Kolumne: Oleg und die Gänsefüßchen

ODESSA, UKRAINE Manchmal ist mein Freund Oleg ein bisschen arg begriffsstutzig. Woran das liegt, weiß ich nicht, wahrscheinlich bin ich selbst nicht der Hellste, sonst wüsste ich es bestimmt. Gestern Abend hat er mich wieder besucht.
„Kommst du, um dich zu entschuldigen?”, fragte ich.
„Nee, wieso?”
„Ich habe Sonnenbrand”, sagte ich.
„Es gibt Sonnencreme und Sonnenschirme.”
„Sonnenbrand kann sehr unangenehm sein.”
„Und was kann ich dafür?”, fragte er. „Gib mir mal bitte einen Teller Pelmeni.”

Gesundheitspfad am Strand

Ich erinnere mich gut. Am vergangenen Donnerstag hatte ich beschlossen, übers Wochenende wegzufahren. Ich würde am Montagmorgen in einer Pension mit Blick aufs Meer aufwachen. Montag war Feiertag in der Ukraine; offiziell, um genau zu sein, war der Feiertag zu Ehren der Verfassung bereits am Sonntag. Aber wenn in der Ukraine ein Feiertag aufs Wochenende fällt, ist der Montag grundsätzlich frei. Ich hatte mir am Donnerstagmorgen eine Reiseroute ausgedruckt, im Internet eine Pension gefunden und das Auto getankt. Dann kam Oleg zum Abendessen vorbei.
„Schon was vor am Wochenende, Kolumnist?”, fragte er und schaufelte einen Löffel Pelmeni in seinen Mund.
„Ich verreise.”
„Würd’ ich nicht machen”, sagte Oleg und kaute. „Die Pelmeni sind nicht schlecht, kannst du öfter kochen.”
„Mein Auto ist doch wieder legal.”
„Weiß ich, stand doch im Blog, dass du mit der Kolumnistenkarre nach Kutschurgan gekutscht hast. Hattest ganz schön die Hosen voll, oder? Ich würde trotzdem nicht fahren.”
„Das Auto ist legal!”
„Das Wetter wird aber beschissen”, sagte Oleg.
„Ist denn auf den ukrainischen Wetterbericht Verlass?”, fragte ich.
„Auf den ukrainischen Wetterbericht ist genauso viel Verlass wie auf alles Ukrainische. Aber das ist nicht der Punkt.”
„Was ist denn der Punkt?”
„Am Tag der ,Verfassung’”, sagte Oleg und zeichnete mit den Zeige- und Mittelfingern beider Hände unsichtbare Gänsefüßchen in die Luft, „am Tag der ,Verfassung’, übrigens auch am Tag davor und danach, ist das Wetter immer mies. Meistens regnet es, weil der Himmel weint.”
„Wieso sagst du eigentlich ,Verfassung’?”, fragte ich und setzte Anführungsstriche, wie es Oleg getan hatte.
„Ich versteh nicht.”
„Wieso sagst du ,Verfassung’ und nicht Verfassung?”
„Sehr witzig, hat die Ukraine eine Verfassung?”
„Du meinst also, ich soll zu Hause bleiben?”
„Drei Tage Regen, Sonnabend, Sonntag, Montag, kannst dich auf mich verlassen.”

Oleg, so viel weiß ich jetzt, ist kein Verfassungspatriot im engeren Sinne. Ich bin zwar auch keiner, aber ich kenne zumindest einige Deutsche, die es sind, also, ich kenne sie nicht direkt persönlich, eingefleischte Verfassungspatrioten wie Jürgen Habermas und Richard von Weizsäcker zählen eher nicht zu meinem Umgang, was vermutlich nicht nur am Altersunterschied liegt, sondern – siehe oben – auch ein bisschen an meinem Gehirnnebel. Ich hänge halt lieber mit Typen wie Oleg rum. In gewisser Weise verstehe ich ihn. Man braucht sich nur das Hickhack um die ukrainische Präsidentschaftswahl anzuschauen. Zunächst hatten 401 der 450 der Abgeordneten des Parlaments für den 25. Oktober als Wahltag votiert und sich auf die Verfassung berufen, um die Abstimmung vorzuziehen. Daraufhin klagte Staatsoberhaupt Viktor Juschtschenko vor dem Verfassungsgericht – und worauf berief er sich wohl? Genau. Er bekam Recht.

In der Verfassung steht, dass die Wahl am letzten Sonntag des fünften Amtsjahres des Präsidenten stattfinden muss. Allein diese Formulierung ist für mich intellektuell gar nicht fassbar. Als sei das nicht kompliziert genug, gibt es zum einen „unterschiedliche Interpretationen, auf welchen Termin dieser letzte Sonntag fällt”.  Zum anderen „ist umstritten, ob die Verfassung in ihrer jetzigen Form bereits anzuwenden ist, da die Wahlgesetzgebung während der Amtszeit des jetzigen Präsidenten geändert wurde”.
Nun wird wahrscheinlich – oder vielleicht, was weiß denn ich – am 17. Januar gewählt. Wer übrigens glaubt, die Parlamentarier hätten sich wegen des mutmaßlich schöneren Wetters für den Oktober und gegen den Januar entschieden, liegt falsch.

„Brauchst du Sonnencreme?”, fragte Oleg und füllte sich Pelmeni auf.
„Du hast gesagt, am Tag der Verfassung, am Tag davor und am Tag danach werde es regnen.”
Oleg schwieg, zuckte mit den Achseln und schmatzte.
„Du hast gesagt, der Himmel weine wegen der Verfassung.”
„Worauf willst du hinaus?”
„Es hat nicht geregnet am Verfassungswochenende, nicht ein einziges Mal, es war die ganze Zeit blauer Himmel, und das blöde Verfassungswochenende hat mir einen schönen Sonnenbrand verpasst”, sagte ich und fing auf einmal an zu schreien. „Ich hätte am Tag der Verfassung in einer wunderbaren Pension mit Meerblick aufwachen können, wie ich es geplant hatte – bis du kamst mit deinem Verfassungsdauerwolkenbruch.” Ich schrie sehr, sehr laut. „Weißt du, wie ich den Tag der Verfassung verbracht habe? Morgens bin ich zum Großeinkauf in den Supermarkt gefahren, nachmittags an den Strand, wo es so heiß war, dass ich jeder Fliege dankbar war, die ein bisschen Wind gemacht hat. Der Himmel hat nicht geweint, du Poetrologe.”
„Verfassung, Verfassung, Verfassung, ich höre die ganze Zeit Verfassung”, schrie Oleg.
„Ja und?”, schrie ich.
„Wovon redest du?”, fragte Oleg. Er schrie noch lauter, sein ganzes Gesicht war rot, es glühte wie mein Rücken. „Welche Verfassung?”

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Herzlichen Glückwunsch, Ukraine

Transparency International hat ein frisches Korruptionsbarometer veröffentlicht. Die Ukraine belegt mit einem Wert von 4,3 (0=überhaupt nicht korrupt, 5=extrem korrupt) den letzten Platz unter sieben GUS-Staaten sowie der Mongolei. Auch kein anderes der 69 untersuchten Länder erreicht diesen Wert. Befragt wurden zwischen Oktober 2008 und Februar 2009 weltweit mehr als 73000 Leute, in welchen Lebensbereichen die Korruption besonders stark zu spüren sei. In der Ukraine gab es vom 4. bis 12. November eine landesweite Befragung mit 1200 Bürgern.

