Schlagworte: Ukraine

Regierung am Ende

ODESSA/KIEW, UKRAINE Die prowestliche Regierung der Ukraine ist am Ende. Die Präsidentenpartei Unsere Ukraine hat die Zusammenarbeit mit dem Block von Ministerpräsidentin Julia Timoschenko für beendet erklärt. Staatschef Wiktor Juschtschenko sagte gestern in Kiew, im Parlament habe sich “de facto eine neue parlamentarische Koalition gebildet”.

Auslöser für den Bruch ist der Streit um die Russland-Politik nach der Krise im Kaukasus.  Der Block hatte in der Nacht zu Mittwoch mit der Opposition für ein Gesetz gestimmt, dass die Rechte des Präsidenten einschränkt und Timoschenko mehr Macht gibt. Juschtschenko verurteilte die Entscheidung in einer Fernsehansprache als “politischen und verfassungsrechtlichen Putsch”. Timoschenko forderte die Präsidentenpartei zur Rückkehr auf. “Sie haben zehn Tage ohne Ultimaten, ohne Forderungen, ohne Provokationen, um sich wieder an der demokratischen Koalition zu beteiligen”, sagte sie. Auch sie hielt eine Fernsehansprache.

Im Dezember könnte es zu Neuwahlen kommen. Juschtschenko hat bereits angekündigt, das Parlament aufzulösen, sollte sich nicht in den nächsten 30 Tagen eine neue Koalition finden. Möglich erscheint aber auch, dass Timoschenkos Block künftig mit der pro-russischen Partei der Regionen von Ex-Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch regiert, zumal die Mehrheit sehr stabil wäre. Janukowitsch hat eine solche Koalition nicht ausgeschlossen. Experten glauben, dass ein Zusammengehen der beiden Lager die Spaltung des Landes beenden könnte. In der Ukraine gibt es erbitterten Streit um die politische Ausrichtung. Bürger im Osten und im Süden sehen mehrheitlich die Zukunft in der Nähe Russlands und lehnen eine Nato-Mitgliedschaft ab; im Westen dominieren die Befürworter einer Annäherung an Europa und das Verteidigungsbündnis.

Das Verhältnis zwischen Juschtschenko und Timoschenko, einst Verbündete in der Orangenen Revolution 2004, gilt schon lange als zerrüttet. Während die Regierungschefin nach wie vor sehr populär ist, verliert der Staatschef zunehmend den Rückhalt im Volk. Der Kaukasuskonflikt hat die Spannungen offenbar noch einmal verschärft. Timoschenko hatte den Angriff Russlands auf Georgien – anders als Juschtschenko – zunächst nicht verurteilt, sondern beharrlich geschwiegen. Später dementierte sie allerdings Gerüchte, sie suche auf diese Weise bewusst die Nähe zu Moskau und den pro-russischen Kräften in der Ukraine um Ex-Regierungschef Janukowitsch, um Unterstützung für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf zu bekommen.  Juschtschenko griff Timoschenko scharf an und unterstellte ihr einen “Putschversuch”. Beide Politiker geben sich gegenseitig die Schuld am Ende der Koalition.

Kriegstechnik, die begeistert

ODESSA, UKRAINE Ich bin froh, dass in meinem Blog nichts Böses über Russlands Präsident Ministerpräsident Wladimir Putin steht. Ich habe noch mal nachgeschaut – nichts gefunden. Gut, die Unendliche Geschichte in vier Teilen könnte man als Kritik auffassen, aber man müsste schon böswillig sein. Ich bin ein Freund des russischen Volkes, ich habe schon mit achtzehn Jahren Fjodor Michailowitsch Dostojewski gelesen, und zwar alles und freiwillig. Putin und den anderen, seine Marionette, seinen Nachfolger im Kreml, bewundere ich natürlich auch.

Ich habe heute Morgen in Odessa die Militärparade zum Unabhängigkeitstag der Ukraine (24. August 1991) gesehen und muss sagen: Falls jetzt die Russen hierher kommen, weil sie nach dem Krieg Besuch in Georgien noch ein bisschen Sprit in den Panzern haben, würde ich mich nicht unbedingt auf die ukrainische Landesverteidigung verlassen. Ich bin kein Militärexperte, aber ich behaupte, dass mancher deutsche Schützenverein nicht viel schlechter ausgerüstet ist. Habe ich schon erwähnt, dass Gaspadin Wladimir Wladimirowitsch Putin unter allen demokratischen Politikern der Welt mein Favorit ist?

Gegendarstellungskolumne: Das sagt Oleg

ODESSA, UKRAINE Guten Tag, ich heiße Oleg, Oleg Sergejewitsch, um genau zu sein, ich bin der Freund des Kolumnisten. Bitte erwarten Sie nicht, dass ich die Verhandlungen über den Wert meiner Zitate ausgiebig kommentiere. Mit der Kolumne “Ich leg Oleg um” ist die Öffentlichkeit ausreichend informiert. Nach wie vor finde ich, dass eine Entschädigung von einer Griwna für jedes Wort, das aus meinem Mund in seinen Text wandert, angemessen ist.

Ich sehe das Ganze gelassen. Ich würde auch nie von einem „Honorarkrieg” sprechen, wie es mein Freund tut, wenn wir verhandeln. Gestern hat er einen Zettel in meinen Briefkasten geworfen, auf dem stand: „Heute Abend wieder Friedensgespräche STOP Honorarkrieg muss beigelegt werden STOP Trifft immer Unschuldige STOP Jeden Tag neue Opfer STOP Blogleser wollen Ende der Gefechte STOP Gruß, der K.”

