Kategorie: Leser-Blog-Bindung

Mail an den ukrainischen Präsidenten

ODESSA, UKRAINE Da hätte ich fast vergessen, dem Präsidenten, einem Stammgast dieses Blogs, zu gratulieren. Wiktor Juschtschenko hat nämlich Geburtstag. Ich habe ihm mit meinem Touristenrussisch gerade eine Mail geschickt:

Für alle, die die russische Sprache noch schlechter beherrschen als ich, liefere ich mal die Übersetzung – oder gegebenfalls das, was ich habe ausdrücken wollen:

Verehrter Präsident, lieber Wiktor Andrejewitsch,

verzeihen Sie bitte, dass ich auf Russisch schreibe. Ich arbeite als deutscher Journalist schon neun Monate in Odessa. Aber mein Ukrainisch ist immer noch auf dem Niveau der ukrainischen Infrastruktur. Ich möchte Ihnen – auch im Namen der Leser meines Weblogs – zum 55. Geburtstag gratulieren. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg in Zeiten der Krise.
Vielleicht treffen wir uns ja mal, ich würde mich freuen.

Hochachtungsvoll
Christoph Wesemann

Mitglied der Internationalen Journalisten-Föderation

http://christoph-wesemann.de

Juschtschenko braucht ein bisschen Zuspruch. Nicht einmal sein engstes Umfeld weiß, wo er seinen Geburtstag feiert. Dabei sieht es gut für ihn aus. Die Zeitung “Segodnya” hat einen Astrologen befragt, wie Juschtschenkos durch das Jahr 2009 kommen wird. Angeblich verdient er mehr als in den vergangenen Jahren zusammen. Er bleibt im Amt und übernimmt dann eine große Bank. Überdies sagen die Sterne, dass er eine „eiserne Gesundheit” hat und die restlichen fünf Prozent Dioxin aus seinem Körper verschwinden.

Wären da nur nicht die Politiker. Dmitrij Tabatschnik von der oppositionellen Partei der Regionen würde Juschtschenko gern die Rentengesetzgebung schenken, “weil ich hoffe, dass dieses Gesetz an seinem nächsten Geburtstag das einzige sein wird, das er noch braucht”.

Ich schlage vor, dass, wer will, Wiktor Juschtschenko im Kommentarbereich einen kurzen Geburtstagsgruß überbringt – auf Russisch, Ukrainisch, Deutsch oder Englisch. Der Präsident wird hier sicher vorbeischauen, und dann freut er sich bestimmt.

Auch für Klugscheißereien, was meine Mail betrifft, ist unten Platz.

Politikerbeschimpfung

Weil das erste Mal so schön gewesen ist:

Vergiß die Politik, lies keine Zeitung, hör kein Radio, schlag den Fernseher ein, stell ein Farbporträt von Mao oder Fidel hinein, laß dich nicht verarschen, geh nicht ins Netz, geh nicht wählen, sag nein zur Demokratie, geh nicht auf Demos, tritt keiner Partei bei, verkauf deine Stimme nicht den Sozialdemokraten, beteilige dich nicht an der Diskussion über das Parlament, sag nicht “Mein Präsident”, unterstütze nicht die Rechten, unterschreib keine Petitionen an den Präsidenten – das ist nicht dein Präsident, wink nicht dem Gouverneur, wenn du ihn auf der Straße siehst, du wirst ihn sowieso nie auf der Straße sehen, geh nicht auf Kandidatenpartys, du hast keinen Kandidaten, vergiß die Gewerkschaften – sie nutzen dich aus, sag nein zur nationalen Wiedergeburt, dich hängen sie als ersten auf, du bist ihr Feind, ihr Jude, ihr Schwuler, du bist ihr Faschist und Bolschewist, du störst ihren Politikbetrieb, störst ihre Absprachen, ihre frisierten Fernsehratings, du störst sie dabei, dich zu verarschen, das Internet zu kontrollieren, Wahlkämpfe zu gewinnen, die Demokratie aufzubauen, Kundgebungen zu veranstalten, das Parteileben zu ordnen, die Sozialdemokraten zu bekämpfen, Gesetze zu blockieren, den Volkspräsidenten an die Macht zu bringen – ein Volk braucht einen Volkspräsidenten! sich mit den Rechten zu einigen, eine Petition an den Präsidenten, an den Volkspräsidenten, auf den Weg zu bringen, den Gouverneur an den Eiern zu packen [...] Die Politik ist käuflich, Zeitungen und Radio sind käuflich, die Glotze – die Wahrheit über die Glotze kennst du selbst! Mao ist tot, Fidel ist tot, laß dich nicht verarschen. Das Netz wird kontrolliert, die Wahlen sind käuflich, die Demokratie ist tot, das Parlament käuflich, der Präsident käuflich – du hast überhaupt keinen Präsidenten [...] denk nicht an Politik, in der Zeitung – alles Verräter! im Radio – Verräter! im Fernehen – Verräter! Mao – ein Verräter!, Fidel – ein verdammter Verräter! im Netz – nur Schwule und Verräter! bei den Wahlen – Verräter! Die Demokratie spitzelt, das Parlament spitzelt! der Präsident – ein Verräter, das ist nicht dein Präsident! die Rechten, der Gouverneur, der Kandidat – Verrrääääääter!