Und hier sind die Ergebnisse der Ukraine:

Die Daten, die Transparency International erheben lässt, sind die Arbeitsgrundlage aller Korruptionsbekämpfer. Den Bericht samt Fragebogen gibt es hier zum Herunterladen.

Schlag den Staat

Nachgestellte Szene (fehlerhaft)

Die Handlung und die handelnden Personen dieser Geschichte sind fast frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig. Und die Überschrift ist auch fast geklaut – von dem hier nämlich.

ODESSA/KUTSCHURGAN, UKRAINE Zum Glück habe ich den Türöffner auf zwei Beinen, ich wäre ohne ihn verloren. Der Mann, ein ziemlich hoher ukrainischer Staatsdiener, hat in den vergangenen zwei Wochen viel telefoniert, um herauszufinden, wie ich mein Auto wieder legalisiere. Es ist illegal in Odessa. Ausländer, die ihr Auto nicht registrieren lassen, müssen es alle zwei Monate aus dem Land schaffen. In der Region Odessa genügt dafür eine Fahrt zur moldawischen Grenze und zurück. Ich habe es leider nie getan. Das Auto ist seit Mai 2008 am Schwarzen Meer. Recherchen, soweit sie in einem Land wie der Ukraine zumal für einen Ausländer überhaupt möglich sind, ergeben, dass ich mit einer Strafe zwischen 800 und 2000 Euro rechnen muss. Theoretisch könnte der Wagen auch beschlagnahmt werden. Genaues weiß auch mein Türöffner nicht. Es hänge möglicherweise vom Zöllner ab, der kontrolliere, sagt er.

Da ich nichts riskieren will, organisiert mein Beamtenfreund eines Nachmittags eine Konsultation in einer Behörde. Als wir dort ankommen, telefoniert er und sagt: „Mach mal bitte die Tür auf.” Eine Minute später öffnet ein Uniformierter. Wir laufen durch einen langen Flur. Links und rechts in den Büros wird sich offenkundig auch nicht unbedingt überarbeitet. Die Schreibtische sind leer. Nach hundert Metern schließt der Uniformierte eine Tür auf, und schon sind wir wieder an der frischen Luft – bloß auf der anderen Seite des Gebäudes. Irgendwann stehen wir vor einem anderen Beamten. Mein zweibeiniger Türöffner erklärt die Lage. Der Beamte schaut, ob mein Auto im Computer eingetragen ist, und findet nichts. Warum das so ist, weiß er nicht. Vielleicht bin ich vor 13 Monaten gerade noch eingereist, bevor an den ukrainischen Grenzen ein System eingeführt worden ist, in dem alle Autos gespeichert sind. Es wird eine Weile diskutiert, das Risiko kalkuliert und schließlich entschieden, es könne ohne Angst vor einer Beschlagnahme zur Grenze gefahren werden.
„Wann?”, frage ich.
„Jetzt”, sagen beide Männer gleichzeitig.

Fast hätte ich gar nicht fahren können. Am Mittag ist das Auto in der Garage nicht angesprungen. Die Batterie war tot. Ein anderer Bekannter, diesmal kein hoher Staatsdiener, kam vorbei, baute seine Batterie aus und wiederbelebte meinen Koma-Skoda. Als ich erzählte, ich hätte den Motor das letzte Mal im November oder Dezember gestartet, genau wisse ich das nicht mehr, schüttelte er nur den Kopf.

Mein Türöffner reicht mir seine Visitenkarte, die ihn als hohen Beamten ausweist, und sagt, ich solle sie in meinen Pass legen und anrufen, falls die Zöllner Probleme machten. Dann verabschiede ich mich und fahre mit meiner Begleiterin in Richtung Chişinău (Kischinau) zur moldawischen Grenze nach Kutschurgan.

Gaischnik bei der Arbeit (Archivbild aus Odessa)

Wir haben Odessa kaum verlassen, da werden wir an einem Kreisel von zwei Gaischniki angehalten, wie die Verkehrspolizisten der Staatlichen Autoinspektion (GAI, ukrainisch offiziell: DAI) vom Volk genannt werden.  Ich habe sie bereits vor mehr als einem Jahr kennen gelernt, als ich von Deutschland nach Odessa fuhr. Gaischniki sind berüchtigte Vergehenerfinder und Handaufhalter. Wenn sie eine Strafe aussprechen wollen, entdecken sie auch einen Grund – oder suchen sich einfach einen Raser wie damals bei mir. Die Berliner Zeitung schrieb einmal:

Ebenso zutreffend wäre es indes, die GAI als landesweites System staatlicher Willkür zu bezeichnen. In ihrer sowjetischen Blütezeit betrieb die GAI an jeder Kreuzung einen mit mindestens zwei Beamten besetzten Posten, an dem „slatkije bulotschki” verdient wurden, als „süße Brötchen” bezeichnete Bestechungsgelder. Wie alle sowjetischen Beamten arbeiteten die GAIschniki für einen Hungerlohn. Dass der Beruf des Verkehrspolizisten dennoch begehrt war und für einen Platz an einem GAI-Posten viel Geld floss, ist damit zu erklären, dass die Chancen der Beamten, sich ein Zubrot zu verdienen, fast unbegrenzt waren.

So nahm sich ein Verkehrspolizist das Recht, jeden Pkw-Fahrer anzuhalten und wegen tatsächlicher oder angeblicher Verstöße gegen die Verkehrsordnung zur Aufbesserung seines Gehalts zu zwingen. Die GAI hieß deshalb im Volksmund DAI! – „Gib!”. Und mancher GAIschnik kam auf diese Weise zu einem Eigenheim, wenigstens aber zu einer Datsche.

Nachdem sie Pässe und Führerschein studiert haben, entdecken die Gaischniki im Fahrzeugschein ein Problem: Mein TÜV ist schon im Oktober 2008 abgelaufen. Die Polizisten verwechseln den TÜV mit der Abgasuntersuchung, was aber nicht weiter nicht schlimm ist. Denn die ist auch abgelaufen. Sie schreien und drohen, sie würden das Auto beschlagnahmen. Meine Begleiterin zeigt ihnen das Dokument der deutschen Botschaft in Kiew, das ihr Schikanekontrollen ersparen soll, wie sie für Ausländer in der Ukraine üblich sind. Man solle ihr „Unterstützung, besonders in Fragen des Reisens, des Straßenverkehrs und der Grenzübertritte, gewähren”, heißt es. Die beiden Gaischniki schauen es an, lesen den ukrainischen Text, halten das Blatt gegen die Sonne, um die Echtheit des Stempels zu prüfen, und schauen danach auf mich. Es schmeichelt mir durchaus, dass sie sich vorstellen können, ich hätte das Botschaftsschreiben gefälscht.

Wir rufen ein paar Bekannte an, die in Odessa in hohen Positionen arbeiten und reichen das Telefon an einen der Polizisten weiter, vielleicht beeindruckt das ja. Es beeindruckt überhaupt nicht.
„Wären Sie eine echte Odessitin, wüssten Sie, was zu tun ist”, sagt der Gaischnik zu meiner Begleiterin und Verhandlungsführerin.
„Ich bin zwar keine echte Odessitin, aber ich verstehe trotzdem, was Sie meinen. Endlich sagen Sie’s.”
„Dann komm mal mit.”

