
Odessa, 22. August 2008

PS: Ich denke, der Kolumnist und ich werden uns in den nächsten Tagen einigen.

Aus dem Russischen von cw