Auf dem Friedhof

ODESSA, UKRAINE Eine emerierte Professorin aus Deutschland hatte mir erzählt, auf dem Friedhof Nr. 2 gebe es Mafiagräber, bewacht von Männern in pistolenartig ausgebeulten Hosen und Jacken. Ich bin zwei Stunden lang alles abgelaufen, Mafiagräber aber habe ich nicht entdeckt. Auf vielen Steinen steht, was die Person im Diesseits getan hat, die Verdienste und Ämter werden angeführt. Alles ist sehr transparent. Die Mafia macht das leider nicht.

So habe ich nur zwei Ratten¹ gesehen, eine Menge Müll, hin und wieder ein Feuerchen, weil Abfälle überall verbrannt werden, ungewöhnliche Blumenvasen, die letzte Ruhestätte von Fußballern, Künstlern, Rennfahrern, Professoren und Politikern, von denen verdächtig viele in der wilden Zeit Mitte des Landes der neunziger Jahre hierhin umgezogen sind. Wenigstens weiß ich jetzt, wie mein Grab einmal aussehen wird. Ein bisschen Extravaganz soll schon sein:

Jemand hatte mir erzählt, auf dem Friedhof Nr. 2 sei die Verbrecherdichte sehr hoch. Praktischerweise liegt das Gefängnis nur fünf Minuten entfernt, und als ich dort durch einen Spalt hinein zu schauen versuchte, öffnete sich sogleich die schwere Schiebetür.

¹ nicht sinnbildlich gemeint

7 comments

  1. Iris

    Hey, du hast ja sogar das Grab vom ersten Trainer der Fußballnationalmannschaft der Ukraine gefunden (zumindest der unabhängigen Ukraine). Irgendwie muß 2009 das Jahr der Friedhofsbesuche sein. Ich war dieses Jahr hier in Kiew auch schon auf 3 Friedhöfen. Der von Lvov ist übrigens auch sehr interessant!

  2. cw

    @Sebastian: Oh Schreck, wie peinlich, ich habe doch extra noch gegoogelt. Danke. Ruhe kann man finden, etwas weg Hauptweg gibt es die. Hin und wieder knattern aber die Motorroller der Friedhofsmitarbeiter lang. Die Leute fahren auch gern mit dem Auto bis ran ans Grab.

    @Iris: Das Grab ist direkt auf dem Hauptweg. Außerdem wollte ich doch als Kind Fußballkommentator werden.

  3. Axel

    Was hält eigentlich die Grabsteindame mit dem ausgeprägten Doppelkinn (die in der linken Hand Rosen hält) in ihrer rechten Hand?
    Es sieht so aus, als würde sie eine Kartoffel zerquetschen.

  4. Eva Skrypnik

    Hi Christoph, vor einem Monat und einem Tag war ich auch auf diesem Friedhof, bin stundenlang rumgelaufen und habe die besondere Atmosphäre aufgenommen. Das Grab, das ich gesucht habe, habe ich leider nicht gefunden, die Hilfsbereitschaft des “Friedhofpersonals” war auch nicht gerade überwältigend. Beeindruckend fand ich die Verkehrsmittel, die dort herumrasten. Und ein riesiges, neueres Monument, das Grab eines Kindes, wenn ich mich recht erinnere namens Makarenko. Hat es mit dem Pädagogen zu tun? Ich muss da jedenfalls nochmals hin und weitersuchen…keinen Mafioso übrigens.

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