Meine Begleiterin holt 100 Griwna, umgerechnet fast zehn Euro, aus dem Auto und geht zum Dienstwagen der Beamten. Der Gaischnik lehnt das Honorar allerdings ab und sagt, solch geringe Beträge nehme er nicht an, davon fühle er sich persönlich beleidigt. Genau so sagt er es: „Sie beleidigen mich persönlich.” Dann wünscht er eine „glückliche Reise”.

Ein Anruf bei der Werkstatt, in der ich mein Auto schon einmal reparieren lassen habe, ergibt, dass wir uns nicht fürchten müssen vor weiteren Kontrollen. Die Abgasuntersuchung sei eine deutsche Vorschrift, folglich gelte sie auch nur in Deutschland, sagt der Chef. „Aber wenn es dich beruhigt, kannst du eine ukrainische Untersuchung bekommen. Die brauchst du zwar nicht, aber vielleicht fühlst du dich dann besser.”

Erst vor einer Woche war ich bei ihm gewesen, weil der Türöffner meinte, ich solle mir zur Sicherheit für die Fahrt zu Grenze einen Schein ausstellen lassen, dass mein Auto ein Jahr kaputt gewesen sei. Der Werkstatt-Chef hatte daraufhin einen Fotografen angerufen, der bei ihm Kunde ist und einen Verkehrspolizisten kennt. Der Fotograf telefonierte, rief zehn Minuten später zurück und bestätigte, dass es Probleme geben könne und der Polizistenfreund von einer Fahrt nach Kutschurgan dringend abrate, so lange man dort keinen zuverlässigen Zöllner kenne.

Den Rest der Strecke bis zur Grenze, knapp 75 Kilometer insgesamt, schaffen wir ohne Probleme. Die Straße ist durchaus passabel, kaum Schlaglöcher, nur ein paar Wellen, links und rechts Weizenfelder, hier und dort ein paar Kühe und Ziegen. Viele Leute in dieser Region, einst Heimat deutscher Auswanderer, arbeiten in Odessa. Manchmal ist eine Viertelstunde lang kein Mensch zu sehen. Nicht anders sieht Vorpommern aus.

Vor der Grenze tauschen wir die Plätze, ich setze mich nach hinten und überlasse meiner Begleiterin das Steuer. Wir hoffen, dass die Zöllner bei einer Frau ein bisschen weniger auf das Auto schauen – und ein bisschen mehr auf – auf irgendetwas anderes. Zwei Kinder haben wir zur Sicherheit auch dabei. Im Journalismus gibt es den schönen Satz: „Tiere und Kinder gehen immer.” Gemeint ist: Geschichten über Tiere und Kinder lesen die Leute gern. Für uns sollen die Kinder die Zöllner nur etwas milde stimmen, falls es eng wird. Die Kleine wird angewiesen, auf Kommando ganz theatralisch zu weinen. Ich lese auf ihrem sechs Wochen alten Gesicht, dass sie verstanden hat und mitspielen wird.

Während die Pässe kontrolliert werden, streicht ein Zöllner ums Auto, entdeckt die abgelaufene Plakette am Kennzeichen und beginnt mit meiner Begleiterin ein Gespräch, lässt sich dann aber doch beschwichtigen. Links, in der anderen Kontrollspur, ist gerade ein moldawischer Rollerfahrer angekommen. Er trägt weder Helm noch Hemd. Eine Minute später ist er schon wieder weg. Auch wir dürfen ausreisen. Die Kleine braucht nicht zu weinen, tut es aber trotzdem.

Der moldawische Zöllner fragt, wohin wir fahren würden. Meine Begleiterin erzählt, wir wollten Freunde in Chişinău besuchen. Der Blick des Mannes sagt: Ja ja, deine Mudder.

Text zum Mitsingen

Er schickt uns zum Registrieren. Während abermals die Pässe durchgeschaut werden, schreit die Kleine plötzlich, obwohl ich nichts angewiesen habe. Als alles erledigt ist, fragt meine Begleiterin den Zöllner, ob er ein Café zum Verschnaufen empfehlen könne. Er glaubt natürlich nicht, dass wir Moldawien bereisen wollen, wir sind schließlich nicht die ersten Ausländer, die bei ihm ihr Auto wieder legal machen. Er sagt nur: „Kehren Sie besser gleich um. Hier gibt’s sowieso nichts.” Wir wenden noch vor dem letzten Kontrollpunkt und treffen gleich wieder auf den Moldawier, dem wir gerade noch etwas von Freunden in Chişinău erzählt haben. Er lächelt nicht, er grinst. Der zweibeinige Türöffner ruft an und fragt, wo wir steckten. Ich kann ihn beruhigen. Wir haben seine Visitenkarte niemandem zeigen müssen. Er ist darüber nicht unglücklich.

Die Ukrainer nehmen uns wieder auf. Die letzte Passkontrolle geschieht ohne Probleme. Während die Begleiterin die Emigrationskarten ausfüllt, wechsele ich der Kleinen die Windel. Wohl deshalb hat sie bei den Moldawiern so wild geschrien.

Erleichtert, geradezu glücklich, die Strafe gespart zu haben, darf das Auto in die Waschstraße. Dort ist es zuletzt vor 14, 15 oder 16 Monaten in Deutschland gewesen – so genau weiß ich auch das nicht mehr.

Kolumne: Mein Sohn und der Sandalismus

ODESSA, UKRAINE Ich habe die Kindergärtnerin meines Sohnes sehr, sehr glücklich gemacht. Um zu verstehen, wie viel mir das bedeutet, sollte ich vielleicht gestehen, dass sie meinetwegen gewöhnlich sehr, sehr unglücklich ist. Zuletzt haben ihr alle Schuhe meines Sohnes missfallen, sie fand sie mal zu klein, mal zu groß, dann zu warm oder zu ausgeleiert. Zwei Wochen lang beklagte sie sich bei mir. Ich stopfte Watte in die zu großen Blauen meines Sohnes und band die zu kleinen Braunen etwas lockerer. Doch dann hatte sie endgültig genug von meiner Schuhmelei, gab mir ihre Rabattkarte und schickte mich in das dazu passende Geschäft. Ich kann nicht sagen, dass ich erfreut gewesen wäre, es war eher so, dass ich gehorchte. Jeder Vater, ganz gleich welcher Nationalität, Religion oder sozialen Schicht, wird vor der Kindergärtnerin seines Sohnes zum Zwerg. Nachdem die Verkäuferin den Kolumnistenkinderfuß vermessen hatte, kaufte ich schöne, nicht gerade billige Sandalen und brachte meinen Sohn am nächsten Morgen mit einem beschwingten Gefühl in den Kindergarten.

Am Nachmittag hätte mich die Erzieherin fast erwürgt. Sie sagte, die Sandalen seien nicht nur viel zu groß, sondern auch viel zu schwer. Als ich Zwergenpapa, mich verteidigend, einwarf, wir seien in dem Laden gewesen, den sie mir empfohlen habe, schüttelte sie ihren Kindergärtnerinnenkopf und schwor, sie werde sich bei der Verkäuferin beschweren. Dann zeigte sie auf alle Kinderfüße, die gerade herumliefen, und sagte: „Sehen Sie, solche Schuhe müssen Sie kaufen! Solche, sehen Sie? Oder solche, die sind perfekt.”
„Und wo?”, fragte ich.
„Auf dem Priwos.”

