Der ukrainische Patient

ODESSA, UKRAINE Spiegel-Online rechnet heute mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko ab. Der Autor Alexander Schwabe beschreibt, wie der Held der Orangen Revolution seinen Ruf Stück für Stück ruiniert hat. Juschtschenko habe die politischen Krisen seit seinem Amtsantritt 2005 nicht genutzt, um Stärke zu zeigen und Macht zu gewinnen. Vielmehr sei er jedes Mal als Verlierer hervorgegangen. Der Präsident widme sich überdies mehr dem Kleinkrieg mit Premierministerin Julia Timoschenko als den Problemen des Landes: Korruption, Inflation und Oligarchenherrschaft. Stellenweise liest sich der Text wie ein Krankenbericht. Der Juschtschenko hat einerseits vier Jahre nach dem Giftanschlag wieder ein deutlich menschlicheres Antlitz. Sein Körper ist mittlerweile wieder nahezu sauber. Andererseits gab es unterhalb des Bauchnabels einen relativ schweren Eingriff. Juschtschenko ist der “kastrierte Präsident”.

Sonderlich originell sind solche Abstecher in die Medizin sicher nicht mehr. Aber immmerhin liefert Spiegel-Online zwei wunderhübsche Anekdoten.

Der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seiner Premierministerin geriet zum Possenspiel. Der Plot bot einiges: Außer der Parlamentsblockade die Beschlagnahmung eines Regierungsflugzeugs und peinlich inszenierte Telefonate:

  • Als Timoschenko Anfang Oktober zu ihrem russischen Kollegen Wladimir Putin nach Moskau fliegen wollte, war das von ihr reservierte Regierungsflugzeug unauffindbar – Juschtschenko hatte es kurzerhand für einen Inlandflug unter Beschlag genommen, ohne sie zu informieren. Als die Ministerpräsidentin schließlich mit einem slowenischen Charterflugzeug in Moskau ankam, spöttelte Putin, so sei es, wenn “Taschendiebe” Flugzeuge klauten.
  • Jüngst ließ Timoschenko die Presse eigens in ihr Büro kommen, um den Präsidenten vorzuführen. Um zu demonstrieren, wie wenig der Präsident sich in der prekären Lage um das Wohl des Landes kümmere, griff sie genüsslich zum Hörer im Wissen darum, dass Juschtschenko nicht abheben würde, weil er vergrätzt war. Mehr

3 comments

  1. Theobald Tiger

    Der Patient ist aber nicht allein der Präsident, sondern mit ihm das ganze Land- und eigentlich ist das ja seit 1991 so.

    Wahrscheinlich hat sich die Ukraine an die Rolle des “Dauerpatienten” inzwischen gewöhnt, der Ruf des Landes ist ohnehin längst ruiniert.
    EU-Beitritt ? Das ist mittlerweile eine aussichtslose Sache geworden.

  2. Tonya

    Nichts ist eine aussichtslose Sache. Alles ist immer nur eine Frage der Zeit. Auch in der Ukraine wird die Zeit kommen, da es eine stabile Regierung gibt. Dann kann es immer noch zu einem EU Beitritt kommen.

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