Apropos Präsident

KRIM/ODESSA, UKRAINE Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch. Hoch! Hoch! Hoch! Mein Ständchen kommt ein bisschen spät, weil ich erst heute Morgen zur Lektüre der Montagsausgabe der Zeitung Segodnya gekommen bin. Aber ich will doch nicht versäumen, dem ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Kutschma herzlich zum 70. Geburtstag zu gratulieren.

Kutschma, Staatschef von 1994 bis 2005, feierte am Sonnabend auf der Krim. Von einem rauschenden Fest zu sprechen, würde der Feier nicht gerecht werden. Es wäre ungefähr so, als würde man den Mann einen Freund der Presse oder einen unbestechlichen Politiker nennen. Man könnte seine Vergangenheit in diesen beiden Punkten so zusammenfassen: Für sich hat er gesorgt, den Journalisten Heorhih Gongadse hat er entsorgt. Es gibt jedenfalls gewisse Vorwürfe, die Kutschma freilich immer zurückgewiesen hat.

Die Party kostete nach Angaben von Segodnya vier Millionen Dollar. Noch Fragen? Gäste waren natürlich die unvermeidlichen Klitschko-Brüder. Aber wo sind die Boxriesen eigentlich nicht? Ich kann mich an keinen Kampf erinnern. Haben die überhaupt jemals geboxt, oder sind sie einfach so ins Fernsehen geraten? Sie haben Kutschma ein 40 Kilogramm schweres Buch mit Aufnahmen Muhammed Alis geschenkt, von dem es nur 100 Exemplare gibt. Der 70. Geburtstags Kutschmas war das Medienereignis des Sommers. Schon Wochen vorher hatten Zeitungen ganzseitig über den Stand der Vorbereitungen berichtet.

Ich war übrigens nicht eingeladen, ich hoffe jetzt auf den 75. Geburtstag des Ex-Präsidenten. Dann werde ich live bloggen, das ist ja gerade schwer in Mode. Der Kollege Jens Weinreich hat das mit der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele fabelhaft vorgemacht.

Nehmen Sie sich also für den Abend des 9. August 2013 schon mal nichts vor. Ich melde mich dann live von der Krim.

Nachtrag, 13. August: Falls jemand den verlinkten Beitrag der Segodnya schon zweimal übersetzt hat und noch immer das Wort “Skandal” sucht oder die Frage, wie Herr Kutschma solch ein Fest für vier Millionen Euro bezahlen könne, empfehle ich, die Suche einzustellen.

4 comments

  1. hh heimat

    Sehr geehrter Herr Wesemann.

    Als Politiker hat man es nicht leicht. Als Osteuropäischer Politiker hat man es erst recht nicht leicht. Man muss mit dem Generalverdacht leben, nur an sich selbst zu denken, nur in die eigene Tasche zu wirtschaften.
    Und nun will der Herr Kutschma seine 70. Geburtstag mal etwas festlicher begehen will. Und Sie Herr Wesemann hegen sofort Verdacht, hauen auch noch kräftig in die osteuropäische Politikerwunde.
    Wenn die liebe Frau Merkel, wie Sie schreiben, 261500 Euro im Jahr verdient, dann scheint Ihnen das in Ordnung.

    Herr Kutschma war 11 Jahre Präsident. 11 Jahre für die Ukraine.

    Nehmen wir nun mal an, nur um Ihrem „Indiewundehauen“ ein wenig gerecht zu werden, der Herr Kutschma hätte in seinen 11 Jahren als Präsident für ukrainische Verhältnisse gut gelebt:
    550,00 Euro / Monat für die Miete, also eine gute Wohnung,
    50,00 Euro / Monat für das Telefon, also eine gute Flatrate,
    200,00 Euro / Monat für das Auto, da kann man was Gutes leasen,
    150,00 Euro / Monat für die Krankenkasse, gut für die Gesundheit,
    400,00 Euro / Monat fürs Essen, gute Sachen kann man da kochen,
    100,00 Euro / Monat für Kleidung, da sieht man gut aus
    139,60 Euro fürs Restaurant, da kann man mit den Klitschkos gut Essen gehen.

    Das ergibt 1589,60 Euro im Monat.
    Das ergibt 19075,20 Euro im Jahr.
    Das ergibt 209827,20 Euro in 11 Jahren.

    Und der etwas festlicher gestaltete 70. Geburtstag: 4000000 US$.
    Das ergibt 4000000/ca.1,50 = 2666667 Euro.

    So Herr Wesemann, bald kommen wir auf den Punkt:

    Der Herr Kutschma hatte also in 11 Jahren harter Arbeit etwa
    209827,20 + 2666667 = 2876494,20 Euro ausgegeben.

    Und Herr Wesemann, und nun kommt der Punkt:

    Das ergibt 2876494,20 / 11 Jahre = 261499,47 Euro im Jahr.

    Da hat die liebe Frau Merkel eindeutig mehr.
    Und würde die liebe Frau Merkel etwas besser haushalten, könnte sie ihre runden Geburtstage auch etwas festlicher gestalten.

    Bleibt also nur Ihr berechtigter Verdacht, dass die Klitschkos sich einschleimen wollen, um weiterhin mit Herrn Kutschma ins Restaurant zu dürfen.

  2. cw

    @ hh heimat: So habe ich das noch gar nicht gesehen, ich finde Ihre Rechnung aber absolut einleuchtend. Ich danke für die Einweisung in sauberer journalistischer Recherche. Da bleibt mir wohl eine Entschuldigung bei Herrn Kutschma nicht erspart. Andererseits fürchte ich ohnehin jeden Tag, umgelegt zu werden. Der Geheimdienst muss doch langsam auf mich aufmerksam werden.

    Wenn ich Sie richtig verstehe, muss ich alsbald Merkels Rücktritt fordern. Ich denke, das ist machbar. Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, lege ich mich gern mit großen Tieren an.

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