Zwischen Irrgarten und Irrglauben

Dazu muss man wissen, dass Odessiten, wann immer man sie fragt, wo es etwas zu kaufen gebe, einen immer zuerst zum Priwos schicken, auf den Riesenmarkt in der Nähe des Bahnhofs. Dort braucht man ungefähr einen halben Tag, um drei Tomaten, ein Kilogramm Kartoffeln und ein paar Socken zu kaufen, weil man zuerst in diesem Irrgarten die Orientierung verliert und danach dem Irrglauben verfällt, Schnäppchen zu finden, in diesem konkreten Fall: besonders günstige Tomaten, Kartoffeln und Socken. Und derweil beginnen schon die Ohren zu schmerzen, weil die Marktfrauen pausenlos brüllen – je älter, umso lauter – und mit jedem zweiten Kunden in Streit geraten, wenn nicht gerade halbnackte Männer rumpelnde Handwagen durch die engsten Gänge schieben und sich mit dem Ruf „Осторожно! Ноги!”* den Weg freikrakeelen.

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(* „Vorsichtig! Füße!”)

Der Glaube der Odessiten an diese Marktwirtschaft ist durch nicht zu erschüttern. Neulich war die Dusche in meiner Wohnung undicht. Das Wasser sickerte unten hinaus und überschwemmte die Fliesen. Ich rief den Klempner, der eigentlich Elektroingenieur ist und die Dusche erst im März repariert hatte. Woher ich weiß, dass er eigentlich Elektromonteur ist? Nun, ich kenne ihn schon länger. Er war ein paar Tage vor Silvester 2008 in meiner Wohnung, um die Heizung zu reparieren. Zunächst hatte ich die Vermieterin angerufen, die wiederum ihren Sohn anrief, der dann aber nur kurz vorbeischaute, weil er 40 Minuten später seinen Zug in den Skiurlaub nach Slowenien besteigen musste. Wenigstens brachte er einen Mann mit, der nicht auf dem Weg in den Skiurlaub war: jenen Elektromonteur, der später mein Klempner werden sollte. Seitdem rufe ich ihn an, wenn ich Probleme habe in der Wohnung. Seine Visitenkarte ist die einzige, die am Kühlschrank klebt. Ich kenne auch keinen anderen Klempner oder Elektromonteur in Odessa.

Mein Klempner kam am nächsten Tag, sagte, er wisse schon, warum die Dusche diesmal kaputt sei, und brauche sich deshalb den Schaden gar nicht anzuschauen, er habe auch schon mit der Vermieterin telefoniert, dann pumpte er sich 65 Griwna von mir, sechs Euro umgerechnet, und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich fahre jetzt zum Basar, bin in eineinhalb Stunden zurück.” Zweieinhalb Stunden später klopfte er, schloss sich mit einer kleinen Tüte, aber ohne Werkzeug im Bad ein und kam nach einer 25 Minuten wieder heraus. Als Nachweis seiner Klempnerkunst ließ er den alten Abfluss vor der Toilette zurück. Dann verschwand er, um sich, wie er sagte, von meiner Vermieterin seinen Lohn zu holen, von der ich mir jetzt noch die 65 Griwna für den neuen Priwosabfluss holen muss. Der ist wirklich schick. Nur leider kann die Dusche noch immer nicht das Wasser halten.

Pumps für Einbeiner

Gestern war ich auf dem Priwos, um abermals Sandalen zu kaufen. Beim Anprobieren saß mein Sohn auf Pappkartons und schaute, wie eine obdachlose und offenbar alleinerziehende Katzenmutter ihr Baby stillte. Am Stand gegenüber lagen einzelne Hochhackige. Als ich die Verkäuferin fragte, ob sie davon leben könne, ob es also viele modebewusste Einbeinige in Odessa gebe, lachte sie laut und sagte: „Sie sind bestimmt Deutscher. Natürlich habe ich unterm Tisch auch den zweiten.  Ich will bloß nicht bestohlen werden.” In diesem Augenblick wäre ich vor Scham über meine Blödheit gern von einem dieser Handwagen überrollt worden. Ich überließ dann meinem Sohn die Wahl der Sandalen.

Die Sprache des Fußvolks

„Das sind die richtigen, endlich, absolut perfekt”, rief die Kindergärtnerin am nächsten Morgen und hätte mich beinahe umarmt. Bis zum Nachmittag hatte sie ein bisschen Deutsch gelernt, vielleicht sprach sie auch bloß Shoesperanto mit mir, so eine internationale Plansprache des Fußvolks, sie rief jedenfalls dreimal: „Suuuper-duuuper!” Mein Sohn strahlte.

Ein paar Deutsche, die in Odessa leben, haben mir bestätigt, dass die Sandalen unmöglich perfekt sein können, wenn der große Onkel vorne rausguckt und beim Gehen im Staub popelt. Aber gut, es ist ja nicht mein Onkel. Alles wäre schön, hätte die Kindergärtnerin mir nicht noch zum Abschied die Visitenkarte eines Sandalenhändlers vom Priwos gegeben und auf meine Füße gezeigt.

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Kolumne: Oleg und das Kolumnistenketchup

ODESSA, UKRAINE Heute hat mich Oleg angerufen. Er war mal wieder extrem aufgeregt, wie er das fast immer ist, wenn er mich anruft. Ich habe so einen Verdacht: Entweder ruft er mich an, um sich aufzuregen, oder er regt sich auf, um mich anzurufen. Zunächst plauderte er ein bisschen über die Hitze in Odessa, dann erzählte er etwas von 23 Klimmzügen an seiner Klimaanlage, wobei ich nicht weiß, ob ich Oleg richtig verstanden habe, irgendwann unterbrach ich ihn und fragte, was er eigentlich wolle.
„Kolumnist, ich hab ‘ne gute Nachricht”, sagte er und machte eine ewige Pause, „’ne verdammt gute Nachricht, ich weiß, wo es Ballpumpen…”
„Mach’s nicht spannend, wo muss ich hin?”
„Lass mich doch ausreden: wo es Ballpumpen gab.”
„Mist. Was ist die gute, verdammt gute Nachricht?”
„Naja, ich habe die letzten zwei bekommen.”
„Toll, dann kannst du mir ja eine Pumpe abgeben”, sagte ich.
„Was bietest du?”
„Hör mal, Oleg, ich bezahle den Preis, den du bezahlt hast, und vielleicht spendiere ich dir noch ein Bier.”
„Vergiss es”, sagte er.
„Wie bitte?”
„Dann behalte ich beide Ballpumpen.”
„Gut, was verlangst du?”, fragte ich. „Sag schon!”
„Zufällig weiß ich, dass der Kolumnist dieses weltberühmte Ketchup…”
„Oleg, das ist gemein. Ich bin durch zwanzig Supermärkte gelaufen, überall in der Stadt.”
„Stell dich nicht so an.”