Serhij Zhadan: Anarchy in the UKR, Frankfurt am Main 2007, S. 57-59.

Scheiße am Äquator

Allen, die bisweilen an der Ukraine leiden, vor allem also der klugen Leserin Nataliya und mir, spendet Serhij Zhadan, großer Schriftsteller des Landes, Trost:

Make-up mag ich auch nicht, ekliges Zeug, Make-up, aggressiv, riecht schlecht, Parfüm kann ich nicht ausstehen, trinken, okay, aber sonst – keine Böcke; Ringe, Ohrstecker, Badges – alles respektlos, finde ich zumindest. Früher hat mir so was nichts ausgemacht, überhaupt habe ich früher viele Dinge einfach nicht bemerkt, das Leben ist schon komisch – je näher du dem Äquator kommst, desto mehr Scheiße schwimmt um dich rum, schwimmt und geht nicht unter, aber andererseits ist es so irgendwie auch interessanter.

Serhij Zhadan: Depeche Mode, Frankfurt am Main 2007, S. 47f.
Ein Porträt im Deutschlandradio Kultur: Reise durch Absurdistan

Ein Sonnabend in Odessa

ODESSA, UKRAINE Ich würde gern wieder etwas schreiben, leider ist das unmöglich. Meine Brille ist kaputt, ich sehe so gut wie nichts. Nachher diktiere ich meiner Sekretärin die entsprechende Kolumne. Schauen Sie sich doch bitte so lange die Fotografien an, die heute Morgen beim Spaziergang durch Odessa entstanden sind. Oder lesen Sie, um sich vorzubereiten auf die zweite Brillenkolumne, abermals die erste Brillenkolumne vom 4. September: Meine Brille gehört mir. Ich taste mich jetzt zum Optiker.

Park vor dem Bahnhof
Park vor Odessas Bahnhof
Bahnhof
Odessas Bahnhof
Zwischen den Zügen

Blick aus dem Wartesaal
Blick aus dem Wartesaal auf die Gleise
Gemüsehändler auf dem Markt Privos
Gemüsehändler auf dem Markt Priwos

Blick auf den Priwos
Blick auf den Priwos

Hinter dem Priwos

Wie heißt d@ auf Russisch?

Da Sie von der schweren Kost der vergangenen Tage so tüchtig genascht haben, belohne ich Sie jetzt mit einem Gewinnspiel. Wie heißt das @-Zeichen auf Russisch? Ausgeschlossen sind der Rechtsweg und Verwandte des Blogbetreibers. Bei mehreren richtigen Antworten entscheide ich, wer gewinnt. Vielleicht lose ich, mal sehen. Der Gewinner bekommt jedenfalls eine Kaffeetasse mit den Wahrzeichen der Stadt Odessa und darf wählen, ob sie benutzt oder unbenutzt sein soll; es gibt ja auch Bloggergroupies.

Schicken Sie Ihre Antwort an christoph [punkt] wesemann [klammeraffe] gmail [punkt] com.

[Ich entschuldige mich für das Wortspiel in der Überschrift. Wenn mal einmal anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Das ist eine K@tenreaktion.]

Nachtrag, 21 Uhr: Ein junger Mann aus Berlin hat mir soeben, 15 Minuten nach Veröffentlichung, das richtige Lösungswort geschickt. Ich habe ihm schon eine Kaffeetasse versprochen – aber das bleibt eine Ausnahme. Ich bin ja kein Oligarch.

Nachtrag, 24. November: Was halten Sie davon, wenn wir die Spielregeln ein bisschen ergänzen? In die Verlosung schaffen es nun auch die amüsantesten @-Wortspiele. Axel und ich starten außer Konkurrenz. Bringen Sie mir Ihre Sch@ze. Schw@zen Sie den Kommentarbereich voll. Denken Sie nur mal an den deutschen Abwehrspieler, der bei Real Madrid so oft auf der Bank sitzt, oder an das Oberhaupt der Familie Feuerstein.