Ich denke, ich bin klar im Vorteil, ich habe ja schon sein Odessa-Blog erobert. Ein Diktatfrieden zu meinen Gunsten ist wahrscheinlich.

Ich bin kein Erpresser. Aber ich weiß ein paar Dinge, die dem Kolumnisten durchaus schaden dürften, wenn sie publik würden. Ich drohe jetzt mal ein bisschen, noch ganz harmlos, ja? Können Sie sich vorstellen, dass er sich, wenn er eine Kolumne vollendet hat, auf die Schulter klopft? Bitte stellen Sie sich das vor, es stimmt nämlich. Meine alte Mitschülerin Irina arbeitet in dem Café, in dem der Kolumnist jeden Tag sitzt und schreibt. Er klopft sich auf die Schulter, selten dreimal, sehr oft viermal, hin und wieder auch fünfmal. Auf diese Weise verteilt er Sterne, wie Hotels sie verliehen werden, an sich selbst. Irina hat zu mir gesagt: „Also, besonders selbstkritisch ist er wohl nicht, der Mann.”

Sie hat mir auch erzählt, was der Kolumnist tut nach dem Schulterklopfen. Er verlasse das Lokal, als würde er übers Wasser laufen. “Er geht nicht, er stolziert mit seiner fertigen Kolumne hinaus auf die Straße und dreht sich nach allen Seiten um. Kann sein, dass er Angst hat, bestohlen zu werden.”

Ich bin nicht nur der Odessadeuter des Kolumnisten, sondern auch sein Problemlöser. Ob der Strom ausfällt, das Wasser im Bad eiskalt ist oder die Kolumnistenkarre nicht anspringt – Oleg Sergejewitsch hilft. Diese Leistungen berechne ich nie, obwohl er sich bloß noch bei mir meldet, wenn er Sorgen hat – oder eine Kolumne braucht. Ich lebe inzwischen sehr ausschließlich für ihn.

Ich habe mich ein wenig mit der Gattung “Kolumnist” beschäftigt, der es in Deutschland offenbar sehr gut geht. Der eine redet mit seinem Kühlschrank, der andere denkt sich einen erfolglosen jüdischen Schriftsteller aus, und meiner klopft sich eben selbst auf die Schulter. Was soll’s? Die meisten Kolumnisten haben einen Knall, und früher war es nicht besser. Kurt Tucholsky hatte fünf Synonyme und nannte sich unter anderen Theobald Tiger. Theobald Tiger! Muss ich mehr sagen? Die Kolumnistin Ulrike Meinhof ist sogar zur Terroristin geworden, aber die war ja auch nicht witzig.

Als Problemlöser meines Kolumnisten habe ich viel zu tun. Zum Beispiel hat er vor ein paar Wochen schlecht geschlafen und geschnarcht, also lauter geschnarcht als sonst, denn er schnarcht immer, wofür er womöglich gar nichts kann. Vielleicht ist das Schnarchen eine Berufskrankheit unter Kolumnisten. Vielleicht macht das ständige Um-die-Ecke-Denken beim Schreiben als Nebenwirkung die Nasenscheidewände krumm. Vielleicht laufen alle Kolumnisten weltweit mit verkrümmten Nasenscheidewänden herum und grunzen deshalb wie Wildschweine. Die Atemblockade würde auch ihren Frauenverschleiß erklären.

Mein Kolumnist ist ein Anfänger, er schreibt erst seit ein paar Wochen diese Geschichten im Odessa-Blog. Seine Schlafgeräusche stecken gewissermaßen im Anfangsstadium und sind wohl noch erträglich. Vorerst habe ich ihm nur ein neues Bett besorgen müssen, aber ich halte mich bereit, weil er doch verkündet hat, er werde die Schwergewichte dieser Disziplin herausfordern und eines Tages schlagen. Für sein Schnarchen wäre das freilich verheerend. Natürlich würde ich ihm dann schwerhörige Frauen zuführen. Ich bin doch sein Freund.

Mit freundlichen Grüßen
Oleg Sergejewitsch
Odessa, 22. August 2008

PS: Ich denke, der Kolumnist und ich werden uns in den nächsten Tagen einigen.

Aus dem Russischen von cw

Juschtschenko spendet Gehalt

Ich habe mir zuletzt ein paar Erregungen gestattet, ausgelöst von gewissen Widrigkeiten in der Ukraine. Jetzt bringe ich eine gute Nachricht, also zurücklehnen und genießen: Der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko hat nach der Flutkatastrophe im Westen des Landes (38 Tote) sein Augustgehalt für die Beseitigung der Schäden im Gebiet Iwano-Frankowsk gespendet. Dies meldet Lenta.ru. Im Dorf Kriworiwnja muss eine Schule wieder aufgebaut werden.

Und falls Sie jetzt einen Kommentar schreiben wollen, um die Summe zu erfahren, die der Staatschef locker gemacht hat, weil Sie glauben, sein Gehalt müsse doch bekannt sein, Angela Merkels Verdienst (261500 Euro pro Jahr) sei schließlich auch kein Staatsgeheimnis – sparen Sie sich die Mühe. Ich weiß es nicht. Lenta.ru weiß es nicht. Womöglich weiß es Wiktor Juschtschenko, ich würde aber eher nicht darauf wetten. Vielleicht wird es publik, wenn der Präsident am Jahresende eine Spendenquittung fürs Finanzamt braucht.