Im Grunde brauche ich keine Ballpumpe. Ich besitze zwar einen Fußball, er ruht aber seit fünfeinhalb Monaten ungetreten in der Einkaufstüte. Die Ballpumpe ist zum Symbol für Dinge geworden, die ich in Odessa suche, aber nicht finde. Ich habe bislang unter anderem gesucht:

Noch gern erinnere ich mich auch an den Tapeziertisch, den ich als Schreibtisch benutzen wollte, weil mir kein Schreibtisch gefiel, der mir gezeigt wurde. Die Männer, die auf Odessas Märkten Holz zurechtsägen, schauten mich an, als trüge ich ziemlich großes, dickes Brett vor dem Kopf.
„Ich will einen Tapeziertisch”, sagte ich.
„Ich verstehe nicht.”
„Ich brauche einen Tisch, um zu tapezieren.”
„Ich verstehe nicht.”
„Egal, ich will den Tapeziertisch sowieso als Schreibtisch benutzen.”
„Ich verstehe nicht.”
„Ich brauche eine Holzplatte, die müssten Sie mir sägen, und zwei Böcke, damit die Platte nicht in der Luft schweben muss.”
„Brauchen Sie jetzt einen Schreibtisch oder dieses andere Ding? Und welche Böcke überhaupt? Ich verstehe nicht.”
Als ich mich bei Oleg beklagte, sagte er nur: „Tapeziertische, so was haben wir nicht.”
„Und wie wird bei euch tapeziert?”
„Wir legen die Tapete auf den Boden.”
„Aber der ist doch schmutzig”, sagte ich.
„Herrgott, dann wischt man eben erst den Boden und tapeziert dann.”

Ich werde mich nicht beklagen. Ich habe zuletzt ein paar Wochen in Deutschland gelebt, genauer gesagt: in einer ostdeutschen Kleinstadt mit schlimmer Rasenmäherromantik. Mittag für Mittag zwischen eins und drei, außer natürlich am Wochenende, schoben kurzhaarige Männer in kurzen Unterhemden und kurzen Hosen brummende Ungetüme durch Vorgärten. Nicht nur die Männer, auch die Vorgärten sahen gleich aus: hier ein paar Büsche, dort ein spindeldürres, bulimiekrankes Bäumchen, das kaum Schatten spendet, und ringsum eine akkurate Hecke auf Genitalbereichshöhe. In Deutschland werden sogar Mülltonnen abgeschlossen. Nach meiner Rückkehr habe ich mich gleich wieder ein bisschen in Odessa verliebt.

Ich sehe, wie Männer auf dem Bürgersteig ihr Auto mit einem Schwamm putzen und das Wasser nicht aus einem Schlauch, sondern aus einer alten Wasserflasche holen. Daneben wachsen Gasleitungen aus dem Boden. Ich erfreue mich an der Verkäuferin im Supermarkt, Heldin der Anarchie, die während des größten Kundenansturms vor sich ein Schild mit der Aufschrift „Technische Pause” aufstellt und dann nur einer Beschäftigung nachgeht: Sie versucht nicht einzuschlafen. Ich mache auch wieder Fehler, die ich längst abgestellt hatte. Zum Beispiel rufe ich ein Taxi, um im Regen halbwegs trocken nach Hause zu gelangen, und kriege den Mund nicht mehr zu, wenn die Frau in der Zentrale sagt: „Hören Sie mal, junger Mann, es regnet. Wo soll ich jetzt ein Taxi auftreiben?” Am Strand liegt natürlich noch der Schmutz vom Sommer ’08, wobei ich mich aus gewissen Gründen nicht auf ein Jahrhundert festlege. Ach ja, verziehen sich eigentlich Zimmertüren aller Nationalitäten zwischen Winter und Frühling? Oder ergeht das bloß meinen ukrainischen so?

Nicht einmal der Baulärm stört mich mehr, der mich seit März begleitet. Am Anfang arbeiteten auf dem Hof drei Vierzehnjährige. Ihr Arbeitstag begann um halb eins und endete um acht, was am Wochenende zwangsläufig dazu führte, dass sie hämmerten und stemmten, schleiften und bohrten, während ich Mittagsschlaf machen wollte. Ihre Nachfolger dürften immerhin schon beinahe volljährig sein. Sie fangen noch ein bisschen später an, und wenn ich abends um halb neun frage, ob sie vielleicht Schluss machen könnten, weil meine Kinder schlafen wollten, empfehlen sie mir, deren Tagesablauf einfach umzustellen. Ich habe noch immer keine Ahnung, was sie eigentlich errichten oder vernichten – ich weiß nur, dass ich in den all den Monaten noch nicht einmal eine Wasserwaage oder einen Zollstock gesehen habe. Wahrscheilich würde mich das noch mehr amüsieren, wenn die vielen Steine und Balken, die nach draußen geschafft werden, nicht von dem Teil des Hauses unter meiner Wohnung stammten.

„Was ist nun?”, fragte Oleg. „Kolumnistenketchup gegen Ballpumpe, kommen wir ins Geschäft?”
„Ja.”
„Dann morgen um zehn an der großen Treppe, aber keine miesen Tricks, du kommst allein.”

Alle Oleg-Kolumnen:


Abschied

ODESSA, UKRAINE Heute vor einem Jahr, sechs Tage nach meinem Umzug in die Ukraine, hatte ich mir diesen schönen Schrank aus reinstem Plastik gekauft. Das Stück vom Markt in der Nähe des Hauptpostamtes kostete unverschämte 120 Griwna, nach damaligem Kurs 17 Euro. Heute wäre es weniger als zwölf Euro wert. Der Schrank stand zunächst im Bad. Nachdem mich der Vermieter wegen meines lädierten Autos und der Polizisten am Küchentisch hinausgeworfen hatte, überwinterte und verwahrloste er auf dem Balkon der neuen Wohnung, befüllt mit Schuhputzzeug und ominösen Schläuchen der Waschmaschine. Mit den Krücken, die mir nach meinem Marschrutka-Unfall auf dem Weg nach Kiew die ersten Schritte zurück ins Leben ermöglicht hatten, habe ich sie vorhin zum Müll gebracht. Krücken und Schrank standen dort allerdings nur zehn Minuten. Ich wünsche dem neuen Besitzer Hals- und Beinbruch alles Gute.

Unorthodox

Griechisch-orthodoxe Kirche, Ekaterininskaja Straße 55

Uspenskij-Kathedrale, Preobraschenskaja Straße 70

Kirche des heiligen Panthelemon, ul. Pantelejmonowskaja 66

Kirche des heiligen Elias, ul. Puschkinskaja 77

Kiewer Glücks-Loddarie

So wird die EM 2012 in der Ukraine

Lassen Sie sich von dieser so genannten Meldung nicht verrückt machen. Die Fußball-Europameisterschaft 2012 findet definitiv in Polen und der Ukraine statt. Natürlich, es fehlen in der einstigen Sowjetrepublik Stadien, Hotels, ein halbwegs modernes Verkehrssystem, Rechtssicherheit. Vorhanden, und zwar im Überfluss, sind Chaos und Korruption.

Regierungschefin Julia Timoschenko hat versprochen, man würde trotz der wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise „selbst Unmögliches schaffen”, aber jeder Ukrainer weiß: Trau niemals einem Politiker, ob du ihn gewählt hast oder nicht. Besser hofft man zwischen Kiew, Donezk und Odessa auf Michael Platini. Seit seiner etwas dubiosen Wahl zum Präsidenten des europäischen Fußballverbandes (Uefa) 2007 muss sich der Franzose dem Osten und besonders der Ukraine verbunden fühlen.

