Hauptstadt von Absurdistan

ODESSA, UKRAINE Ach, muss das toll gewesen sein in der ausverkauften Oper. Hätte ich doch bloß die angebotenene Eintrittskarte genommen. Alle waren da, der Gouverneur des Bezirks Odessa, hohe Verwaltungsfunktionäre, Wirtschaftsbosse und auch sonst alles, was Rang und Schulden Namen hat. Es wurden schließlich Ukrainer wegen ihrer besonderen Verdienste geehrt.

Bitte fragen Sie mich nicht, wer alles wofür womit ausgezeichnet worden ist. Selbst Anwesende haben es nicht verstanden. Es gab Urkunden und Orden vom Präsidenten, vom Gouverneur und vom Oberbürgermeister. Im Dreißig-Sekunden-Takt wurden mehr als 50 Leute geehrt. Dann folgte ein sehr umfangreiches Kulturprogramm. Es traten, angekündigt von einer scharfen Blondine, Volksmusiker und Volkstänzer auf, eine Boygroup und Solisten, bisweilen auch kaum Definierbares, nennen wir es: kühne Kunst. Der ganze Spaß dauerte mehr als zwei Stunden. Ein Augen- und Ohrenzeuge aus Deutschland sagt: “Herrlich absurd war das! Diese Mischung aus Tradition und Spuk hat mich an meine Zeit in Weißrussland erinnert.”

Übrigens war die Veranstaltung überraschend vorgezogen worden, weil der Gouverneur sonst nicht gekommen wäre. Erst abends wurde bekanntgegeben, dass der Festakt schon am nächsten Tag stattfinden würde und nicht, wie geplant, am übernächsten. “Ich möchte mal wissen, wie die es hinbekommen haben, dass der Stall trotzdem voll war”, sagt eine Deutsche, die in Odessa lebt. “Mich hat die Frau angerufen, die mir die Karte besorgt hatte. Aber die war vorher auch nur angerufen worden.”

Meine Lieblingskünster sehen Sie übrigens auf dem letzten Foto. Die Dame in dem schlecht sitzenden Kostüm und die Herren ringsum sind Rampensäue, die jeden Augenblick im Scheinwerferlicht genießen.

Film und Fotos: Herr Professor K. aus Deutschland. Danke.

5 comments

  1. hhheimat

    Bevor ich die Kunst beurteilen kann: Eine bitte um Nachfrage bei Profesor K.:
    War der schlafende Posaunist mit der Bühne verschraubt?

  2. Christoph Wesemann

    Der Menschenrechtsbeauftragte der Oper Odessa teilt auf Nachfrage mit: keine Schrauben, nur Klebstoff unter den Sohlen.

    Ich glaube, der Posaunist lebt gar nicht; der ist nur eine Puppe.

  3. cw

    @Theobald Tiger: Die scharfe Blondine steht auf dem zweiten Foto links. Ich übernehme für die Schärfe keine Garantie. Sie soll aber ziemlich atemberaubend gewesen sein: braungebrannt, vollbusig, rotes Abendkleid. Ein Lichtblick in einer sonst eher trüben Veranstaltung.

    Ich schaue später noch mal, ob ich ein schärferes Foto von ihr habe.

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