Im Formtief steckt übrigens auch die deutsche Mannschaft. Zwischen Michael Ballack und Bundestrainer Joachim Löw kriselt es. Werden sich die beiden vertragen? Gewinnt Ballack seinen ersten großen Titel? Und gelingt Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, Kosename Loddar, endlich der Durchbruch als Fußballlehrer?

Interne Papiere aus Platinis Büro und Dokumente des ukrainischen Geheimdienstes, die diesem Blog zugespielt worden sind, verraten, was in den nächsten 1122 Tagen bis zum Anpfiff des Eröffnungsspiels am 9. Juni 2012 geschehen wird. Der Turnierverlauf ist längst beschlossen.

2009

10. Oktober
Moskau + Deutschland spielt gegen Russland in der WM-Qualifikation. Kapitän Ballack wird zur Halbzeit ausgewechselt, weil er friert. Für ihn kommt Toni Kroos. Torsten Frings, Europas begnadetster Ballquerschieber, wurde erst gar nicht nominiert. Mit einem 1:1 qualifiziert sich die Elf von Joachim Löw für Südafrika.

15. Oktober
Straßburg + DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger leidet noch immer unter dem „unglaublichen Demagogen”, als den ihn der Journalist Jens Weinreich im Sommer 2008 bezeichnet hatte. Zwanziger würde gern vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Auf Rat des DFB-Mediendirektors Harald Stenger kauft er aber die Domain www.doktorspiele.de und gründet ein Blog.

1. Dezember
London/Frankfurt/Bremen + Ballack verkündet per SMS seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Löw und sein Co-Trainer Hans-Dieter Flick wollen ihn zum Weitermachen überreden und schlafen im Auto vor Ballacks Londoner Haus. Sie essen selbst geschmierte Brote und trinken Tee aus der Thermoskanne. Einmal pro Stunde muss Flick zum Klingeln hinaus in die Kälte, er hat den Weg mit Hütchen abgesteckt. Am dritten Tag ruft Ballack die Polizei. Die Trainer werden wegen Wegelagerei und Nötigung festgenommen.

Werder Bremens Edeljoker Torsten Frings ist auch zurückgetreten.

4. Dezember
Kiew + Uefa-Präsident Michel Platini besucht die Hauptstadt. „Wie weit sind die Pläne für die Fanmeile?”, fragt der Franzose. Präsident Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko verweist auf Julia  Timoschenko. Platini, der achtmächtigste Sportfürst der Welt, ruft die Regierungschefin an. „Michel François, Sie sprechen noch mit dieser Pfeife?”, fragt sie und verspricht: „Ich kümmere mich darum.” Platini fährt erleichtert nach Odessa, wo die schönsten Frauen der Ukraine leben.

14. Dezember
Kiew + Wer gewinnt die Präsidentschaftswahl in der Ukraine? Juschtschenko, seit 2005 im Amt, tritt abermals an, obwohl er in Umfragen weit hinter Timoschenko liegt. Die zwei Helden der Orangen Revolution sind inzwischen schlimmer verfeindet als die Torhüter Uli Stein und Toni Schumacher 1986.
„Sicher gibt es Probleme, aber wir schaffen das”, sagt Timoschenko im Fernsehduell (Einschaltquote 1,5 Prozent).
„Wir schaffen das, aber sicher gibt es Probleme”, sagt Juschtschenko.
„Glauben Sie dem Präsidenten kein Wort.”
Juschtschenkos Berater haben vorab großflächig die Journalisten geschmiert. Die Medien erklären ihn zum Sieger.

2010

17. Januar
Kiew + Juschtschenko erreicht 0,9 Prozent.

3. Februar
Köln + Ballack und Frings besuchen gemeinsam den Trainerlehrgang.

9. März
Kiew + Die neue Präsidentin Timoschenko erklärt die EM zur „Chefsache”.

19. März
Kiew + Wiktor Andrejewitsch Juschtschenko zieht mit seiner amerikanischen Frau Kateryna nach Texas. Er steigt ins Ölgeschäft ein und ändert seinen Namen. Er heißt jetzt Wik A. Jusch.

6. April
Kiew + Lothar Matthäus (49) kündigt bei Kirgisistans Rekordmeister FK Dordoi-Dynamo und unterschreibt einen Vertrag als Coach der Ukraine. Auf seiner ersten Pressekonferenz sagt er, er verbinde mit seinem Amt auch eine politische Mission. Der Rest geht im lauten Gelächter der Journalisten unter.

12. April
Frankfurt + Dr. Theo Zwanziger veröffentlicht seinen ersten, von fünf DFB-Juristen gegengelesenen Blogeintrag und erzählt von einer Radtour in der Eifel.

29. April
Kiew + Matthäus trennt sich von seiner vierten Frau, der 26 Jahre jüngeren gebürtigen Ukrainerin Liliana.

2. Mai
Austin + Wik A. Jusch kandidiert für den Gouverneursposten von Texas. Er verspricht, den Super Bowl nach Dallas zu holen.

12. Mai
Kiew + Timoschenko erklärt die EM zur „absoluten Chefsache”.

19. Mai
Kiew + Lothar Matthäus hat eine neue Freundin: Larissa (17). „Ich habe schon als Mädchen für ihn geschwärmt”, sagt die Kiewerin „Bild”. Matthäus sagt: „Ich habe die Frau fürs Leben gefunden.”

22. Mai
Austin + Wik A. Jusch wird – gegen die Stimmen der ukrainischen Minderheit – Gouverneur von Texas.

29. Mai
Kiew + Matthäus zieht aus dem Premier Palace Hotel (250 Dollar die Nacht) aus und wohnt künftig bei der Familie seiner Freundin in einem Hochhausblock am Stadtrand. Das Zimmer teilt er sich mit Larissas Brüdern Kolja (5), Dimitrij (8) und Wladimir (12).

9. Juni
Przemysl + Am Grenzübergang stellen Polen und die Ukraine ihr gemeinsames EM-Maskottchen vor. Es heißt Poline. Europas Zoologen rätseln.

12. Juli
Johannesburg/Gelsenkirchen + Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM tritt Bundestrainer Löw zurück. Peter Neururer, seit einem Jahr ohne Verein, bewirbt sich als erster um die Nachfolge.

12. Juli
Frankfurt + Peter Neururer wird laut DFB nicht neuer Bundestrainer.

28. August
Kiew + Julia Timoschenko erklärt das Turnier zur „nationalen Angelegenheit”. „Frage nicht, was die EM für dich tun kann, frage, was du für die EM tun kannst”, sagt sie in einem Interview und kündigt Subventionen für Investoren an.

15. November
Kiew + Die Ukraine löst ein Teil ihres Infrastrukturproblems: Für 40 Milliarden Euro wird von Deutschland der Transrapid gekauft. In der Rekordzeit von zwei Monaten soll er die Spielorte Kiew, Lemberg, Dnepropetrowsk und Donezk verbinden. Ukrainische Ingenieure garantieren dies der Präsidentin mit einem Eid.

Dezember 2010
Kiew + Laut Plan soll der 230 Millionen teure Umbau des Olympiastadions in diesem Monat abgeschlossen werden. In Wahrheit hat er noch gar nicht begonnen.

2011
2. Januar
Kiew/Moskau + Ein neuer Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ist pünktlich zum neuen Jahr ausgebrochen. Timoschenko bietet Wladimir Putin die EM an, wenn er alle Gasschulden streicht.

4. Januar
Kiew + Politisches Chaos. Die Polizisten streiken aus Protest gegen Timoschenkos Angebot. „Wir freuen uns so auf die EM-Touristen”, sagt ein Sprecher. „Viele Kollege haben sich angesichts der zu erwartenden Einnahmen ein Haus gebaut. Da stehen Existenzen auf dem Spiel.”

5. Januar
Kiew + Auch der Verband der ukrainischen Hütchenspieler, Wahrsager, Taschendiebe, Geldfälscher, Räuber und Bordellbetreiber (VUHWTGRUB) droht mit Konsequenzen.

6. Januar
Austin + Wik A. Jusch trägt einen Cowboyhut, als er im Garten seines Amtssitzes in Austin, Texas, Timoschenko kritisiert: „Ich habe keine Zweifel mehr: Sie ist eine Agentin Moskaus.”

9. Januar
Moskau + Putin lehnt Timoschenkos Angebot ab und schlägt vor, dass die Olympischen Spiele 2014 statt in Sotschi auf der Halbinsel Krim stattfinden. Russland würde der Ukraine auch Schnee unter Weltmarktpreis liefern.

15. Februar
Kiew + Der Transrapid soll in den nächsten Tagen seine Jungfernfahrt haben.

2. März
Berlin + Die deutsche Nationalmannschaft spielt wunderschönen Fußball. Toni Kroos und Mesut Özil sind das neue Traumpaar im Mittelfeld. Der begnadigte Kevin Kuranyi trifft in der EM-Qualifikation, wie er will, er genießt das neue Spielsystem: 2-4-4. Offensivtrainer ist der 44- bis 50-jährige Ghanaer Anthony Yeboah.

21. März
Kiew + Lothar Matthäus feiert seinen 50. Geburtstag im Kreise seiner neuen Familie. Die Schwiegereltern Jurij (38) und Tamara (35) schenken ihm einen Fernseher vom Flohmarkt fürs Kinderzimmer. Auch drei Redakteure und ein Fotograf von „Bild” sind dabei.

15. April
Kiew + Die Transrapidstrecke ist fast fertig.

12. Mai
München + Matthäus verpflichtet seinen Ex-Schwiegervater, Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, als Arzt der Nationalmannschaft.

9. Juni
Kiew + Der Umbau des Olympiastadions, dem Austragungsort des Finales, macht auch ein Jahr vor der EM keine Fortschritte. Die Uefa wartet auf den Spatenstich. Polen zieht aus Protest seinen Botschafter ab.

22. Juni
Johannes B. Kerner kehrt von Sat 1 zurück zum ZDF. Er arbeitet jetzt nur noch drei Tage pro Woche: Montags, mittwochs und freitags moderiert er das Morgen-, Mittags-, Abend- und Nachtmagazin.

10. Juli
Donezk/Dnepropetrowsk + Noch immer gibt es zu wenige Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem in Donezk und Dnepropetrowsk, die kaum von Touristen besucht werden, fehlen Hotels. Der deutsche Unternehmer Jürgen B. A. U. Löwe lässt in beiden Städten straßenweise verfallene Häuser restaurieren. Das Geld leiht er sich von ukrainischen Banken.

15. August
Kiew/Leipzig + Die Bagger kommen endlich ins Olympiastadion. Es wird abgerissen. Leipzig schenkt Kiew, seit 1961 Partnerstadt, sein Zentralstadion. Die Leipziger bemerken das Fehlen erst nach drei Wochen. Als nachträgliche Ablösesumme wechselt der ukrainische Stürmerstar Andrej Schewtschenko (35) vom AC Mailand zum Regionalligisten FC Sachsen Leipzig und verspricht den Aufstieg. Der FC Sachsen – Zuschauerschnitt: 3011 – spielt wieder im Alfred-Kunze-Sportpark im Stadtteil Leutzsch gegen Altona 93, FC Oberneuland, VFC Plauen und Hansa Rostock I.

2. September
Kiew/Frankfurt (Oder) + Matthäus engagiert Witalij Klitschko als Dolmetscher und Spezialtrainer für den Angriff. Klitschko empfiehlt Henry Maske (47), Faustkämpfer im Ruhestand, für die Abwehr, doch der lässt ausrichten, er bereite sich auf sein Comeback vor. „Ich werde gegen Dariusz Michalszewski kämpfen. Es bleibt aber bei diesem einen Kampf.”

19. September
Kiew/Berlin + Lothar Matthäus gründet die Lothar-Matthäus-Ukraine-Stiftung. „Der Westen braucht uns”, ist das Motto. Matthäus wird von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Kanzleramt empfangen. Nachher berichtet der Rekordnationalspieler: „Ein Lothar Matthäus hat immer offen seine Meinung gesagt, auch wenn es unbequem war. Der Bundeskanzler versteht mich, er ist ja auch Franke.”

30. September
Odessa + Platini wird zum dritten Mal Vater. Taufpate der kleinen Svetlana ist Matthäus.

2. Oktober
Hamburg + In der Bundesliga ist der Rekord von Gerd Müller – 40 Tore in einer Saison – in Gefahr. Sandro Wagner (HSV) erzielt am 12. Spieltag seinen 16. Treffer.

9. Oktober
Dnepropetrowsk + Platini eröffnet einen Zeltplatz mit Blick auf den Dnepr für 15000 EM-Besucher. Vor Freude weiht er gleich noch eines der drei blauen Dixie-Klos ein und sagt danach: „Hier kann man es aushalten.”

13. November
Kiew + Lothar Matthäus tritt zum russisch-orthodoxen Glauben über.

24. Dezember
Hamburg + Sandro Wagner, Jäger des Müller-Rekords, stolpert über eine heruntergefallene Weihnachtsbaumkugel und fällt bis zum Ende der Rückrunde aus.

2012
4. Januar
Köln + Ballack und Frings bestehen die Trainerprüfung.

12. Februar
Nyon + Um die ukrainischen Innenstädte zu entlasten, will die Uefa Fanmeilen im Grünen und ringt tagelang um ein Konzept. Nach einer Nachtsitzung verkündet Platini schließlich: „Dnepr, Desna und Dnister – wir machen Fanflüsse.”

9. März
Kiew + Lothar Matthäus gerät mehr und mehr in die Kritik. Seine Mannschaft hat die vergangenen drei Freundschaftsspiele verloren: 1:2 gegen Italien, 1:3 in der Schweiz und 1:4 in Turkmenistan.

12. März
Kiew/Krim + Larissa feiert ihren 18. Geburtstag und heiratet Lothar Matthäus. Trauzeugen sind Franz Beckenbauer und ein gewisser Rinat Achmetow, Oligarch, reichster Mann der Ukraine, Präsident des Fußballklubs Schachtjor Donezk, zigfacher Milliardär und Ex-Straßenkämpfer.
„Trainer, brauchst du was?”, fragt Achmetow nach der Trauung.
„Ein Farbfernseher wäre nicht schlecht.”
„Hab gehört, lebst im Kinderzimmer, spricht sich rum, so was.”
„Wie kommen Sie überhaupt auf die Hochzeit?”, fragt Matthäus.
„Das könnte ich dich auch fragen”, sagt Achmetow. „Sagen wir einfach, ohne mich geht nichts in diesem Land, okay?”
„Okay.”
„Schon das mit Platini gehört, Trainer? Ist doch verdammt gut gelaufen für uns.”

13. März
Berlin + „Bild” zitiert Jurij und Tamara mit den Worten: „Er ist unser Traumschwiegersohn.” Die „taz” bringt Lothar und Larissa Matthäus auf der ersten Seite. Larissa trägt ein weißes Hochzeitskleid und sitzt im Kinderwagen mit einem Schnuller im Mund. „Lothar liebt Lolita”, lautet die Schlagzeile. Seine Flitterwochen verbringt das Paar auf der Halbinsel Krim.

14. März
Hamburg + „Der Spiegel” findet in Ghana Dokumente, die belegen, dass Antony Yeboah schon 68 Jahre alt ist.

16. März
Kiew + Der Manager von Dynamo Kiew ist außer sich vor Wut. Auch die Sportjournalisten kritisieren, dass der Nationaltrainer drei Monate vor Beginn des Turniers verschwindet. Matthäus verteidigt sich: „Witalij schaut sich alle Spiele an. Er weiß, wer in Form ist.”

29. März
Frankfurt + Johannes B. Kerner löst Harald Stenger als DFB-Mediendirektor ab, bleibt aber Morgen-, Mittags-, Abend- und Nachtmagazin-Moderator des ZDF.

15. April
Kiew + Lothar Matthäus nominiert den endgültigen Kader. Er verzichtet auf Spieler aus dem Osten der Ukraine, von Schachtjor Donezk und Metallist Charkow. Stattdessen beruft er fünf Neulinge vom Absteiger FK Lemberg. „Ossis bringen’s einfach nicht”, sagt er.

16. April
Kiew + Matthäus telefoniert mit Achmetow.

16. April + Hiobsbotschaft für Matthäus: Die fünf nominierten Lemberger Spieler haben sich verletzt und fallen für das Turnier aus. Fünf Akteure von Schachtjor werden nachnominiert.

30. April
Kiew + Nur die Hälfte der Eintrittskarten für die EM-Spiele in der Ukraine ist verkauft. Wer Karten bestellen will, muss eine Schwimmstufe – mindestens Seepferdchen – nachweisen. Platini verteidigt trotzdem das Konzept der Fanflüsse.

15. Mai
Leipzig + Der FC Sachsen steigt wegen des schlechteren Torverhältnisses von 97:197 in die fünfte Liga ab. Schewtschenko gewinnt mit 97 Treffern die Torjägerkanone und verlängert seinen Vertrag trotz diverser Angebote – unter anderem vom FC Oberneuland, von Altona 93, dem VFC Plauen und Hansa Rostock I. „Ich fühle mich in Leutzsch sehr wohl”, sagt er.

19. Mai
Malente + Die ukrainische Nationalelf bezieht ihr Trainingslager. Matthäus beschwört den „Geist von Malente” und verspricht den Titel.

9. Juni
Warschau + Polen trennt sich im Eröffnungsspiel 1:1 von Deutschland. Den Ausgleich erzielt Miroslav Klose nach einer Flanke von Hannovers Sportdirektor Michael Tarnat (42), der für den verletzten David Odonkor (SpVgg Greuther Fürth) nachnominiert worden ist.

18. Juni
Kiew + Deutschland hat die Vorrunde als Gruppenerster gemeistert und zieht von Warschau nach Kiew um. Das Hotel ist allerdings geschlossen – offiziell wegen Einsturzgefahr. Alternativen gibt es nicht, alle Hotels sind ausgebucht. Die Spieler werden bei Gastfamilien einquartiert.

1. Juli
Kiew +
21.20 Uhr
Das Finale im fast ausverkauften früheren Leipziger Zentralstadion wird mit 20 Minuten Verspätung angepfiffen, weil beide Teams im Stau gesteckt haben. Bundestrainer Ballack, der endlich seinen ersten großen Titel gewinnen will, schickt folgende Mannschaft aufs Feld: René Adler – Per Mertesacker, Arne Friedrich – Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil, Toni Kroos, Philipp Lahm – Mario Gomez, Miroslav Klose, Kevin Kuranyi, Sandro Wagner. Die Ukrainer spielen mit Bondar-, Kilisch-, Degtjar-, Rusch-, Poldar-, Leon-, Tomtsch-, Pandar-, Waslitsch-, Gusjan- und Schewtschenko.

21.55 Uhr
Kroos, Weltfußballer von 2010 und 2011, schießt schon den dritten Freistoß an die Latte.

22.05 Uhr
Halbzeit. Matthäus ist unzufrieden mit seiner Abwehr und gerät mit Klitschko aneinander, der dank längerer Reichweite zwei klare Treffer landet.

Beim Stand von 0:0 nach 80 Minuten wechselt Matthäus aus. Er nimmt den erschöpften Andrej Schewtschenko (FC Sachsen Leipzig) vom Platz und bringt sich selbst. Die deutsche Bank protestiert. Matthäus aber beruft sich auf eine Regeländerung der Uefa, den so genannten Platini-Paragrafen. Danach kann ein Deutscher nach zweimaliger Heirat mit einer Ukrainerin für die ukrainische Nationalmannschaft spielen.

Fünf Minuten vor Schluss, nach einem Handspiel von Mertesacker, zeigt der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt. Es ist schon der sechste Strafstoß für die Ukraine in diesem Turnier. Matthäus läuft an, täuscht Adler und trifft. Die Ukraine ist zum ersten Mal Europameister. Ballack und sein Co-Trainer Frings liegen sich in den Armen und weinen.

12. Juli
Kiew + Lothar Matthäus bekommt per Präsidentenerlass einen Platz auf dem Denkmal der Trainerlegende Walerij Lobanowski vor dem Stadion von Dynamo Kiew. In spätestens zwei Wochen soll der vergoldete Matthäus fertig sein. Ukrainische Denkmalexperten garantieren dies.

14. Juli
Kiew + Jürgen B. A. U. Löwe wird festgenommen. Es handelt um sich Jürgen Schneider. Er hinterlässt nach wilden Immobilienspekulationen dem ukrainischen Steuerzahler Schulden von 40 Milliarden Euro. Lothar Matthäus flieht mit dem Transrapid, der seit gestern fährt, nach Lemberg und wird in den Karpaten aufgegriffen. Deutschland beantragt die Auslieferung beider Männer nicht.

Aloholkontrolle

Falls es noch eines Beweises bedurfte, dass Ukrainer in der Europäischen Union diskriminiert werden:

Leserin Nataliya aus Kiew hat mir geschrieben, bislang sei die harte Landung der Blaumeise¹ noch gar kein Thema in der Ukraine.

Nachtrag: Offenbar ist der Skandal nicht zu verheimlichen. Wie bild.de berichtet, habe die Meldung gestern die Fernsehnachrichten “in der Ukraine und sogar in Moskau” beherrscht. Und weiter heißt:

Andere in Kiew verstehen die Aufregung überhaupt nicht. So zitiert „Russland aktuell” im Internet Luzenkos Fraktionskollegen Sergej Moskal. Der erklärte angeblich, wenn die Fraktion jeden Fall von Trunkenheit von Abgeordneten in der Öffentlichkeit diskutieren würde, wäre man bald arbeitsunfähig, denn es gäbe „keinen Abgeordneten der Fraktion, der nicht trinkt”.

¹ Die Werkbank, an der sich solche schiefen Bilder drechsele, kommt nächste Woche auf den Sperrmüll.